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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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der von ihm mit rastloser Anstrengung in Bünden
durchgesetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬
schrift des Königs endgültig geworden sei; aber die¬
sem Antlitz gegenüber hatte der sonst vor nichts Zu¬
rückschreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte
sich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und
ihm einen genauen Bericht über die Feststellungen der
Grenze zwischen Tirol und Unterengadin zu geben, wie
sie während des Waffenstillstandes gelten sollten.

"Die Oesterreicher sind langsam und umständlich;
ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen,"
sagte er. "Wär' ich im Lande gewesen, niemals hätten
mir meine störrischen Kameraden ohne Euren Befehl,
erlauchter Herr, ihre Posten verlassen, niemals Euch
in Thusis als erste Begrüßung den widerwärtigen An¬
blick ihres Ungehorsams entgegengebracht.

Einen schlimmern Ausbruch vor Euern Augen," schloß
er zögernd, "habe ich nur mit Mühe verhütet und indem
ich mich, da mir kein anderes wirksames Mittel mehr
zu Gebote stand, meinen Kameraden mit Hab' und
Gut für den rückständigen französischen Sold verbürgte.
Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemessene Ergebenheit
nicht verargen werdet!" fügte er schmeichelnd hinzu.

Der Herzog lehnte, zusammenzuckend, tiefer in
die Kissen zurück und der schmerzliche Zug in seinem

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der von ihm mit raſtloſer Anſtrengung in Bünden
durchgeſetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬
ſchrift des Königs endgültig geworden ſei; aber die¬
ſem Antlitz gegenüber hatte der ſonſt vor nichts Zu¬
rückſchreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte
ſich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und
ihm einen genauen Bericht über die Feſtſtellungen der
Grenze zwiſchen Tirol und Unterengadin zu geben, wie
ſie während des Waffenſtillſtandes gelten ſollten.

„Die Oeſterreicher ſind langſam und umſtändlich;
ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen,“
ſagte er. „Wär' ich im Lande geweſen, niemals hätten
mir meine ſtörriſchen Kameraden ohne Euren Befehl,
erlauchter Herr, ihre Poſten verlaſſen, niemals Euch
in Thuſis als erſte Begrüßung den widerwärtigen An¬
blick ihres Ungehorſams entgegengebracht.

Einen ſchlimmern Ausbruch vor Euern Augen,“ ſchloß
er zögernd, „habe ich nur mit Mühe verhütet und indem
ich mich, da mir kein anderes wirkſames Mittel mehr
zu Gebote ſtand, meinen Kameraden mit Hab' und
Gut für den rückſtändigen franzöſiſchen Sold verbürgte.
Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemeſſene Ergebenheit
nicht verargen werdet!“ fügte er ſchmeichelnd hinzu.

Der Herzog lehnte, zuſammenzuckend, tiefer in
die Kiſſen zurück und der ſchmerzliche Zug in ſeinem

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[259/0269] der von ihm mit raſtloſer Anſtrengung in Bünden durchgeſetzte Vertrag in St. Germain durch die Unter¬ ſchrift des Königs endgültig geworden ſei; aber die¬ ſem Antlitz gegenüber hatte der ſonſt vor nichts Zu¬ rückſchreckende keinen Muth zur Frage. Er begnügte ſich auf des Herzogs Erkundigung zu antworten und ihm einen genauen Bericht über die Feſtſtellungen der Grenze zwiſchen Tirol und Unterengadin zu geben, wie ſie während des Waffenſtillſtandes gelten ſollten. „Die Oeſterreicher ſind langſam und umſtändlich; ich wurde hingehalten und bis nach Innsbruck gezogen,“ ſagte er. „Wär' ich im Lande geweſen, niemals hätten mir meine ſtörriſchen Kameraden ohne Euren Befehl, erlauchter Herr, ihre Poſten verlaſſen, niemals Euch in Thuſis als erſte Begrüßung den widerwärtigen An¬ blick ihres Ungehorſams entgegengebracht. Einen ſchlimmern Ausbruch vor Euern Augen,“ ſchloß er zögernd, „habe ich nur mit Mühe verhütet und indem ich mich, da mir kein anderes wirkſames Mittel mehr zu Gebote ſtand, meinen Kameraden mit Hab' und Gut für den rückſtändigen franzöſiſchen Sold verbürgte. Ich hoffe, daß Ihr mir meine ungemeſſene Ergebenheit nicht verargen werdet!“ fügte er ſchmeichelnd hinzu. Der Herzog lehnte, zuſammenzuckend, tiefer in die Kiſſen zurück und der ſchmerzliche Zug in ſeinem 17*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/269>, abgerufen am 21.11.2024.