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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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dringenden Briefen an den König selbst und an den
Cardinal. Morgen wird er abreisen. Gehorchte ich
meinem verletzten persönlichen Ehrgefühle, wahrlich heute
noch legte ich mein Commando nieder; aber das darf
ich nicht um Euretwillen. Ich zweifle, daß meine Liebe
zu Euch und meine persönlichen Verbindlichkeiten mit
meinem Feldherrnstab auf meinen Nachfolger in Bün¬
den übergingen."

"Das thut uns nicht an!" rief Jenatsch erschrocken,
"bei Euerm Heil, -- nein, bei dem unsern beschwör'
ich Euch -- thut es nicht! Lasset nicht das Werk Eurer
Hände! Stoßt uns nicht in einen solchen Abgrund der
Rathlosigkeit!"

"Darum will ich bis ans Ende ausharren," fuhr
der Herzog mit einer Festigkeit fort, wie sie die klar
erkannte Pflicht giebt. -- "Aber wißt, Jenatsch, von
Euch erwarte ich hier im Lande Alles. Durch mein
grenzenloses Zutrauen seid Ihr in meine Sorgen und
in die Schwankungen des Looses eingeweiht, das ich im
festen Glauben war, Eurer Heimat schon gesichert zu
haben. Ihr seid es allein. Ich weiß, Ihr ehret mein
Vertrauen durch unverbrüchliches Schweigen. Beruhigt
Eure Landsleute. Ich sehe, welche außerordentliche, ja
wunderbare Macht Ihr auf die Gemüther ausübt.
Schaffet Frist! Haltet den Glauben an Frankreich auf¬

dringenden Briefen an den König ſelbſt und an den
Cardinal. Morgen wird er abreiſen. Gehorchte ich
meinem verletzten perſönlichen Ehrgefühle, wahrlich heute
noch legte ich mein Commando nieder; aber das darf
ich nicht um Euretwillen. Ich zweifle, daß meine Liebe
zu Euch und meine perſönlichen Verbindlichkeiten mit
meinem Feldherrnſtab auf meinen Nachfolger in Bün¬
den übergingen.“

„Das thut uns nicht an!“ rief Jenatſch erſchrocken,
„bei Euerm Heil, — nein, bei dem unſern beſchwör'
ich Euch — thut es nicht! Laſſet nicht das Werk Eurer
Hände! Stoßt uns nicht in einen ſolchen Abgrund der
Rathloſigkeit!“

„Darum will ich bis ans Ende ausharren,“ fuhr
der Herzog mit einer Feſtigkeit fort, wie ſie die klar
erkannte Pflicht giebt. — „Aber wißt, Jenatſch, von
Euch erwarte ich hier im Lande Alles. Durch mein
grenzenloſes Zutrauen ſeid Ihr in meine Sorgen und
in die Schwankungen des Looſes eingeweiht, das ich im
feſten Glauben war, Eurer Heimat ſchon geſichert zu
haben. Ihr ſeid es allein. Ich weiß, Ihr ehret mein
Vertrauen durch unverbrüchliches Schweigen. Beruhigt
Eure Landsleute. Ich ſehe, welche außerordentliche, ja
wunderbare Macht Ihr auf die Gemüther ausübt.
Schaffet Friſt! Haltet den Glauben an Frankreich auf¬

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[265/0275] dringenden Briefen an den König ſelbſt und an den Cardinal. Morgen wird er abreiſen. Gehorchte ich meinem verletzten perſönlichen Ehrgefühle, wahrlich heute noch legte ich mein Commando nieder; aber das darf ich nicht um Euretwillen. Ich zweifle, daß meine Liebe zu Euch und meine perſönlichen Verbindlichkeiten mit meinem Feldherrnſtab auf meinen Nachfolger in Bün¬ den übergingen.“ „Das thut uns nicht an!“ rief Jenatſch erſchrocken, „bei Euerm Heil, — nein, bei dem unſern beſchwör' ich Euch — thut es nicht! Laſſet nicht das Werk Eurer Hände! Stoßt uns nicht in einen ſolchen Abgrund der Rathloſigkeit!“ „Darum will ich bis ans Ende ausharren,“ fuhr der Herzog mit einer Feſtigkeit fort, wie ſie die klar erkannte Pflicht giebt. — „Aber wißt, Jenatſch, von Euch erwarte ich hier im Lande Alles. Durch mein grenzenloſes Zutrauen ſeid Ihr in meine Sorgen und in die Schwankungen des Looſes eingeweiht, das ich im feſten Glauben war, Eurer Heimat ſchon geſichert zu haben. Ihr ſeid es allein. Ich weiß, Ihr ehret mein Vertrauen durch unverbrüchliches Schweigen. Beruhigt Eure Landsleute. Ich ſehe, welche außerordentliche, ja wunderbare Macht Ihr auf die Gemüther ausübt. Schaffet Friſt! Haltet den Glauben an Frankreich auf¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/275>, abgerufen am 21.11.2024.