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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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-- mir immer fern und fremd geblieben. Ich habe
mich nie darin zurecht gefunden. Ihr aber seid von
Spanien durch viele Blutschuld von Alters her getrennt.
Ihr, Jürg, verdankt dem guten Herzog das Leben und
Euern Ruhm! Er hat Euch mit Vertrauen überschüttet
und Ihr kennt seinen herzlichen Willen gegen unsre
Heimat, -- habt Ihr ihn denn nicht lieb? . . . . . . .
Könnet Ihr, -- ich will glauben der Heimat zum
Besten, -- immer nach Neuem greifen und ohne daß
Ihr daran untergehet das alte Wesen wie eine Schlangen¬
haut abstreifen?"

"Was ist Dir der Herzog, Lucretia!" rief er.
"Wie magst Du um einen Fremdling sorgen! Bist Du
noch so weichlichen Herzens nach Allem, was Du ge¬
litten und was ich selbst an Dir und Deinem Hause
gefrevelt habe? . . . Schau um Dich . . . in allen unsern
Thälern Trümmer und Brandstätten! Soll hier nie
Friede werden, nie Freiheit und Gesetz hierher zurück¬
kehren? Der Herzog kann uns nicht herausziehen. Er will
sein frommhochzeitlich Kleid nicht beflecken. Doch auch
ich habe eine Rede Gottes für mich. Ich wölbte mir
die Himmel -- spricht der Herr -- den Spielraum
der Erde aber überließ ich den Menschenkindern . . .
Siehst Du nicht, Lucretia, wie wir Alle in diesen
Bürgerkriegen Gebornen ein freches, schuldiges Ge¬

— mir immer fern und fremd geblieben. Ich habe
mich nie darin zurecht gefunden. Ihr aber ſeid von
Spanien durch viele Blutſchuld von Alters her getrennt.
Ihr, Jürg, verdankt dem guten Herzog das Leben und
Euern Ruhm! Er hat Euch mit Vertrauen überſchüttet
und Ihr kennt ſeinen herzlichen Willen gegen unſre
Heimat, — habt Ihr ihn denn nicht lieb? . . . . . . .
Könnet Ihr, — ich will glauben der Heimat zum
Beſten, — immer nach Neuem greifen und ohne daß
Ihr daran untergehet das alte Weſen wie eine Schlangen¬
haut abſtreifen?“

„Was iſt Dir der Herzog, Lucretia!“ rief er.
„Wie magſt Du um einen Fremdling ſorgen! Biſt Du
noch ſo weichlichen Herzens nach Allem, was Du ge¬
litten und was ich ſelbſt an Dir und Deinem Hauſe
gefrevelt habe? . . . Schau um Dich . . . in allen unſern
Thälern Trümmer und Brandſtätten! Soll hier nie
Friede werden, nie Freiheit und Geſetz hierher zurück¬
kehren? Der Herzog kann uns nicht herausziehen. Er will
ſein frommhochzeitlich Kleid nicht beflecken. Doch auch
ich habe eine Rede Gottes für mich. Ich wölbte mir
die Himmel — ſpricht der Herr — den Spielraum
der Erde aber überließ ich den Menſchenkindern . . .
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Bürgerkriegen Gebornen ein freches, ſchuldiges Ge¬

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[290/0300] — mir immer fern und fremd geblieben. Ich habe mich nie darin zurecht gefunden. Ihr aber ſeid von Spanien durch viele Blutſchuld von Alters her getrennt. Ihr, Jürg, verdankt dem guten Herzog das Leben und Euern Ruhm! Er hat Euch mit Vertrauen überſchüttet und Ihr kennt ſeinen herzlichen Willen gegen unſre Heimat, — habt Ihr ihn denn nicht lieb? . . . . . . . Könnet Ihr, — ich will glauben der Heimat zum Beſten, — immer nach Neuem greifen und ohne daß Ihr daran untergehet das alte Weſen wie eine Schlangen¬ haut abſtreifen?“ „Was iſt Dir der Herzog, Lucretia!“ rief er. „Wie magſt Du um einen Fremdling ſorgen! Biſt Du noch ſo weichlichen Herzens nach Allem, was Du ge¬ litten und was ich ſelbſt an Dir und Deinem Hauſe gefrevelt habe? . . . Schau um Dich . . . in allen unſern Thälern Trümmer und Brandſtätten! Soll hier nie Friede werden, nie Freiheit und Geſetz hierher zurück¬ kehren? Der Herzog kann uns nicht herausziehen. Er will ſein frommhochzeitlich Kleid nicht beflecken. Doch auch ich habe eine Rede Gottes für mich. Ich wölbte mir die Himmel — ſpricht der Herr — den Spielraum der Erde aber überließ ich den Menſchenkindern . . . Siehſt Du nicht, Lucretia, wie wir Alle in dieſen Bürgerkriegen Gebornen ein freches, ſchuldiges Ge¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/300>, abgerufen am 22.11.2024.