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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Die Echtheit keiner dieser Unterschriften ist anzufechten.
-- Der Euch gegebene Befehl opferte meine Ehre
und wohl auch mein Leben . . . . warum habt Ihr ihn
nicht ausgeführt?"

"Weil es zu spät war, denn ich hatte die
Festungen schon geräumt," sagte Lecques trocken.

"Und besonders," fügte er rasch und mit Wärme
hinzu, "weil ich, wie die Lage war, ohne Euch, er¬
lauchter Herr, nicht handeln wollte. Ich bin der Mei¬
nung, mit diesem letzten königlichen Befehle in meinen
Händen sei auch jetzt noch nichts verloren und es sei
noch früh genug dem Wunsch und Willen des Königs
nachzukommen und den Frankreich beschimpfenden Ver¬
rath zu rächen. Jetzt um so sicherer, als Feldherr und
Heer wieder vereinigt sind! -- Mein Plan ist gemacht,
wollet ihn anhören."

Er führte den Herzog in den thurmähnlich vor¬
springenden Erker, dessen Fenster in der lauen stillen
Mainacht offen standen, und fuhr mit gedämpfter
Stimme fort: "Es liegen keine Bündnertruppen in der
Stadt und ihrer Umgebung. Jenatsch hat die Regi¬
menter ins Prätigau verlegt, um jeder Reibung mit
unsern durch den ruhmlosen Rückzug gereizten Soldaten
vorzubeugen. Nur einige Haufen Landsturm bewachen
die Thore. Jenatsch und die Obersten, die uns scham¬

Die Echtheit keiner dieſer Unterſchriften iſt anzufechten.
— Der Euch gegebene Befehl opferte meine Ehre
und wohl auch mein Leben . . . . warum habt Ihr ihn
nicht ausgeführt?“

„Weil es zu ſpät war, denn ich hatte die
Feſtungen ſchon geräumt,“ ſagte Lecques trocken.

„Und beſonders,“ fügte er raſch und mit Wärme
hinzu, „weil ich, wie die Lage war, ohne Euch, er¬
lauchter Herr, nicht handeln wollte. Ich bin der Mei¬
nung, mit dieſem letzten königlichen Befehle in meinen
Händen ſei auch jetzt noch nichts verloren und es ſei
noch früh genug dem Wunſch und Willen des Königs
nachzukommen und den Frankreich beſchimpfenden Ver¬
rath zu rächen. Jetzt um ſo ſicherer, als Feldherr und
Heer wieder vereinigt ſind! — Mein Plan iſt gemacht,
wollet ihn anhören.“

Er führte den Herzog in den thurmähnlich vor¬
ſpringenden Erker, deſſen Fenſter in der lauen ſtillen
Mainacht offen ſtanden, und fuhr mit gedämpfter
Stimme fort: „Es liegen keine Bündnertruppen in der
Stadt und ihrer Umgebung. Jenatſch hat die Regi¬
menter ins Prätigau verlegt, um jeder Reibung mit
unſern durch den ruhmloſen Rückzug gereizten Soldaten
vorzubeugen. Nur einige Haufen Landſturm bewachen
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[333/0343] Die Echtheit keiner dieſer Unterſchriften iſt anzufechten. — Der Euch gegebene Befehl opferte meine Ehre und wohl auch mein Leben . . . . warum habt Ihr ihn nicht ausgeführt?“ „Weil es zu ſpät war, denn ich hatte die Feſtungen ſchon geräumt,“ ſagte Lecques trocken. „Und beſonders,“ fügte er raſch und mit Wärme hinzu, „weil ich, wie die Lage war, ohne Euch, er¬ lauchter Herr, nicht handeln wollte. Ich bin der Mei¬ nung, mit dieſem letzten königlichen Befehle in meinen Händen ſei auch jetzt noch nichts verloren und es ſei noch früh genug dem Wunſch und Willen des Königs nachzukommen und den Frankreich beſchimpfenden Ver¬ rath zu rächen. Jetzt um ſo ſicherer, als Feldherr und Heer wieder vereinigt ſind! — Mein Plan iſt gemacht, wollet ihn anhören.“ Er führte den Herzog in den thurmähnlich vor¬ ſpringenden Erker, deſſen Fenſter in der lauen ſtillen Mainacht offen ſtanden, und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: „Es liegen keine Bündnertruppen in der Stadt und ihrer Umgebung. Jenatſch hat die Regi¬ menter ins Prätigau verlegt, um jeder Reibung mit unſern durch den ruhmloſen Rückzug gereizten Soldaten vorzubeugen. Nur einige Haufen Landſturm bewachen die Thore. Jenatſch und die Oberſten, die uns ſcham¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/343>, abgerufen am 22.11.2024.