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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Zorn, "so wird sich die Scene, glaubt mir, mit einem
Schlage verwandeln!"

"Gedenkt Ihr den Ruhm Frankreichs mit einem
Wortbruche und einer Mordnacht wieder herzustellen?"
sagte der Herzog streng.

Lecques wies auf seine Vollmacht. "Ich erfülle
damit den Willen des Königs meines Herrn," verthei¬
digte er sich. "Der gelehrte Cardinal ist in Entschei¬
dung von Gewissensfragen ein Meister; in seinem Ka¬
techismus steht: Verrath gegen Verrath. Das durch
die rohe Gewaltthat, die am 19. März dieses Hauses
Gastrecht entehrte, Euch entrissene Wort verpflichtet Euch
weder vor Gott noch vor den Menschen, hättet Ihr es
auch auf die Hostie oder auf das Evangelium geschworen."

"Mein Gewissen entscheidet anders," erklärte Hein¬
rich Rohan bestimmt und ruhig. "Noch bin ich Euer
Feldherr, noch seid Ihr mir Gehorsam schuldig und Ihr
werdet ihn leisten. Sprecht mir nicht mehr von Eurem
Anschlage. Er würde, wenn er gelänge, die an der
Grenze stehenden Oesterreicher und Spanier ins Land
ziehn und den furchtbarsten Krieg entflammen. Ihr
selbst habt es gesagt: Ein Einziger war fähig, diesen
kalten Verrath zu begehen. Das Volk ist unschuldig
und verdient nicht, was der Eine verbrochen, durch ein
so grausames Loos zu büßen. Ich halte den Vertrag

Zorn, „ſo wird ſich die Scene, glaubt mir, mit einem
Schlage verwandeln!“

„Gedenkt Ihr den Ruhm Frankreichs mit einem
Wortbruche und einer Mordnacht wieder herzuſtellen?“
ſagte der Herzog ſtreng.

Lecques wies auf ſeine Vollmacht. „Ich erfülle
damit den Willen des Königs meines Herrn,“ verthei¬
digte er ſich. „Der gelehrte Cardinal iſt in Entſchei¬
dung von Gewiſſensfragen ein Meiſter; in ſeinem Ka¬
techismus ſteht: Verrath gegen Verrath. Das durch
die rohe Gewaltthat, die am 19. März dieſes Hauſes
Gaſtrecht entehrte, Euch entriſſene Wort verpflichtet Euch
weder vor Gott noch vor den Menſchen, hättet Ihr es
auch auf die Hoſtie oder auf das Evangelium geſchworen.“

„Mein Gewiſſen entſcheidet anders,“ erklärte Hein¬
rich Rohan beſtimmt und ruhig. „Noch bin ich Euer
Feldherr, noch ſeid Ihr mir Gehorſam ſchuldig und Ihr
werdet ihn leiſten. Sprecht mir nicht mehr von Eurem
Anſchlage. Er würde, wenn er gelänge, die an der
Grenze ſtehenden Oeſterreicher und Spanier ins Land
ziehn und den furchtbarſten Krieg entflammen. Ihr
ſelbſt habt es geſagt: Ein Einziger war fähig, dieſen
kalten Verrath zu begehen. Das Volk iſt unſchuldig
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ſo grauſames Loos zu büßen. Ich halte den Vertrag

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[335/0345] Zorn, „ſo wird ſich die Scene, glaubt mir, mit einem Schlage verwandeln!“ „Gedenkt Ihr den Ruhm Frankreichs mit einem Wortbruche und einer Mordnacht wieder herzuſtellen?“ ſagte der Herzog ſtreng. Lecques wies auf ſeine Vollmacht. „Ich erfülle damit den Willen des Königs meines Herrn,“ verthei¬ digte er ſich. „Der gelehrte Cardinal iſt in Entſchei¬ dung von Gewiſſensfragen ein Meiſter; in ſeinem Ka¬ techismus ſteht: Verrath gegen Verrath. Das durch die rohe Gewaltthat, die am 19. März dieſes Hauſes Gaſtrecht entehrte, Euch entriſſene Wort verpflichtet Euch weder vor Gott noch vor den Menſchen, hättet Ihr es auch auf die Hoſtie oder auf das Evangelium geſchworen.“ „Mein Gewiſſen entſcheidet anders,“ erklärte Hein¬ rich Rohan beſtimmt und ruhig. „Noch bin ich Euer Feldherr, noch ſeid Ihr mir Gehorſam ſchuldig und Ihr werdet ihn leiſten. Sprecht mir nicht mehr von Eurem Anſchlage. Er würde, wenn er gelänge, die an der Grenze ſtehenden Oeſterreicher und Spanier ins Land ziehn und den furchtbarſten Krieg entflammen. Ihr ſelbſt habt es geſagt: Ein Einziger war fähig, dieſen kalten Verrath zu begehen. Das Volk iſt unſchuldig und verdient nicht, was der Eine verbrochen, durch ein ſo grauſames Loos zu büßen. Ich halte den Vertrag

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/345>, abgerufen am 22.11.2024.