und ein Rosettenschuh knapper und schöner gesessen als heute an seinem wohlgebildeten, feierlich vorgesetzten Bein. Bei näherer Betrachtung jedoch verrieth die Befangenheit seines gewöhnlich gesunden und ruhigen Gesichts und der bängliche Ausdruck seiner irrenden Augensterne einen geheimen Widerspruch mit der magi¬ stralen Sicherheit seiner vollkommenen Haltung.
Der Gruppe der Standeshäupter gegenüber, wo sich die Ausmündung einer innerhalb der Stadtmauer laufenden Nebengasse zu einem kleinen viereckigen Platze erweiterte, hatten sich, als Repräsentanten der heimischen Waffen, die vornehmsten Bündneroffiziere versammelt und warteten zu Pferde, um sich dem Gefolge des Her¬ zogs anzuschließen und ihm das Ehrengeleit bis zur Grenze zu geben. Im Gegensatze zu der gedrückten Stimmung auf der andern Seite der Gasse unter den Söhnen der Themis herrschte hier unter den Kindern des Mars eine frische und beherzte, der sie sich unbe¬ fangen überließen, da sie sahen, daß der bündne¬ rische Dictator zur Verabschiedung seines Opfers nicht erscheine.
Jetzt erreichte Herzog Rohan den Platz vor der Freitreppe. Huldvoll hielt er seinen schlanken Gold¬ fuchs an, denn er sah, wie der Amtsbürgermeister einen goldenen Pokal erhob, den eben ein ergrauter Raths¬
und ein Roſettenſchuh knapper und ſchöner geſeſſen als heute an ſeinem wohlgebildeten, feierlich vorgeſetzten Bein. Bei näherer Betrachtung jedoch verrieth die Befangenheit ſeines gewöhnlich geſunden und ruhigen Geſichts und der bängliche Ausdruck ſeiner irrenden Augenſterne einen geheimen Widerſpruch mit der magi¬ ſtralen Sicherheit ſeiner vollkommenen Haltung.
Der Gruppe der Standeshäupter gegenüber, wo ſich die Ausmündung einer innerhalb der Stadtmauer laufenden Nebengaſſe zu einem kleinen viereckigen Platze erweiterte, hatten ſich, als Repräſentanten der heimiſchen Waffen, die vornehmſten Bündneroffiziere verſammelt und warteten zu Pferde, um ſich dem Gefolge des Her¬ zogs anzuſchließen und ihm das Ehrengeleit bis zur Grenze zu geben. Im Gegenſatze zu der gedrückten Stimmung auf der andern Seite der Gaſſe unter den Söhnen der Themis herrſchte hier unter den Kindern des Mars eine friſche und beherzte, der ſie ſich unbe¬ fangen überließen, da ſie ſahen, daß der bündne¬ riſche Dictator zur Verabſchiedung ſeines Opfers nicht erſcheine.
Jetzt erreichte Herzog Rohan den Platz vor der Freitreppe. Huldvoll hielt er ſeinen ſchlanken Gold¬ fuchs an, denn er ſah, wie der Amtsbürgermeiſter einen goldenen Pokal erhob, den eben ein ergrauter Raths¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0354"n="344"/>
und ein Roſettenſchuh knapper und ſchöner geſeſſen als<lb/>
heute an ſeinem wohlgebildeten, feierlich vorgeſetzten<lb/>
Bein. Bei näherer Betrachtung jedoch verrieth die<lb/>
Befangenheit ſeines gewöhnlich geſunden und ruhigen<lb/>
Geſichts und der bängliche Ausdruck ſeiner irrenden<lb/>
Augenſterne einen geheimen Widerſpruch mit der magi¬<lb/>ſtralen Sicherheit ſeiner vollkommenen Haltung.</p><lb/><p>Der Gruppe der Standeshäupter gegenüber, wo<lb/>ſich die Ausmündung einer innerhalb der Stadtmauer<lb/>
laufenden Nebengaſſe zu einem kleinen viereckigen Platze<lb/>
erweiterte, hatten ſich, als Repräſentanten der heimiſchen<lb/>
Waffen, die vornehmſten Bündneroffiziere verſammelt<lb/>
und warteten zu Pferde, um ſich dem Gefolge des Her¬<lb/>
zogs anzuſchließen und ihm das Ehrengeleit bis zur<lb/>
Grenze zu geben. Im Gegenſatze zu der gedrückten<lb/>
Stimmung auf der andern Seite der Gaſſe unter den<lb/>
Söhnen der Themis herrſchte hier unter den Kindern<lb/>
des Mars eine friſche und beherzte, der ſie ſich unbe¬<lb/>
fangen überließen, da ſie ſahen, daß der bündne¬<lb/>
riſche Dictator zur Verabſchiedung ſeines Opfers nicht<lb/>
erſcheine.</p><lb/><p>Jetzt erreichte Herzog Rohan den Platz vor der<lb/>
Freitreppe. Huldvoll hielt er ſeinen ſchlanken Gold¬<lb/>
fuchs an, denn er ſah, wie der Amtsbürgermeiſter einen<lb/>
goldenen Pokal erhob, den eben ein ergrauter Raths¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[344/0354]
und ein Roſettenſchuh knapper und ſchöner geſeſſen als
heute an ſeinem wohlgebildeten, feierlich vorgeſetzten
Bein. Bei näherer Betrachtung jedoch verrieth die
Befangenheit ſeines gewöhnlich geſunden und ruhigen
Geſichts und der bängliche Ausdruck ſeiner irrenden
Augenſterne einen geheimen Widerſpruch mit der magi¬
ſtralen Sicherheit ſeiner vollkommenen Haltung.
Der Gruppe der Standeshäupter gegenüber, wo
ſich die Ausmündung einer innerhalb der Stadtmauer
laufenden Nebengaſſe zu einem kleinen viereckigen Platze
erweiterte, hatten ſich, als Repräſentanten der heimiſchen
Waffen, die vornehmſten Bündneroffiziere verſammelt
und warteten zu Pferde, um ſich dem Gefolge des Her¬
zogs anzuſchließen und ihm das Ehrengeleit bis zur
Grenze zu geben. Im Gegenſatze zu der gedrückten
Stimmung auf der andern Seite der Gaſſe unter den
Söhnen der Themis herrſchte hier unter den Kindern
des Mars eine friſche und beherzte, der ſie ſich unbe¬
fangen überließen, da ſie ſahen, daß der bündne¬
riſche Dictator zur Verabſchiedung ſeines Opfers nicht
erſcheine.
Jetzt erreichte Herzog Rohan den Platz vor der
Freitreppe. Huldvoll hielt er ſeinen ſchlanken Gold¬
fuchs an, denn er ſah, wie der Amtsbürgermeiſter einen
goldenen Pokal erhob, den eben ein ergrauter Raths¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/354>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.