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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Hallebarde und Morgenstern ruhten an den friedlichen
Kreuzen des Nonnenkirchhofs. Alt und Jung schaarte
sich längs der Klostermauer und die frommen Schwestern
eilten leichtfüßig auf und nieder, in kleinen hölzernen
Schalen ihren Most und Wein bis auf den letzten
Tropfen ausschenkend.

Niemand aber ahnte in dem durch den Abzug der
Franzosen mit hellem Jubel erfüllten Domleschg, wel¬
chen Antheil Fräulein Lucretia an den geheimen Ver¬
handlungen genommen, die den Handstreich in Chur
möglich gemacht hatten. Nicht einmal die Frauen in
Cazis, obschon sie den Verkehr mit dem Fräulein nach
dem Wunsche ihres Beichtigers immer eifriger und zu¬
thunlicher pflogen. Nicht daß Pancraz den eigensüch¬
tigen Gedanken in ihnen genährt hätte, die Letzte der
Planta von Riedberg unwiderruflich in den Ring des
Klosters zu ziehen. Sie verkehrten mit Lucretia, der
Weisheit des Paters vertrauend, ohne sie mit Fragen
oder mit Bitten zu bestürmen, die auf ihre Zukunft
und die Hoffnungen des Klosters Bezug hatten, schon
aus geselliger Neigung und natürlicher Gutherzigkeit.
-- Das Fräulein hätte sie gedauert, wenn es von den
merkwürdigen Dingen, die sich im Lande zutrugen und
die sie selbst auf den verschiedensten Wegen erfuhren,
nicht ungesäumt unterrichtet worden wäre.

Hallebarde und Morgenſtern ruhten an den friedlichen
Kreuzen des Nonnenkirchhofs. Alt und Jung ſchaarte
ſich längs der Kloſtermauer und die frommen Schweſtern
eilten leichtfüßig auf und nieder, in kleinen hölzernen
Schalen ihren Moſt und Wein bis auf den letzten
Tropfen ausſchenkend.

Niemand aber ahnte in dem durch den Abzug der
Franzoſen mit hellem Jubel erfüllten Domleſchg, wel¬
chen Antheil Fräulein Lucretia an den geheimen Ver¬
handlungen genommen, die den Handſtreich in Chur
möglich gemacht hatten. Nicht einmal die Frauen in
Cazis, obſchon ſie den Verkehr mit dem Fräulein nach
dem Wunſche ihres Beichtigers immer eifriger und zu¬
thunlicher pflogen. Nicht daß Pancraz den eigenſüch¬
tigen Gedanken in ihnen genährt hätte, die Letzte der
Planta von Riedberg unwiderruflich in den Ring des
Kloſters zu ziehen. Sie verkehrten mit Lucretia, der
Weisheit des Paters vertrauend, ohne ſie mit Fragen
oder mit Bitten zu beſtürmen, die auf ihre Zukunft
und die Hoffnungen des Kloſters Bezug hatten, ſchon
aus geſelliger Neigung und natürlicher Gutherzigkeit.
— Das Fräulein hätte ſie gedauert, wenn es von den
merkwürdigen Dingen, die ſich im Lande zutrugen und
die ſie ſelbſt auf den verſchiedenſten Wegen erfuhren,
nicht ungeſäumt unterrichtet worden wäre.

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[350/0360] Hallebarde und Morgenſtern ruhten an den friedlichen Kreuzen des Nonnenkirchhofs. Alt und Jung ſchaarte ſich längs der Kloſtermauer und die frommen Schweſtern eilten leichtfüßig auf und nieder, in kleinen hölzernen Schalen ihren Moſt und Wein bis auf den letzten Tropfen ausſchenkend. Niemand aber ahnte in dem durch den Abzug der Franzoſen mit hellem Jubel erfüllten Domleſchg, wel¬ chen Antheil Fräulein Lucretia an den geheimen Ver¬ handlungen genommen, die den Handſtreich in Chur möglich gemacht hatten. Nicht einmal die Frauen in Cazis, obſchon ſie den Verkehr mit dem Fräulein nach dem Wunſche ihres Beichtigers immer eifriger und zu¬ thunlicher pflogen. Nicht daß Pancraz den eigenſüch¬ tigen Gedanken in ihnen genährt hätte, die Letzte der Planta von Riedberg unwiderruflich in den Ring des Kloſters zu ziehen. Sie verkehrten mit Lucretia, der Weisheit des Paters vertrauend, ohne ſie mit Fragen oder mit Bitten zu beſtürmen, die auf ihre Zukunft und die Hoffnungen des Kloſters Bezug hatten, ſchon aus geſelliger Neigung und natürlicher Gutherzigkeit. — Das Fräulein hätte ſie gedauert, wenn es von den merkwürdigen Dingen, die ſich im Lande zutrugen und die ſie ſelbſt auf den verſchiedenſten Wegen erfuhren, nicht ungeſäumt unterrichtet worden wäre.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/360>, abgerufen am 22.11.2024.