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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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als mein Weib heimführen. Ich lasse die Güter der
Planta nicht von unberechtigten Händen verzetteln."

Das Fräulein antwortete nicht. Aber Lucas, dem
das Herz vor Ingrimm schwoll, als er seine Herrin so
unwürdig behandelt sah, trat, die Fäuste ballend, neben
sie. Aufrecht und bleich mit geschlossenen Lippen stand
Lucretia vor ihrem Beleidiger. "O wie gut weißt Du,
daß jedes Deiner Worte eine Lüge ist," stöhnte sie end¬
lich aus gepreßtem Herzen und verließ das Gemach,

Ehe sie die Thür ihres Thurmzimmers hinter sich
verschloß, hatte sie ein Knechtlein nach Cazis hinüber¬
geschickt, um den Pater Pancraz auf den Riedberg zu
holen. Aber der Pater war nach Almens berufen wor¬
den, und es war nicht denkbar, daß man ihn von dort
in der schlimmen Sturmnacht zurückkehren ließ. Er
werde morgen in der Frühe hinüberkommen, ließ Schwe¬
ster Perpetua berichten.

Jetzt war Lucretia allein. Sie trat ans Fenster
und schaute in das nächtliche Land hinaus. Der Sturm
schwieg, aber kein Stern stand am Himmel. Schwere
niedere Dunstgebilde verdeckten den Mond und ließen
kaum auf ihren zerrissenen Säumen einen schwachen
Wiederschein seines Lichtes ahnen. Ueberall schwarze
drückende Massen des Gebirgs und der Wolken. Mitter¬

als mein Weib heimführen. Ich laſſe die Güter der
Planta nicht von unberechtigten Händen verzetteln.“

Das Fräulein antwortete nicht. Aber Lucas, dem
das Herz vor Ingrimm ſchwoll, als er ſeine Herrin ſo
unwürdig behandelt ſah, trat, die Fäuſte ballend, neben
ſie. Aufrecht und bleich mit geſchloſſenen Lippen ſtand
Lucretia vor ihrem Beleidiger. „O wie gut weißt Du,
daß jedes Deiner Worte eine Lüge iſt,“ ſtöhnte ſie end¬
lich aus gepreßtem Herzen und verließ das Gemach,

Ehe ſie die Thür ihres Thurmzimmers hinter ſich
verſchloß, hatte ſie ein Knechtlein nach Cazis hinüber¬
geſchickt, um den Pater Pancraz auf den Riedberg zu
holen. Aber der Pater war nach Almens berufen wor¬
den, und es war nicht denkbar, daß man ihn von dort
in der ſchlimmen Sturmnacht zurückkehren ließ. Er
werde morgen in der Frühe hinüberkommen, ließ Schwe¬
ſter Perpetua berichten.

Jetzt war Lucretia allein. Sie trat ans Fenſter
und ſchaute in das nächtliche Land hinaus. Der Sturm
ſchwieg, aber kein Stern ſtand am Himmel. Schwere
niedere Dunſtgebilde verdeckten den Mond und ließen
kaum auf ihren zerriſſenen Säumen einen ſchwachen
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[365/0375] als mein Weib heimführen. Ich laſſe die Güter der Planta nicht von unberechtigten Händen verzetteln.“ Das Fräulein antwortete nicht. Aber Lucas, dem das Herz vor Ingrimm ſchwoll, als er ſeine Herrin ſo unwürdig behandelt ſah, trat, die Fäuſte ballend, neben ſie. Aufrecht und bleich mit geſchloſſenen Lippen ſtand Lucretia vor ihrem Beleidiger. „O wie gut weißt Du, daß jedes Deiner Worte eine Lüge iſt,“ ſtöhnte ſie end¬ lich aus gepreßtem Herzen und verließ das Gemach, Ehe ſie die Thür ihres Thurmzimmers hinter ſich verſchloß, hatte ſie ein Knechtlein nach Cazis hinüber¬ geſchickt, um den Pater Pancraz auf den Riedberg zu holen. Aber der Pater war nach Almens berufen wor¬ den, und es war nicht denkbar, daß man ihn von dort in der ſchlimmen Sturmnacht zurückkehren ließ. Er werde morgen in der Frühe hinüberkommen, ließ Schwe¬ ſter Perpetua berichten. Jetzt war Lucretia allein. Sie trat ans Fenſter und ſchaute in das nächtliche Land hinaus. Der Sturm ſchwieg, aber kein Stern ſtand am Himmel. Schwere niedere Dunſtgebilde verdeckten den Mond und ließen kaum auf ihren zerriſſenen Säumen einen ſchwachen Wiederſchein ſeines Lichtes ahnen. Ueberall ſchwarze drückende Maſſen des Gebirgs und der Wolken. Mitter¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/375>, abgerufen am 31.10.2024.