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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Sie ist der einzige überall passende Schlüssel zu seinem
vielgestaltigen Wesen. Ich muß zugeben, er hat ihr
mehr geopfert, als ein aufrechtes Gewissen verantworten
kann. Aber," fuhr er zögernd und mit gedämpfter
Stimme fort, "ist es nicht ein Glück für uns ehren¬
hafte Staatsleute, wenn zum Heile des Vaterlandes
nothwendige Thaten, die von reinen Händen nicht
vollbracht werden können, von solchen gesetzlosen Kraft¬
menschen übernommen werden, -- die dann der all¬
wissende Gott in seiner Gerechtigkeit richten mag.
Denn auch sie sind seine Werkzeuge, -- wie geschrieben
steht: Er lenkt die Herzen der Menschen wie Wasser¬
bäche."

"Das ist ein seltsam gefährlicher Satz," rief Herr
Fortunatus entrüstet, "den ich erstaunt bin, unter den
Betrachtungen und Maximen Eurer Gestrengen zu fin¬
den! Damit ist man auf geradem Wege, die schlimmsten
Verbrechen zu rechtfertigen. Bedenkt, wie leicht solch
ein gesetz- und gewissenloser Mensch, einmal in seine
unberechenbare Bahn geschleudert und von seinen Leiden¬
schaften wie von einem Orkan getrieben, sein eigen ge¬
lungen Werk zerstört. Wißt Ihr, wohin es schon mit
Jürg Jenatsch gekommen ist? Ich erfahre aus zuver¬
lässigen Quellen, daß er bei den Verhandlungen in
Mailand dem an seinen Vorschlägen mäkelnden Herzog

Sie iſt der einzige überall paſſende Schlüſſel zu ſeinem
vielgeſtaltigen Weſen. Ich muß zugeben, er hat ihr
mehr geopfert, als ein aufrechtes Gewiſſen verantworten
kann. Aber,“ fuhr er zögernd und mit gedämpfter
Stimme fort, „iſt es nicht ein Glück für uns ehren¬
hafte Staatsleute, wenn zum Heile des Vaterlandes
nothwendige Thaten, die von reinen Händen nicht
vollbracht werden können, von ſolchen geſetzloſen Kraft¬
menſchen übernommen werden, — die dann der all¬
wiſſende Gott in ſeiner Gerechtigkeit richten mag.
Denn auch ſie ſind ſeine Werkzeuge, — wie geſchrieben
ſteht: Er lenkt die Herzen der Menſchen wie Waſſer¬
bäche.“

„Das iſt ein ſeltſam gefährlicher Satz,“ rief Herr
Fortunatus entrüſtet, „den ich erſtaunt bin, unter den
Betrachtungen und Maximen Eurer Geſtrengen zu fin¬
den! Damit iſt man auf geradem Wege, die ſchlimmſten
Verbrechen zu rechtfertigen. Bedenkt, wie leicht ſolch
ein geſetz- und gewiſſenloſer Menſch, einmal in ſeine
unberechenbare Bahn geſchleudert und von ſeinen Leiden¬
ſchaften wie von einem Orkan getrieben, ſein eigen ge¬
lungen Werk zerſtört. Wißt Ihr, wohin es ſchon mit
Jürg Jenatſch gekommen iſt? Ich erfahre aus zuver¬
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[378/0388] Sie iſt der einzige überall paſſende Schlüſſel zu ſeinem vielgeſtaltigen Weſen. Ich muß zugeben, er hat ihr mehr geopfert, als ein aufrechtes Gewiſſen verantworten kann. Aber,“ fuhr er zögernd und mit gedämpfter Stimme fort, „iſt es nicht ein Glück für uns ehren¬ hafte Staatsleute, wenn zum Heile des Vaterlandes nothwendige Thaten, die von reinen Händen nicht vollbracht werden können, von ſolchen geſetzloſen Kraft¬ menſchen übernommen werden, — die dann der all¬ wiſſende Gott in ſeiner Gerechtigkeit richten mag. Denn auch ſie ſind ſeine Werkzeuge, — wie geſchrieben ſteht: Er lenkt die Herzen der Menſchen wie Waſſer¬ bäche.“ „Das iſt ein ſeltſam gefährlicher Satz,“ rief Herr Fortunatus entrüſtet, „den ich erſtaunt bin, unter den Betrachtungen und Maximen Eurer Geſtrengen zu fin¬ den! Damit iſt man auf geradem Wege, die ſchlimmſten Verbrechen zu rechtfertigen. Bedenkt, wie leicht ſolch ein geſetz- und gewiſſenloſer Menſch, einmal in ſeine unberechenbare Bahn geſchleudert und von ſeinen Leiden¬ ſchaften wie von einem Orkan getrieben, ſein eigen ge¬ lungen Werk zerſtört. Wißt Ihr, wohin es ſchon mit Jürg Jenatſch gekommen iſt? Ich erfahre aus zuver¬ läſſigen Quellen, daß er bei den Verhandlungen in Mailand dem an ſeinen Vorſchlägen mäkelnden Herzog

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/388>, abgerufen am 22.11.2024.