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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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keit, "so hab' ich eine Fratze gegen eine Fratze ge¬
tauscht!"

"Du hast in Zürich Gottesgelahrtheit studirt" . . .
sagte Waser erschüttert, wandte sich ab und bedeckte
das Angesicht mit beiden Händen. Schwere Thränen
rannen durch seine Finger.

Da schlug Jenatsch den Arm um ihn und sagte
in einem zornmüthigen Humor: "Flenne mir nicht wie
ein Weib, Bürgermeister! Was ist denn da Beson¬
deres? Da habe ich ganz andere Dinge auf meinem
soliden Gewissen!" . . . Dann plötzlich den Ton wech¬
selnd, fragte er dringend: "Was habt Ihr denn in
Zürich für Bericht von der bei Rheinfelden von Herzog
Bernhard den Kaiserlichen gelieferten Schlacht? Ich
weiß noch nichts Näheres," fügte er bei, "in Thusis
hieß es, Rohan sei leicht verwundet."

Waser versetzte mit unsicherer Stimme: "Sein
Zustand war gefährlicher, als man anfangs glaubte" . . .
hier hielt er inne.

"Heraus mit der Sprache, Heinrich," rief Jenatsch
rauh, "er ist gestorben?" Und es ging wie ein Todes¬
schatten über sein Antlitz.

In diesem Augenblick ertönte, -- Herrn Waser
sehr unwillkommen, der noch gern seinen Freund ge¬
warnt und sein eigenes Gemüth in ruhigem Gespräch

keit, „ſo hab' ich eine Fratze gegen eine Fratze ge¬
tauſcht!“

„Du haſt in Zürich Gottesgelahrtheit ſtudirt“ . . .
ſagte Waſer erſchüttert, wandte ſich ab und bedeckte
das Angeſicht mit beiden Händen. Schwere Thränen
rannen durch ſeine Finger.

Da ſchlug Jenatſch den Arm um ihn und ſagte
in einem zornmüthigen Humor: „Flenne mir nicht wie
ein Weib, Bürgermeiſter! Was iſt denn da Beſon¬
deres? Da habe ich ganz andere Dinge auf meinem
ſoliden Gewiſſen!“ . . . Dann plötzlich den Ton wech¬
ſelnd, fragte er dringend: „Was habt Ihr denn in
Zürich für Bericht von der bei Rheinfelden von Herzog
Bernhard den Kaiſerlichen gelieferten Schlacht? Ich
weiß noch nichts Näheres,“ fügte er bei, „in Thuſis
hieß es, Rohan ſei leicht verwundet.“

Waſer verſetzte mit unſicherer Stimme: „Sein
Zuſtand war gefährlicher, als man anfangs glaubte“ . . .
hier hielt er inne.

„Heraus mit der Sprache, Heinrich,“ rief Jenatſch
rauh, „er iſt geſtorben?“ Und es ging wie ein Todes¬
ſchatten über ſein Antlitz.

In dieſem Augenblick ertönte, — Herrn Waſer
ſehr unwillkommen, der noch gern ſeinen Freund ge¬
warnt und ſein eigenes Gemüth in ruhigem Geſpräch

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[386/0396] keit, „ſo hab' ich eine Fratze gegen eine Fratze ge¬ tauſcht!“ „Du haſt in Zürich Gottesgelahrtheit ſtudirt“ . . . ſagte Waſer erſchüttert, wandte ſich ab und bedeckte das Angeſicht mit beiden Händen. Schwere Thränen rannen durch ſeine Finger. Da ſchlug Jenatſch den Arm um ihn und ſagte in einem zornmüthigen Humor: „Flenne mir nicht wie ein Weib, Bürgermeiſter! Was iſt denn da Beſon¬ deres? Da habe ich ganz andere Dinge auf meinem ſoliden Gewiſſen!“ . . . Dann plötzlich den Ton wech¬ ſelnd, fragte er dringend: „Was habt Ihr denn in Zürich für Bericht von der bei Rheinfelden von Herzog Bernhard den Kaiſerlichen gelieferten Schlacht? Ich weiß noch nichts Näheres,“ fügte er bei, „in Thuſis hieß es, Rohan ſei leicht verwundet.“ Waſer verſetzte mit unſicherer Stimme: „Sein Zuſtand war gefährlicher, als man anfangs glaubte“ . . . hier hielt er inne. „Heraus mit der Sprache, Heinrich,“ rief Jenatſch rauh, „er iſt geſtorben?“ Und es ging wie ein Todes¬ ſchatten über ſein Antlitz. In dieſem Augenblick ertönte, — Herrn Waſer ſehr unwillkommen, der noch gern ſeinen Freund ge¬ warnt und ſein eigenes Gemüth in ruhigem Geſpräch

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/396>, abgerufen am 31.10.2024.