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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Ziel erreicht hat!" sagte er mit dem alten, fröhlichen
Lachen. "Ich gratulire, Herr Bürgermeister!"

"Es ist mir eine besondere Freude," erwiederte
Waser, "daß ich, kaum mit meiner neuen Würde be¬
kleidet, von meinen gnädigen Herren zu Deinem
Triumphe nach Chur abgeordnet bin. Du hast, ich
muß es Dir sagen, das Unerhörte gethan, und das
Unmögliche erreicht."

"Wenn Du wüßtest, Heini, um welchen Preis
und mit welchen Verrenkungen meines Wesens! Noch
in den letzten Augenblicken wollten sie meine Heimat
um das von mir Erraffte betrügen. -- Da habe ich
die letzte Karte ausgespielt -- eine schmutzige Karte . . .
puh! Aber ich drängte vorwärts, vorwärts, damit der
Fieberschauer meines Lebens nicht ohne Frucht bleibe,
nicht umsonst sei. Nun bin ich am Ziel und gern
möcht' ich sagen: Ich bin müde! wäre nicht ein Dämon
in mich gefahren, der mich vorwärts ins Unbekannte,
ins Leere peitscht."

"Mit jenem letzten unsaubern Mittel," sagte
Waser bang und nur an einem Gedanken haftend,
"meinst Du doch nicht den Abfall von unserm helvetisch¬
reformirten Glauben zum Papismus? . . . das wird
nicht, kann nicht sein!"

"Und ist es," rief der Andere mit frevler Heiter¬

Meyer, Georg Jenatsch. 25

Ziel erreicht hat!“ ſagte er mit dem alten, fröhlichen
Lachen. „Ich gratulire, Herr Bürgermeiſter!“

„Es iſt mir eine beſondere Freude,“ erwiederte
Waſer, „daß ich, kaum mit meiner neuen Würde be¬
kleidet, von meinen gnädigen Herren zu Deinem
Triumphe nach Chur abgeordnet bin. Du haſt, ich
muß es Dir ſagen, das Unerhörte gethan, und das
Unmögliche erreicht.“

„Wenn Du wüßteſt, Heini, um welchen Preis
und mit welchen Verrenkungen meines Weſens! Noch
in den letzten Augenblicken wollten ſie meine Heimat
um das von mir Erraffte betrügen. — Da habe ich
die letzte Karte ausgeſpielt — eine ſchmutzige Karte . . .
puh! Aber ich drängte vorwärts, vorwärts, damit der
Fieberſchauer meines Lebens nicht ohne Frucht bleibe,
nicht umſonſt ſei. Nun bin ich am Ziel und gern
möcht' ich ſagen: Ich bin müde! wäre nicht ein Dämon
in mich gefahren, der mich vorwärts ins Unbekannte,
ins Leere peitſcht.“

„Mit jenem letzten unſaubern Mittel,“ ſagte
Waſer bang und nur an einem Gedanken haftend,
„meinſt Du doch nicht den Abfall von unſerm helvetiſch¬
reformirten Glauben zum Papismus? . . . das wird
nicht, kann nicht ſein!“

„Und iſt es,“ rief der Andere mit frevler Heiter¬

Meyer, Georg Jenatſch. 25
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[385/0395] Ziel erreicht hat!“ ſagte er mit dem alten, fröhlichen Lachen. „Ich gratulire, Herr Bürgermeiſter!“ „Es iſt mir eine beſondere Freude,“ erwiederte Waſer, „daß ich, kaum mit meiner neuen Würde be¬ kleidet, von meinen gnädigen Herren zu Deinem Triumphe nach Chur abgeordnet bin. Du haſt, ich muß es Dir ſagen, das Unerhörte gethan, und das Unmögliche erreicht.“ „Wenn Du wüßteſt, Heini, um welchen Preis und mit welchen Verrenkungen meines Weſens! Noch in den letzten Augenblicken wollten ſie meine Heimat um das von mir Erraffte betrügen. — Da habe ich die letzte Karte ausgeſpielt — eine ſchmutzige Karte . . . puh! Aber ich drängte vorwärts, vorwärts, damit der Fieberſchauer meines Lebens nicht ohne Frucht bleibe, nicht umſonſt ſei. Nun bin ich am Ziel und gern möcht' ich ſagen: Ich bin müde! wäre nicht ein Dämon in mich gefahren, der mich vorwärts ins Unbekannte, ins Leere peitſcht.“ „Mit jenem letzten unſaubern Mittel,“ ſagte Waſer bang und nur an einem Gedanken haftend, „meinſt Du doch nicht den Abfall von unſerm helvetiſch¬ reformirten Glauben zum Papismus? . . . das wird nicht, kann nicht ſein!“ „Und iſt es,“ rief der Andere mit frevler Heiter¬ Meyer, Georg Jenatſch. 25

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/395>, abgerufen am 22.11.2024.