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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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wohlbekannte Stimme seines Freundes in heftiger Er¬
regung entgegen. Sie war im Zwiegespräch, um nicht
zu sagen im Wortwechsel, mit einer andern etwas fetten
und schwerfälligen. Er wurde von dem bischöflichen
Kammerdiener in ein gegenüberliegendes Zimmer ge¬
führt und dieser entfernte sich, um ihn anzumelden.
Die fernen Stimmen wurden unhörbar, kurz darauf
aber wurde eine Thür im Gange aufgerissen. Es war
Jenatsch, der Urlaub nahm. "Macht Euch keine Rech¬
nung darauf, Gnaden," hörte Waser ihn auf dem
Gange draußen mit heiserer fast schreiender Stimme
zurückreden. "Daraus wird nichts! Ich will keine her¬
gestellten Klöster im Land! Ich dulde keine geistlichen
Uebergriffe!"

"An diesem Euerm Ehrentage, Herr Oberst," be¬
ruhigte man von innen mit salbungsvollem Tone, "will
ich Euch mit unsern bescheidenen Wünschen nicht be¬
lästigen, bin ich doch gewiß, daß unsere kleinen Mei¬
nungsverschiedenheiten sich mit der Zeit von selbst aus¬
gleichen werden, jetzt, da Ihr im Glauben wiederge¬
boren und aus einem Saulus ein Paulus geworden
seid." --

Die Zimmerthür flog auf und Jürg schritt seinem
Jugendfreunde mit ausgebreiteten Armen entgegen. Er
faßte ihn an beiden Schultern: "Auch einer, der sein

wohlbekannte Stimme ſeines Freundes in heftiger Er¬
regung entgegen. Sie war im Zwiegeſpräch, um nicht
zu ſagen im Wortwechſel, mit einer andern etwas fetten
und ſchwerfälligen. Er wurde von dem biſchöflichen
Kammerdiener in ein gegenüberliegendes Zimmer ge¬
führt und dieſer entfernte ſich, um ihn anzumelden.
Die fernen Stimmen wurden unhörbar, kurz darauf
aber wurde eine Thür im Gange aufgeriſſen. Es war
Jenatſch, der Urlaub nahm. „Macht Euch keine Rech¬
nung darauf, Gnaden,“ hörte Waſer ihn auf dem
Gange draußen mit heiſerer faſt ſchreiender Stimme
zurückreden. „Daraus wird nichts! Ich will keine her¬
geſtellten Klöſter im Land! Ich dulde keine geiſtlichen
Uebergriffe!“

„An dieſem Euerm Ehrentage, Herr Oberſt,“ be¬
ruhigte man von innen mit ſalbungsvollem Tone, „will
ich Euch mit unſern beſcheidenen Wünſchen nicht be¬
läſtigen, bin ich doch gewiß, daß unſere kleinen Mei¬
nungsverſchiedenheiten ſich mit der Zeit von ſelbſt aus¬
gleichen werden, jetzt, da Ihr im Glauben wiederge¬
boren und aus einem Saulus ein Paulus geworden
ſeid.“ —

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Jugendfreunde mit ausgebreiteten Armen entgegen. Er
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[384/0394] wohlbekannte Stimme ſeines Freundes in heftiger Er¬ regung entgegen. Sie war im Zwiegeſpräch, um nicht zu ſagen im Wortwechſel, mit einer andern etwas fetten und ſchwerfälligen. Er wurde von dem biſchöflichen Kammerdiener in ein gegenüberliegendes Zimmer ge¬ führt und dieſer entfernte ſich, um ihn anzumelden. Die fernen Stimmen wurden unhörbar, kurz darauf aber wurde eine Thür im Gange aufgeriſſen. Es war Jenatſch, der Urlaub nahm. „Macht Euch keine Rech¬ nung darauf, Gnaden,“ hörte Waſer ihn auf dem Gange draußen mit heiſerer faſt ſchreiender Stimme zurückreden. „Daraus wird nichts! Ich will keine her¬ geſtellten Klöſter im Land! Ich dulde keine geiſtlichen Uebergriffe!“ „An dieſem Euerm Ehrentage, Herr Oberſt,“ be¬ ruhigte man von innen mit ſalbungsvollem Tone, „will ich Euch mit unſern beſcheidenen Wünſchen nicht be¬ läſtigen, bin ich doch gewiß, daß unſere kleinen Mei¬ nungsverſchiedenheiten ſich mit der Zeit von ſelbſt aus¬ gleichen werden, jetzt, da Ihr im Glauben wiederge¬ boren und aus einem Saulus ein Paulus geworden ſeid.“ — Die Zimmerthür flog auf und Jürg ſchritt ſeinem Jugendfreunde mit ausgebreiteten Armen entgegen. Er faßte ihn an beiden Schultern: „Auch einer, der ſein

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/394>, abgerufen am 22.11.2024.