ihn, Jürg aufzusuchen, um den peinigenden Eindruck, den dieser aus der Ferne auf ihn gemacht, durch ein paar freundschaftliche Worte von Mund zu Munde zu brechen. Dies gedachte er noch vor der feierlichen Rathssitzung zu thun. Sprechers Stimmung gegen Jenatsch konnte, war seine Befürchtung, in Bünden eine verbreitete sein. Ich will ihn beschwören, sagte sich Waser, daß er sich bescheide und, nachdem er das Frie¬ densdocument dem Rathe übergeben und so den Höhe¬ punkt seiner ruhmvollen Bahn erreicht hat, sich eine Weile zurückziehe, um den Neid der Götter und der Menschen nicht zu reizen. Er möge, wollte Waser ihm andeuten, seine kriegerische Laufbahn im Auslande fort¬ setzen, oder den Versuch machen, ob es ihm gelinge durch Begründung eines häuslichen Herdes auf seinen Gütern in Davos seine unruhige Seele auf stillere Wege zu führen.
Von Herrn Fortunatus unter die Hauspforte ge¬ leitet, hatte sich Waser bei diesem erkundigt, wo Jenatsch absteige und der Ritter in bitterm Tone geantwortet: "Wie könnt Ihr fragen, verehrter Freund? Natürlich im bischöflichen Hof."
Als der Bürgermeister von einem Diener geleitet durch die hallenden Gänge der bischöflichen Residenz schritt, tönte ihm durch eine Thüre zur Rechten die
ihn, Jürg aufzuſuchen, um den peinigenden Eindruck, den dieſer aus der Ferne auf ihn gemacht, durch ein paar freundſchaftliche Worte von Mund zu Munde zu brechen. Dies gedachte er noch vor der feierlichen Rathsſitzung zu thun. Sprechers Stimmung gegen Jenatſch konnte, war ſeine Befürchtung, in Bünden eine verbreitete ſein. Ich will ihn beſchwören, ſagte ſich Waſer, daß er ſich beſcheide und, nachdem er das Frie¬ densdocument dem Rathe übergeben und ſo den Höhe¬ punkt ſeiner ruhmvollen Bahn erreicht hat, ſich eine Weile zurückziehe, um den Neid der Götter und der Menſchen nicht zu reizen. Er möge, wollte Waſer ihm andeuten, ſeine kriegeriſche Laufbahn im Auslande fort¬ ſetzen, oder den Verſuch machen, ob es ihm gelinge durch Begründung eines häuslichen Herdes auf ſeinen Gütern in Davos ſeine unruhige Seele auf ſtillere Wege zu führen.
Von Herrn Fortunatus unter die Hauspforte ge¬ leitet, hatte ſich Waſer bei dieſem erkundigt, wo Jenatſch abſteige und der Ritter in bitterm Tone geantwortet: „Wie könnt Ihr fragen, verehrter Freund? Natürlich im biſchöflichen Hof.“
Als der Bürgermeiſter von einem Diener geleitet durch die hallenden Gänge der biſchöflichen Reſidenz ſchritt, tönte ihm durch eine Thüre zur Rechten die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0393"n="383"/>
ihn, Jürg aufzuſuchen, um den peinigenden Eindruck,<lb/>
den dieſer aus der Ferne auf ihn gemacht, durch ein<lb/>
paar freundſchaftliche Worte von Mund zu Munde zu<lb/>
brechen. Dies gedachte er noch vor der feierlichen<lb/>
Rathsſitzung zu thun. Sprechers Stimmung gegen<lb/>
Jenatſch konnte, war ſeine Befürchtung, in Bünden eine<lb/>
verbreitete ſein. Ich will ihn beſchwören, ſagte ſich<lb/>
Waſer, daß er ſich beſcheide und, nachdem er das Frie¬<lb/>
densdocument dem Rathe übergeben und ſo den Höhe¬<lb/>
punkt ſeiner ruhmvollen Bahn erreicht hat, ſich eine<lb/>
Weile zurückziehe, um den Neid der Götter und der<lb/>
Menſchen nicht zu reizen. Er möge, wollte Waſer ihm<lb/>
andeuten, ſeine kriegeriſche Laufbahn im Auslande fort¬<lb/>ſetzen, oder den Verſuch machen, ob es ihm gelinge<lb/>
durch Begründung eines häuslichen Herdes auf ſeinen<lb/>
Gütern in Davos ſeine unruhige Seele auf ſtillere<lb/>
Wege zu führen.</p><lb/><p>Von Herrn Fortunatus unter die Hauspforte ge¬<lb/>
leitet, hatte ſich Waſer bei dieſem erkundigt, wo Jenatſch<lb/>
abſteige und der Ritter in bitterm Tone geantwortet:<lb/>„Wie könnt Ihr fragen, verehrter Freund? Natürlich<lb/>
im biſchöflichen Hof.“</p><lb/><p>Als der Bürgermeiſter von einem Diener geleitet<lb/>
durch die hallenden Gänge der biſchöflichen Reſidenz<lb/>ſchritt, tönte ihm durch eine Thüre zur Rechten die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[383/0393]
ihn, Jürg aufzuſuchen, um den peinigenden Eindruck,
den dieſer aus der Ferne auf ihn gemacht, durch ein
paar freundſchaftliche Worte von Mund zu Munde zu
brechen. Dies gedachte er noch vor der feierlichen
Rathsſitzung zu thun. Sprechers Stimmung gegen
Jenatſch konnte, war ſeine Befürchtung, in Bünden eine
verbreitete ſein. Ich will ihn beſchwören, ſagte ſich
Waſer, daß er ſich beſcheide und, nachdem er das Frie¬
densdocument dem Rathe übergeben und ſo den Höhe¬
punkt ſeiner ruhmvollen Bahn erreicht hat, ſich eine
Weile zurückziehe, um den Neid der Götter und der
Menſchen nicht zu reizen. Er möge, wollte Waſer ihm
andeuten, ſeine kriegeriſche Laufbahn im Auslande fort¬
ſetzen, oder den Verſuch machen, ob es ihm gelinge
durch Begründung eines häuslichen Herdes auf ſeinen
Gütern in Davos ſeine unruhige Seele auf ſtillere
Wege zu führen.
Von Herrn Fortunatus unter die Hauspforte ge¬
leitet, hatte ſich Waſer bei dieſem erkundigt, wo Jenatſch
abſteige und der Ritter in bitterm Tone geantwortet:
„Wie könnt Ihr fragen, verehrter Freund? Natürlich
im biſchöflichen Hof.“
Als der Bürgermeiſter von einem Diener geleitet
durch die hallenden Gänge der biſchöflichen Reſidenz
ſchritt, tönte ihm durch eine Thüre zur Rechten die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/393>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.