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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Zwischen diesen hohen Bergen war es früh Abend
und kühl geworden und der Weg dehnte sich endlos
neben den am Gestade plätschernden Wellen. Ein feiner
frostiger Nebelregen verhüllte die Gegend und durch¬
drang nach und nach die Kleider des in gleichmäßigem
Schritte vorwärts Eilenden. Eine Schläfrigkeit, wie er
sie während der Hitze des Tages nicht gefühlt, fiel auf
seine Sinne und Gedanken wie eine leichte Erstarrung.
Einmal an einer Stelle, wo der Inn mit raschen Wellen
in engem Bette an ihm vorüberschoß und auf dem andern
Ufer der stumpfe Thurm eines schwerfälligen Kirchleins
erschien, glaubte er Pferdegetrappel zu vernehmen. Ueber
die Holzbrücke zu seiner Linken flog ein Reiter, der,
nach der Maloja schwenkend, vor ihm her jagte und
im Abenddunkel verschwand. War diese in einen Mantel
gehüllte Gestalt nicht Herr Pompejus gewesen? Nein,
es war ein einzelner scheuer Nachtfahrer, und der Frei¬
herr geleitete und beschützte ja sein Töchterlein, für das
er gewiß die sichere Gastfreundschaft seiner Sippe in
einem der vornehmen Engadinerdörfer angesprochen
hatte.

Endlich, endlich war der letzte See umschritten,
trat der letzte Felsvorsprung zurück. Durch den Nebel
schimmernder Feuerschein und Hundegebell verkündeten
die Nähe eines Hauses, das nur die Paßherberge sein

Zwiſchen dieſen hohen Bergen war es früh Abend
und kühl geworden und der Weg dehnte ſich endlos
neben den am Geſtade plätſchernden Wellen. Ein feiner
froſtiger Nebelregen verhüllte die Gegend und durch¬
drang nach und nach die Kleider des in gleichmäßigem
Schritte vorwärts Eilenden. Eine Schläfrigkeit, wie er
ſie während der Hitze des Tages nicht gefühlt, fiel auf
ſeine Sinne und Gedanken wie eine leichte Erſtarrung.
Einmal an einer Stelle, wo der Inn mit raſchen Wellen
in engem Bette an ihm vorüberſchoß und auf dem andern
Ufer der ſtumpfe Thurm eines ſchwerfälligen Kirchleins
erſchien, glaubte er Pferdegetrappel zu vernehmen. Ueber
die Holzbrücke zu ſeiner Linken flog ein Reiter, der,
nach der Maloja ſchwenkend, vor ihm her jagte und
im Abenddunkel verſchwand. War dieſe in einen Mantel
gehüllte Geſtalt nicht Herr Pompejus geweſen? Nein,
es war ein einzelner ſcheuer Nachtfahrer, und der Frei¬
herr geleitete und beſchützte ja ſein Töchterlein, für das
er gewiß die ſichere Gaſtfreundſchaft ſeiner Sippe in
einem der vornehmen Engadinerdörfer angeſprochen
hatte.

Endlich, endlich war der letzte See umſchritten,
trat der letzte Felsvorſprung zurück. Durch den Nebel
ſchimmernder Feuerſchein und Hundegebell verkündeten
die Nähe eines Hauſes, das nur die Paßherberge ſein

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[30/0040] Zwiſchen dieſen hohen Bergen war es früh Abend und kühl geworden und der Weg dehnte ſich endlos neben den am Geſtade plätſchernden Wellen. Ein feiner froſtiger Nebelregen verhüllte die Gegend und durch¬ drang nach und nach die Kleider des in gleichmäßigem Schritte vorwärts Eilenden. Eine Schläfrigkeit, wie er ſie während der Hitze des Tages nicht gefühlt, fiel auf ſeine Sinne und Gedanken wie eine leichte Erſtarrung. Einmal an einer Stelle, wo der Inn mit raſchen Wellen in engem Bette an ihm vorüberſchoß und auf dem andern Ufer der ſtumpfe Thurm eines ſchwerfälligen Kirchleins erſchien, glaubte er Pferdegetrappel zu vernehmen. Ueber die Holzbrücke zu ſeiner Linken flog ein Reiter, der, nach der Maloja ſchwenkend, vor ihm her jagte und im Abenddunkel verſchwand. War dieſe in einen Mantel gehüllte Geſtalt nicht Herr Pompejus geweſen? Nein, es war ein einzelner ſcheuer Nachtfahrer, und der Frei¬ herr geleitete und beſchützte ja ſein Töchterlein, für das er gewiß die ſichere Gaſtfreundſchaft ſeiner Sippe in einem der vornehmen Engadinerdörfer angeſprochen hatte. Endlich, endlich war der letzte See umſchritten, trat der letzte Felsvorſprung zurück. Durch den Nebel ſchimmernder Feuerſchein und Hundegebell verkündeten die Nähe eines Hauſes, das nur die Paßherberge ſein

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/40>, abgerufen am 21.11.2024.