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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Synode aber ermahnt mich, eine faule Friedsamkeit
zu predigen, während über meinem Vaterlande stoßfertig
die spanischen Raubgeier schweben. Es ist zum Toll¬
werden! -- Täglich mehren sich die Anzeigen, daß hier
unter den Veltlinern eine Verschwörung brütet. Ich
kann nicht länger zusehen. Morgen will ich selbst noch
eine Recognoscirung gegen Fuentes vornehmen, -- Du
kommst mit, Waser, ich habe einen anständigen Vor¬
wand, -- und übermorgen reiten wir zum Landeshaupt¬
mann nach Sondrio. Er versteht nichts anderes, als
am Mark dieses fetten Landes zu zehren, das wir
morgen verlieren können, der träge Blutsauger! Aber
ich will ihm so zusetzen, daß ihm der Angstschweiß aus
allen Poren bricht. -- Du hilfst mir, Waser." --

"In der That," bemerkte dieser zögernd und ge¬
heimnißvoll, "auch ich habe auf meiner Reise durch
Bünden einige Witterung bekommen, daß etwas im Thun
sein möchte."

"Und das sagst Du mir jetzt erst, Kind des Un¬
glücks!" rief der Andere scharf und gespannt. "Gleich
erzähle Alles und ganz nach der Ordnung. Du hast
etwas gehört? Wo? von wem? was?"

Waser ordnete geschwind in seinem Geiste das
Erlebte, um es seinem gewaltthätigen Freunde passend

Synode aber ermahnt mich, eine faule Friedſamkeit
zu predigen, während über meinem Vaterlande ſtoßfertig
die ſpaniſchen Raubgeier ſchweben. Es iſt zum Toll¬
werden! — Täglich mehren ſich die Anzeigen, daß hier
unter den Veltlinern eine Verſchwörung brütet. Ich
kann nicht länger zuſehen. Morgen will ich ſelbſt noch
eine Recognoscirung gegen Fuentes vornehmen, — Du
kommſt mit, Waſer, ich habe einen anſtändigen Vor¬
wand, — und übermorgen reiten wir zum Landeshaupt¬
mann nach Sondrio. Er verſteht nichts anderes, als
am Mark dieſes fetten Landes zu zehren, das wir
morgen verlieren können, der träge Blutſauger! Aber
ich will ihm ſo zuſetzen, daß ihm der Angſtſchweiß aus
allen Poren bricht. — Du hilfſt mir, Waſer.“ —

„In der That,“ bemerkte dieſer zögernd und ge¬
heimnißvoll, „auch ich habe auf meiner Reiſe durch
Bünden einige Witterung bekommen, daß etwas im Thun
ſein möchte.“

„Und das ſagſt Du mir jetzt erſt, Kind des Un¬
glücks!“ rief der Andere ſcharf und geſpannt. „Gleich
erzähle Alles und ganz nach der Ordnung. Du haſt
etwas gehört? Wo? von wem? was?“

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[61/0071] Synode aber ermahnt mich, eine faule Friedſamkeit zu predigen, während über meinem Vaterlande ſtoßfertig die ſpaniſchen Raubgeier ſchweben. Es iſt zum Toll¬ werden! — Täglich mehren ſich die Anzeigen, daß hier unter den Veltlinern eine Verſchwörung brütet. Ich kann nicht länger zuſehen. Morgen will ich ſelbſt noch eine Recognoscirung gegen Fuentes vornehmen, — Du kommſt mit, Waſer, ich habe einen anſtändigen Vor¬ wand, — und übermorgen reiten wir zum Landeshaupt¬ mann nach Sondrio. Er verſteht nichts anderes, als am Mark dieſes fetten Landes zu zehren, das wir morgen verlieren können, der träge Blutſauger! Aber ich will ihm ſo zuſetzen, daß ihm der Angſtſchweiß aus allen Poren bricht. — Du hilfſt mir, Waſer.“ — „In der That,“ bemerkte dieſer zögernd und ge¬ heimnißvoll, „auch ich habe auf meiner Reiſe durch Bünden einige Witterung bekommen, daß etwas im Thun ſein möchte.“ „Und das ſagſt Du mir jetzt erſt, Kind des Un¬ glücks!“ rief der Andere ſcharf und geſpannt. „Gleich erzähle Alles und ganz nach der Ordnung. Du haſt etwas gehört? Wo? von wem? was?“ Waſer ordnete geſchwind in ſeinem Geiſte das Erlebte, um es ſeinem gewaltthätigen Freunde paſſend

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/71>, abgerufen am 21.11.2024.