Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

glaubte von seinem Ruheplatze im Garten her zwei
reformirte Geistliche vor der Herberge absteigen zu
sehen und ersucht die Herren, wenn sie dem Gewühl
auszuweichen vorzögen, sich durch seine Gegenwart nicht
vom Besuche des Gartens abhalten zu lassen."

Sichtbar erfreut von diesem glücklichen Zufalle und
der ihm widerfahrenden Ehre, erwiederte Herr Waser,
etwas steif aber tadellos in demselben Idiom sich be¬
wegend, daß er und sein Freund sich die Gunst erbäten,
seiner Durchlaucht für die ihnen zu Theil gewordene
Berücksichtigung persönlich zu danken.

Die Freunde folgten dem vor ihnen herschreitenden
schönen Knaben in die Lauben des Gartens. Gegen
Süden hatte er einen balkonähnlichen Vorsprung, durch
dessen Laubwände bunte Seidengewänder schimmerten
und das Gezwitscher plaudernder Frauenstimmen, durch¬
brochen von dem hellen Jubel eines Kindes, ertönte.
Dort lehnte auf sammetnen Polstern eine schlanke blasse
Dame, deren hastige Rede und bewegliches Mienenspiel
die Lebhaftigkeit eines Geistes verrieth, der sie nicht zu
erquicklicher Ruhe kommen ließ. Vor ihr auf dem
Steintische trippelte und jauchzte ein zweijähriges Mäd¬
chen, das eine niedliche Zofe an beiden Händchen empor¬
hielt. Dazu klang die melancholische Weise eines Volks¬

glaubte von ſeinem Ruheplatze im Garten her zwei
reformirte Geiſtliche vor der Herberge abſteigen zu
ſehen und erſucht die Herren, wenn ſie dem Gewühl
auszuweichen vorzögen, ſich durch ſeine Gegenwart nicht
vom Beſuche des Gartens abhalten zu laſſen.“

Sichtbar erfreut von dieſem glücklichen Zufalle und
der ihm widerfahrenden Ehre, erwiederte Herr Waſer,
etwas ſteif aber tadellos in demſelben Idiom ſich be¬
wegend, daß er und ſein Freund ſich die Gunſt erbäten,
ſeiner Durchlaucht für die ihnen zu Theil gewordene
Berückſichtigung perſönlich zu danken.

Die Freunde folgten dem vor ihnen herſchreitenden
ſchönen Knaben in die Lauben des Gartens. Gegen
Süden hatte er einen balkonähnlichen Vorſprung, durch
deſſen Laubwände bunte Seidengewänder ſchimmerten
und das Gezwitſcher plaudernder Frauenſtimmen, durch¬
brochen von dem hellen Jubel eines Kindes, ertönte.
Dort lehnte auf ſammetnen Polſtern eine ſchlanke blaſſe
Dame, deren haſtige Rede und bewegliches Mienenſpiel
die Lebhaftigkeit eines Geiſtes verrieth, der ſie nicht zu
erquicklicher Ruhe kommen ließ. Vor ihr auf dem
Steintiſche trippelte und jauchzte ein zweijähriges Mäd¬
chen, das eine niedliche Zofe an beiden Händchen empor¬
hielt. Dazu klang die melancholiſche Weiſe eines Volks¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="74"/>
glaubte von &#x017F;einem Ruheplatze im Garten her zwei<lb/>
reformirte Gei&#x017F;tliche vor der Herberge ab&#x017F;teigen zu<lb/>
&#x017F;ehen und er&#x017F;ucht die Herren, wenn &#x017F;ie dem Gewühl<lb/>
auszuweichen vorzögen, &#x017F;ich durch &#x017F;eine Gegenwart nicht<lb/>
vom Be&#x017F;uche des Gartens abhalten zu la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Sichtbar erfreut von die&#x017F;em glücklichen Zufalle und<lb/>
der ihm widerfahrenden Ehre, erwiederte Herr Wa&#x017F;er,<lb/>
etwas &#x017F;teif aber tadellos in dem&#x017F;elben Idiom &#x017F;ich be¬<lb/>
wegend, daß er und &#x017F;ein Freund &#x017F;ich die Gun&#x017F;t erbäten,<lb/>
&#x017F;einer Durchlaucht für die ihnen zu Theil gewordene<lb/>
Berück&#x017F;ichtigung per&#x017F;önlich zu danken.</p><lb/>
          <p>Die Freunde folgten dem vor ihnen her&#x017F;chreitenden<lb/>
&#x017F;chönen Knaben in die Lauben des Gartens. Gegen<lb/>
Süden hatte er einen balkonähnlichen Vor&#x017F;prung, durch<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Laubwände bunte Seidengewänder &#x017F;chimmerten<lb/>
und das Gezwit&#x017F;cher plaudernder Frauen&#x017F;timmen, durch¬<lb/>
brochen von dem hellen Jubel eines Kindes, ertönte.<lb/>
Dort lehnte auf &#x017F;ammetnen Pol&#x017F;tern eine &#x017F;chlanke bla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Dame, deren ha&#x017F;tige Rede und bewegliches Mienen&#x017F;piel<lb/>
die Lebhaftigkeit eines Gei&#x017F;tes verrieth, der &#x017F;ie nicht zu<lb/>
erquicklicher Ruhe kommen ließ. Vor ihr auf dem<lb/>
Steinti&#x017F;che trippelte und jauchzte ein zweijähriges Mäd¬<lb/>
chen, das eine niedliche Zofe an beiden Händchen empor¬<lb/>
hielt. Dazu klang die melancholi&#x017F;che Wei&#x017F;e eines Volks¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0084] glaubte von ſeinem Ruheplatze im Garten her zwei reformirte Geiſtliche vor der Herberge abſteigen zu ſehen und erſucht die Herren, wenn ſie dem Gewühl auszuweichen vorzögen, ſich durch ſeine Gegenwart nicht vom Beſuche des Gartens abhalten zu laſſen.“ Sichtbar erfreut von dieſem glücklichen Zufalle und der ihm widerfahrenden Ehre, erwiederte Herr Waſer, etwas ſteif aber tadellos in demſelben Idiom ſich be¬ wegend, daß er und ſein Freund ſich die Gunſt erbäten, ſeiner Durchlaucht für die ihnen zu Theil gewordene Berückſichtigung perſönlich zu danken. Die Freunde folgten dem vor ihnen herſchreitenden ſchönen Knaben in die Lauben des Gartens. Gegen Süden hatte er einen balkonähnlichen Vorſprung, durch deſſen Laubwände bunte Seidengewänder ſchimmerten und das Gezwitſcher plaudernder Frauenſtimmen, durch¬ brochen von dem hellen Jubel eines Kindes, ertönte. Dort lehnte auf ſammetnen Polſtern eine ſchlanke blaſſe Dame, deren haſtige Rede und bewegliches Mienenſpiel die Lebhaftigkeit eines Geiſtes verrieth, der ſie nicht zu erquicklicher Ruhe kommen ließ. Vor ihr auf dem Steintiſche trippelte und jauchzte ein zweijähriges Mäd¬ chen, das eine niedliche Zofe an beiden Händchen empor¬ hielt. Dazu klang die melancholiſche Weiſe eines Volks¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/84
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/84>, abgerufen am 21.11.2024.