Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

Einer so auß Jerusalem entflohen zeigt Tito an daß auf die sechsmal hundert tausend todtencörper fürs thor hinaußgetragen worden/ und andere noch ein unmäßliche zahl dahin gestorben.

Abscheuliche That einer adelichen Frauen so aus Hunger ihr eigen Kind getödet und ge[unleserliches Material]ochet. Ein Adeliche Frau jehnseit des Jordans wohnhafft/ Maria genant/ Eleazari Tochter/ auß dem stätlein Bathechor/ welches Isops Hauß vertolmetschet wird/ gebohren/ eines edlen geschlächts/ und guten vermögens/ flohe mit andern gen Jerusalem/ und war allda belägert: Die Räuber aber hatten ihr alles genommen was sie mit ihr über den Jordan in die Statt gebracht/ auch fielen ihr die Kriegsknecht täglich in das hauß/ und tragen hinweg was sie heimlich verbarg/ und ihr selbs zur Speiß vorbehielt. Darab empfieng das Weib grossen verdruß/ redet den Räubern übel zu/ schalt sie hefftig/ und reizet sie jmmerdar zu zorn an/ ob sie doch von ihnen gar umbgebracht werden möchte: Aber sie kont niemand bewegen/ der sie entweder auß zorn/ oder auß erbärmbd tödten wolte/ auch wurde jhr alles/ was sie zu essen bekam/ von andern widerum entzogen.

Als sie nun nichts mehr trawer auffzutreiben/ und ihr der Hunger alle Glider und das Markdurchsuchet/ auch ermeldte Frau der groß unwill und unmut mehr/ als der Hunger selbs trib/ understund sie sich in jhrem jammer/ ungedult und noht halben/ einer unnatürlichen und unmenschlichen that/ nam ihr kindlein/ daß sie nach säuget/ und sprach: O du unschuldiges armes Kind/ wem wil oder sol ich dich in gegenwärtigen Krieg / Hunger und auffruhr lebendig behalten? Dann ob du schon darvon kämest/ so würdest du doch dein Leben under den Römern in harter dienstbarkeit verzehren müssen/ wiewol der hunger solchem jammer schon fürkommen ist/ so

Einer so auß Jerusalem entflohen zeigt Tito an daß auf die sechsmal hundert tausend todtencörper fürs thor hinaußgetragen worden/ und andere noch ein unmäßliche zahl dahin gestorben.

Abscheuliche That einer adelichen Frauen so aus Hunger ihr eigen Kind getödet und ge[unleserliches Material]ochet. Ein Adeliche Frau jehnseit des Jordans wohnhafft/ Maria genant/ Eleazari Tochter/ auß dem stätlein Bathechor/ welches Isops Hauß vertolmetschet wird/ gebohren/ eines edlen geschlächts/ und guten vermögens/ flohe mit andern gen Jerusalem/ und war allda belägert: Die Räuber aber hatten ihr alles genommen was sie mit ihr über den Jordan in die Statt gebracht/ auch fielen ihr die Kriegsknecht täglich in das hauß/ und tragen hinweg was sie heimlich verbarg/ und ihr selbs zur Speiß vorbehielt. Darab empfieng das Weib grossen verdruß/ redet den Räubern übel zu/ schalt sie hefftig/ und reizet sie jmmerdar zu zorn an/ ob sie doch von ihnen gar umbgebracht werden möchte: Aber sie kont niemand bewegen/ der sie entweder auß zorn/ oder auß erbärmbd tödten wolte/ auch wurde jhr alles/ was sie zu essen bekam/ von andern widerum entzogen.

Als sie nun nichts mehr trawer auffzutreiben/ und ihr der Hunger alle Glider und das Markdurchsuchet/ auch ermeldte Frau der groß unwill und unmut mehr/ als der Hunger selbs trib/ understund sie sich in jhrem jammer/ ungedult und noht halben/ einer unnatürlichen und unmenschlichen that/ nam ihr kindlein/ daß sie nach säuget/ und sprach: O du unschuldiges armes Kind/ wem wil oder sol ich dich in gegenwärtigen Krieg / Hunger und auffruhr lebendig behalten? Dann ob du schon darvon kämest/ so würdest du doch dein Leben under den Römern in harter dienstbarkeit verzehren müssen/ wiewol der hunger solchem jammer schon fürkommen ist/ so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0192" n="163"/>
Einer so auß Jerusalem entflohen            zeigt Tito an daß auf die sechsmal hundert tausend todtencörper fürs thor hinaußgetragen            worden/ und andere noch ein unmäßliche zahl dahin gestorben.</p>
        <p><note place="left">Abscheuliche That einer adelichen Frauen so aus Hunger ihr eigen Kind              getödet und ge<gap reason="illegible"/>ochet.</note> Ein Adeliche Frau jehnseit des Jordans wohnhafft/ Maria            genant/ Eleazari Tochter/ auß dem stätlein Bathechor/ welches Isops Hauß vertolmetschet            wird/ gebohren/ eines edlen geschlächts/ und guten vermögens/ flohe mit andern gen            Jerusalem/ und war allda belägert: Die Räuber aber hatten ihr alles genommen was sie mit            ihr über den Jordan in die Statt gebracht/ auch fielen ihr die Kriegsknecht täglich in            das hauß/ und tragen hinweg was sie heimlich verbarg/ und ihr selbs zur Speiß            vorbehielt. Darab empfieng das Weib grossen verdruß/ redet den Räubern übel zu/ schalt            sie hefftig/ und reizet sie jmmerdar zu zorn an/ ob sie doch von ihnen gar umbgebracht            werden möchte: Aber sie kont niemand bewegen/ der sie entweder auß zorn/ oder auß            erbärmbd tödten wolte/ auch wurde jhr alles/ was sie zu essen bekam/ von andern widerum            entzogen.</p>
        <p>Als sie nun nichts mehr trawer auffzutreiben/ und ihr der Hunger alle Glider und das            Markdurchsuchet/ auch ermeldte Frau der groß unwill und unmut mehr/ als der Hunger selbs            trib/ understund sie sich in jhrem jammer/ ungedult und noht halben/ einer            unnatürlichen und unmenschlichen that/ nam ihr kindlein/ daß sie nach säuget/ und            sprach: O du unschuldiges armes Kind/ wem wil oder sol ich dich in gegenwärtigen Krieg /            Hunger und auffruhr lebendig behalten? Dann ob du schon darvon kämest/ so würdest du doch            dein Leben under den Römern in harter dienstbarkeit verzehren müssen/ wiewol der hunger            solchem jammer schon fürkommen ist/ so
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0192] Einer so auß Jerusalem entflohen zeigt Tito an daß auf die sechsmal hundert tausend todtencörper fürs thor hinaußgetragen worden/ und andere noch ein unmäßliche zahl dahin gestorben. Ein Adeliche Frau jehnseit des Jordans wohnhafft/ Maria genant/ Eleazari Tochter/ auß dem stätlein Bathechor/ welches Isops Hauß vertolmetschet wird/ gebohren/ eines edlen geschlächts/ und guten vermögens/ flohe mit andern gen Jerusalem/ und war allda belägert: Die Räuber aber hatten ihr alles genommen was sie mit ihr über den Jordan in die Statt gebracht/ auch fielen ihr die Kriegsknecht täglich in das hauß/ und tragen hinweg was sie heimlich verbarg/ und ihr selbs zur Speiß vorbehielt. Darab empfieng das Weib grossen verdruß/ redet den Räubern übel zu/ schalt sie hefftig/ und reizet sie jmmerdar zu zorn an/ ob sie doch von ihnen gar umbgebracht werden möchte: Aber sie kont niemand bewegen/ der sie entweder auß zorn/ oder auß erbärmbd tödten wolte/ auch wurde jhr alles/ was sie zu essen bekam/ von andern widerum entzogen. Abscheuliche That einer adelichen Frauen so aus Hunger ihr eigen Kind getödet und ge_ ochet. Als sie nun nichts mehr trawer auffzutreiben/ und ihr der Hunger alle Glider und das Markdurchsuchet/ auch ermeldte Frau der groß unwill und unmut mehr/ als der Hunger selbs trib/ understund sie sich in jhrem jammer/ ungedult und noht halben/ einer unnatürlichen und unmenschlichen that/ nam ihr kindlein/ daß sie nach säuget/ und sprach: O du unschuldiges armes Kind/ wem wil oder sol ich dich in gegenwärtigen Krieg / Hunger und auffruhr lebendig behalten? Dann ob du schon darvon kämest/ so würdest du doch dein Leben under den Römern in harter dienstbarkeit verzehren müssen/ wiewol der hunger solchem jammer schon fürkommen ist/ so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/192
Zitationshilfe: Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/192>, abgerufen am 21.11.2024.