Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

seind die auffrührischen ärger und grausamer denn beide jezberührte plagen. Demnach sej du mir ein Speiß/ den auffrührischen Räubern ein ursach zutoben und zu wüten: Ja dem ganzen Menschlichen geschlächt ein Schauspil/ daran es hißher den Juden in vorstehendem elend allein gemangelt hat. Mit diser red erwürget die Mutter das arme Kindlein/ kochet es/ und aß den halben theil darvon/ und behielt das überig verdekt.

Aber die Räuber empfunden bald deß geruchs von diser Speiß/ kamen mit ungestümme gelauffen/ und draueten dem Weib den Tod/ wo sie jhnen das jenig/ so sie gekocht / nicht von stundan offenbaren wurde. Die Frau sprach: Sie hett ein gutes stuk übrig behalten/ und zeiget ihnen den halben theil ihres gekochten sohns/ davon die räüber ein greuel und abscheuen empfiengen/ erstarrten auch darüber/ so bald sie deß kinds ansichtig wurden. Die Muter saget: Das ist wahrhafftig mein und mein begangene that an ihm / esset/ dann ich hab selber auch gessen/ seit nit verzagter als ein weib/ und barmherziger als sein eigene muter: Förchtet ihr aber je Gott so hart/ und verschmähet diß mein Opffer/ so wisset daß ich solches gessen hab/ und mir das überig auch behalten wil.

Hierauff giengen die Räuber mit zittern und zagen hinweg/ entsezten sich ab diser unmenschlichen that/ und möchten sich diser Speiß kaum enthalten. Daher ist das geschrej in der ganzen Statt erschollen/ und schwebet dise grewliche Mißhandlung männiglich vor Augen/ Auch ließ jhm jedermann dise that so hart angelegen sein als ob er sie selber würklich begangen het. Derhalben begerten alle die jenigen/ so die Hungers noht begriff / eilends zusterben/ und wurden die selig geprisen/ welche der Tod vorsolchem jammer hinweg genommen hatte. Es kam auch

seind die auffrührischen ärger und grausamer denn beide jezberührte plagen. Demnach sej du mir ein Speiß/ den auffrührischen Räubern ein ursach zutoben und zu wüten: Ja dem ganzen Menschlichen geschlächt ein Schauspil/ daran es hißher den Juden in vorstehendem elend allein gemangelt hat. Mit diser red erwürget die Mutter das arme Kindlein/ kochet es/ und aß den halben theil darvon/ und behielt das überig verdekt.

Aber die Räuber empfunden bald deß geruchs von diser Speiß/ kamen mit ungestüm̃e gelauffen/ und draueten dem Weib den Tod/ wo sie jhnen das jenig/ so sie gekocht / nicht von stundan offenbaren wurde. Die Frau sprach: Sie hett ein gutes stuk übrig behalten/ und zeiget ihnen den halben theil ihres gekochten sohns/ davon die räüber ein greuel und abscheuen empfiengen/ erstarrten auch darüber/ so bald sie deß kinds ansichtig wurden. Die Muter saget: Das ist wahrhafftig mein und mein begangene that an ihm / esset/ dann ich hab selber auch gessen/ seit nit verzagter als ein weib/ und barmherziger als sein eigene muter: Förchtet ihr aber je Gott so hart/ und verschmähet diß mein Opffer/ so wisset daß ich solches gessen hab/ und mir das überig auch behalten wil.

Hierauff giengen die Räuber mit zittern und zagen hinweg/ entsezten sich ab diser unmenschlichen that/ und möchten sich diser Speiß kaum enthalten. Daher ist das geschrej in der ganzen Statt erschollen/ und schwebet dise grewliche Mißhandlung männiglich vor Augen/ Auch ließ jhm jedermann dise that so hart angelegen sein als ob er sie selber würklich begangen het. Derhalben begerten alle die jenigen/ so die Hungers noht begriff / eilends zusterben/ und wurden die selig geprisen/ welche der Tod vorsolchem jammer hinweg genom̃en hatte. Es kam auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0193" n="164"/>
seind die auffrührischen ärger und grausamer denn beide jezberührte plagen. Demnach sej            du mir ein Speiß/ den auffrührischen Räubern ein ursach zutoben und zu wüten: Ja dem            ganzen Menschlichen geschlächt ein Schauspil/ daran es hißher den Juden in vorstehendem            elend allein gemangelt hat. Mit diser red erwürget die Mutter das arme Kindlein/ kochet            es/ und aß den halben theil darvon/ und behielt das überig verdekt.</p>
        <p>Aber die Räuber empfunden bald deß geruchs von diser Speiß/ kamen mit ungestüm&#x0303;e            gelauffen/ und draueten dem Weib den Tod/ wo sie jhnen das jenig/ so sie gekocht /            nicht von stundan offenbaren wurde. Die Frau sprach: Sie hett ein gutes stuk übrig            behalten/ und zeiget ihnen den halben theil ihres gekochten sohns/ davon die räüber ein            greuel und abscheuen empfiengen/ erstarrten auch darüber/ so bald sie deß kinds            ansichtig wurden. Die Muter saget: Das ist wahrhafftig mein und mein begangene that an ihm           / esset/ dann ich hab selber auch gessen/ seit nit verzagter als ein weib/ und            barmherziger als sein eigene muter: Förchtet ihr aber je Gott so hart/ und verschmähet            diß mein Opffer/ so wisset daß ich solches gessen hab/ und mir das überig auch behalten            wil.</p>
        <p>Hierauff giengen die Räuber mit zittern und zagen hinweg/ entsezten sich ab diser            unmenschlichen that/ und möchten sich diser Speiß kaum enthalten. Daher ist das geschrej            in der ganzen Statt erschollen/ und schwebet dise grewliche Mißhandlung männiglich vor            Augen/ Auch ließ jhm jedermann dise that so hart angelegen sein als ob er sie selber            würklich begangen het. Derhalben begerten alle die jenigen/ so die Hungers noht begriff /            eilends zusterben/ und wurden die selig geprisen/ welche der Tod vorsolchem jammer            hinweg genom&#x0303;en hatte. Es kam auch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0193] seind die auffrührischen ärger und grausamer denn beide jezberührte plagen. Demnach sej du mir ein Speiß/ den auffrührischen Räubern ein ursach zutoben und zu wüten: Ja dem ganzen Menschlichen geschlächt ein Schauspil/ daran es hißher den Juden in vorstehendem elend allein gemangelt hat. Mit diser red erwürget die Mutter das arme Kindlein/ kochet es/ und aß den halben theil darvon/ und behielt das überig verdekt. Aber die Räuber empfunden bald deß geruchs von diser Speiß/ kamen mit ungestüm̃e gelauffen/ und draueten dem Weib den Tod/ wo sie jhnen das jenig/ so sie gekocht / nicht von stundan offenbaren wurde. Die Frau sprach: Sie hett ein gutes stuk übrig behalten/ und zeiget ihnen den halben theil ihres gekochten sohns/ davon die räüber ein greuel und abscheuen empfiengen/ erstarrten auch darüber/ so bald sie deß kinds ansichtig wurden. Die Muter saget: Das ist wahrhafftig mein und mein begangene that an ihm / esset/ dann ich hab selber auch gessen/ seit nit verzagter als ein weib/ und barmherziger als sein eigene muter: Förchtet ihr aber je Gott so hart/ und verschmähet diß mein Opffer/ so wisset daß ich solches gessen hab/ und mir das überig auch behalten wil. Hierauff giengen die Räuber mit zittern und zagen hinweg/ entsezten sich ab diser unmenschlichen that/ und möchten sich diser Speiß kaum enthalten. Daher ist das geschrej in der ganzen Statt erschollen/ und schwebet dise grewliche Mißhandlung männiglich vor Augen/ Auch ließ jhm jedermann dise that so hart angelegen sein als ob er sie selber würklich begangen het. Derhalben begerten alle die jenigen/ so die Hungers noht begriff / eilends zusterben/ und wurden die selig geprisen/ welche der Tod vorsolchem jammer hinweg genom̃en hatte. Es kam auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/193
Zitationshilfe: Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/193>, abgerufen am 21.11.2024.