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Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.

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uns/ die wir nicht sehen auf das sichtbare sc. Auch die Wort aus der Epistel an die Römer am 8. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes sc.

Als sie nun auf den Richtplaz solten geführet werden/ und in die Gutschen steigen wolten: sagte der Herr von Thou: Mein Herr/ man will uns auf der Kutschen ins Paradeis führen. Dise Herren halten uns gar zu ehrlich. Nach der Kutschen folgte der Henker. Der Herr von Thou tröstete den Herren Desfiat/ sagend: Daß er sich nicht solte verlangen lassen/ länger zu leben/ ob er gleich jung/ und noch grösser hätte in der Welt werden können: sondern vilmehr Gott danken/ daß jhre Seelen aus der Gefahr des sündlichen Hoflebens gnädig errettet/ und sie Christlich/ mit gutem Vorbedacht sterben liesse.

Auf der Gerichts-Bühnen erhub sich under jhnen ein höflicher streit/ in dem ein jeder am ersten sterben wolte. Herr Desfiat wandte ein seine Jugend/ und daß er am ersten gesündiget: Herr Thou/ daß er der älteste. Der Jesuit gab den Auspruch/ sagend: Er were auch der großmütigste/ und wurde seines Freundes Tod mit Standhafftigkeit können anschauen. Als der Herr von Thou die Bühnen angesehen: hat er mit freudigen Geberden gesagt: Von hier müssen wir in das Paradeis gehen: Wer bin ich elender Mensch/ daß ich noch heut in die Ewigkeit gelangen soll? Nach dem sie nun bej dem Richtplaz angelanget: Hat Herr Desfiat erstlich absteigen müssen/ und als er auf der Bühnen jederman gegrüsset / hat er das Wammes ausgezogen/ und hat ihm der Jesuiten Diener die Haar müssen abschneiden: weil er nicht gewolt/ daß jhn der Henker anrühren solte. Hierauf hat er gebättet/ uud alsdann das Haupt dargestreket: Welches jhm aber in einem Hieb nicht von dem Leib abgesondert: sondern der Henker hat es gleichsam herab sägen müssen. Der Leichnam und das Haupt ist mit seinem Mantel bedekt worden.

Nach dem solches geschehen/ ist der Herr von Thou aus der Kutschen geholet worden: welcher mit lachendem Angesicht auf die Bühnen gestigen/ die Zuseher höflich gegrüsset / und mit ausgestrekten Händen den Henker umfangen/ geküsset und gesagt/ daß er ihn liebe / weil er ihn zu dem Paradeis befördere. Er sagte zu seinem Beichtvatte: Wir sind der Welt ein Schauspiel worden/ den Englen und den Menschen. Vnd hernach: Herr lehre mich deine Wege/ und leite mich deine Stege/ in das Himmelreich. Er sagte den 115. Psalm auf den Knien ganz freudig her/ und eignete jhm desselben Wort in seinem Zustand tröstlich zu.

Der Henker wolte ihm die Haar abschneiden: Der Jesuit aber nahm ihm die Scher/ und wolte sie seinem Diener geben: Der Herr von Thou aber gab sie dem Henker wider/ und sagte: er solte es jhm abschneiden. Weil aber der Henker gar ungeschirt: mußte es des Jesuiten Diener thu[unleserliches Material]: Inzwischen hub er die Augen gegen Himmel auf/ sagend: Was sichtbar ist / das ist zeitlich: was aber unsichtbar ist/ das ist ewig. Darauf er begehrt/ man solte jhm die augen verbinden: Dann sagte er/ ich habe kein herr/ ich muß es bekennen: aber Gott hält mein herr in seiner hand/ daß ich noch eine standhafftigkeit sehen lasse / welche von seiner Gnade herkommet. Nach

uns/ die wir nicht sehen auf das sichtbare sc. Auch die Wort aus der Epistel an die Römer am 8. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes sc.

Als sie nun auf den Richtplaz solten geführet werden/ und in die Gutschen steigen wolten: sagte der Herr von Thou: Mein Herr/ man will uns auf der Kutschen ins Paradeis führen. Dise Herren halten uns gar zu ehrlich. Nach der Kutschen folgte der Henker. Der Herr von Thou tröstete den Herren Desfiat/ sagend: Daß er sich nicht solte verlangen lassen/ länger zu leben/ ob er gleich jung/ und noch grösser hätte in der Welt werden können: sondern vilmehr Gott danken/ daß jhre Seelen aus der Gefahr des sündlichen Hoflebens gnädig errettet/ und sie Christlich/ mit gutem Vorbedacht sterben liesse.

Auf der Gerichts-Bühnen erhub sich under jhnen ein höflicher streit/ in dem ein jeder am ersten sterben wolte. Herr Desfiat wandte ein seine Jugend/ und daß er am ersten gesündiget: Herr Thou/ daß er der älteste. Der Jesuit gab den Auspruch/ sagend: Er were auch der großmütigste/ und wurde seines Freundes Tod mit Standhafftigkeit können anschauen. Als der Herr von Thou die Bühnen angesehen: hat er mit freudigen Geberden gesagt: Von hier müssen wir in das Paradeis gehen: Wer bin ich elender Mensch/ daß ich noch heut in die Ewigkeit gelangen soll? Nach dem sie nun bej dem Richtplaz angelanget: Hat Herr Desfiat erstlich absteigen müssen/ und als er auf der Bühnen jederman gegrüsset / hat er das Wammes ausgezogen/ und hat ihm der Jesuiten Diener die Haar müssen abschneiden: weil er nicht gewolt/ daß jhn der Henker anrühren solte. Hierauf hat er gebättet/ uud alsdann das Haupt dargestreket: Welches jhm aber in einem Hieb nicht von dem Leib abgesondert: sondern der Henker hat es gleichsam herab sägen müssen. Der Leichnam und das Haupt ist mit seinem Mantel bedekt worden.

Nach dem solches geschehen/ ist der Herr von Thou aus der Kutschen geholet worden: welcher mit lachendem Angesicht auf die Bühnen gestigen/ die Zuseher höflich gegrüsset / und mit ausgestrekten Händen den Henker umfangen/ geküsset und gesagt/ daß er ihn liebe / weil er ihn zu dem Paradeis befördere. Er sagte zu seinem Beichtvatte: Wir sind der Welt ein Schauspiel worden/ den Englen und den Menschen. Vnd hernach: Herr lehre mich deine Wege/ und leite mich deine Stege/ in das Him̃elreich. Er sagte den 115. Psalm auf den Knien ganz freudig her/ und eignete jhm desselben Wort in seinem Zustand tröstlich zu.

Der Henker wolte ihm die Haar abschneiden: Der Jesuit aber nahm ihm die Scher/ und wolte sie seinem Diener geben: Der Herr von Thou aber gab sie dem Henker wider/ und sagte: er solte es jhm abschneiden. Weil aber der Henker gar ungeschirt: mußte es des Jesuiten Diener thu[unleserliches Material]: Inzwischen hub er die Augen gegen Himmel auf/ sagend: Was sichtbar ist / das ist zeitlich: was aber unsichtbar ist/ das ist ewig. Darauf er begehrt/ man solte jhm die augen verbinden: Dann sagte er/ ich habe kein herr/ ich muß es bekennen: aber Gott hält mein herr in seiner hand/ daß ich noch eine standhafftigkeit sehen lasse / welche von seiner Gnade herkommet. Nach

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        <p>Nach dem solches geschehen/ ist der Herr von Thou aus der Kutschen geholet worden:            welcher mit lachendem Angesicht auf die Bühnen gestigen/ die Zuseher höflich gegrüsset /            und mit ausgestrekten Händen den Henker umfangen/ geküsset und gesagt/ daß er ihn liebe           / weil er ihn zu dem Paradeis befördere. Er sagte zu seinem Beichtvatte: Wir sind der Welt            ein Schauspiel worden/ den Englen und den Menschen. Vnd hernach: Herr lehre mich deine            Wege/ und leite mich deine Stege/ in das Him&#x0303;elreich. Er sagte den 115. Psalm auf            den Knien ganz freudig her/ und eignete jhm desselben Wort in seinem Zustand tröstlich            zu.</p>
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[415/0453] uns/ die wir nicht sehen auf das sichtbare sc. Auch die Wort aus der Epistel an die Römer am 8. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes sc. Als sie nun auf den Richtplaz solten geführet werden/ und in die Gutschen steigen wolten: sagte der Herr von Thou: Mein Herr/ man will uns auf der Kutschen ins Paradeis führen. Dise Herren halten uns gar zu ehrlich. Nach der Kutschen folgte der Henker. Der Herr von Thou tröstete den Herren Desfiat/ sagend: Daß er sich nicht solte verlangen lassen/ länger zu leben/ ob er gleich jung/ und noch grösser hätte in der Welt werden können: sondern vilmehr Gott danken/ daß jhre Seelen aus der Gefahr des sündlichen Hoflebens gnädig errettet/ und sie Christlich/ mit gutem Vorbedacht sterben liesse. Auf der Gerichts-Bühnen erhub sich under jhnen ein höflicher streit/ in dem ein jeder am ersten sterben wolte. Herr Desfiat wandte ein seine Jugend/ und daß er am ersten gesündiget: Herr Thou/ daß er der älteste. Der Jesuit gab den Auspruch/ sagend: Er were auch der großmütigste/ und wurde seines Freundes Tod mit Standhafftigkeit können anschauen. Als der Herr von Thou die Bühnen angesehen: hat er mit freudigen Geberden gesagt: Von hier müssen wir in das Paradeis gehen: Wer bin ich elender Mensch/ daß ich noch heut in die Ewigkeit gelangen soll? Nach dem sie nun bej dem Richtplaz angelanget: Hat Herr Desfiat erstlich absteigen müssen/ und als er auf der Bühnen jederman gegrüsset / hat er das Wammes ausgezogen/ und hat ihm der Jesuiten Diener die Haar müssen abschneiden: weil er nicht gewolt/ daß jhn der Henker anrühren solte. Hierauf hat er gebättet/ uud alsdann das Haupt dargestreket: Welches jhm aber in einem Hieb nicht von dem Leib abgesondert: sondern der Henker hat es gleichsam herab sägen müssen. Der Leichnam und das Haupt ist mit seinem Mantel bedekt worden. Nach dem solches geschehen/ ist der Herr von Thou aus der Kutschen geholet worden: welcher mit lachendem Angesicht auf die Bühnen gestigen/ die Zuseher höflich gegrüsset / und mit ausgestrekten Händen den Henker umfangen/ geküsset und gesagt/ daß er ihn liebe / weil er ihn zu dem Paradeis befördere. Er sagte zu seinem Beichtvatte: Wir sind der Welt ein Schauspiel worden/ den Englen und den Menschen. Vnd hernach: Herr lehre mich deine Wege/ und leite mich deine Stege/ in das Him̃elreich. Er sagte den 115. Psalm auf den Knien ganz freudig her/ und eignete jhm desselben Wort in seinem Zustand tröstlich zu. Der Henker wolte ihm die Haar abschneiden: Der Jesuit aber nahm ihm die Scher/ und wolte sie seinem Diener geben: Der Herr von Thou aber gab sie dem Henker wider/ und sagte: er solte es jhm abschneiden. Weil aber der Henker gar ungeschirt: mußte es des Jesuiten Diener thu_ : Inzwischen hub er die Augen gegen Himmel auf/ sagend: Was sichtbar ist / das ist zeitlich: was aber unsichtbar ist/ das ist ewig. Darauf er begehrt/ man solte jhm die augen verbinden: Dann sagte er/ ich habe kein herr/ ich muß es bekennen: aber Gott hält mein herr in seiner hand/ daß ich noch eine standhafftigkeit sehen lasse / welche von seiner Gnade herkommet. Nach

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Zitationshilfe: Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/453>, abgerufen am 22.11.2024.