Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. II. Stück. Verderben herumzuhohlen, und sie zu seinerseligen Gemeinschaft zu ziehen, er konnte aber diese beydemahle seine Freude in der Errettung derselben nicht geniessen. Aber seine Liebe, seine nach dem Heil der Men- schen so zärtlich, und mehr als mütterlich gesinnte Liebe, ruhet noch nicht; seine Er- barmungsvolle Eingeweide wallen und brau- sen in einem fort, diese verlockte Daube in sein Liebesgarn zu locken, um sie mit seinen Seligkeiten zu erquicken, und ihr in seiner Gemeinschaft recht gütlich zu thun. Es versuchte also der freundliche Liebhaber des Lebens zum drittenmahle, ob es ihm gelin- gen möchte, durch sein unermüdetes Rufen, sich einen Weg zu dem Herzen dieser Seele zu bahnen, seinen Thron darinnen aufzu- schlagen, und seine Herrschaft daselbsten an- zufangen. Dieser dritte und letzte Ruf der Gnade, geschahe ungefähr zwey Jahr vor ihrem Absterben; das Mittel, dessen sich der HErr dabey bedienete, war ein Creutz, so ihr ungemein empfindlich zusetzte. GOtt ließ ihr diese Probe zu einer recht schweren, und ihren natürlichen Kräften unerträgli- chen Last werden. Jhr Jnneres und Aeus- seres wurde dadurch recht lebendig angegrif- fen, und niedergeschlagen; alles ihr Ver- gnügen, daran die äusseren Sinne sich biß- hieher ergötzet, wurde ihr bitter und eckel- haft,
Thaten der Gnade. II. Stuͤck. Verderben herumzuhohlen, und ſie zu ſeinerſeligen Gemeinſchaft zu ziehen, er konnte aber dieſe beydemahle ſeine Freude in der Errettung derſelben nicht genieſſen. Aber ſeine Liebe, ſeine nach dem Heil der Men- ſchen ſo zaͤrtlich, und mehr als muͤtterlich geſinnte Liebe, ruhet noch nicht; ſeine Er- barmungsvolle Eingeweide wallen und brau- ſen in einem fort, dieſe verlockte Daube in ſein Liebesgarn zu locken, um ſie mit ſeinen Seligkeiten zu erquicken, und ihr in ſeiner Gemeinſchaft recht guͤtlich zu thun. Es verſuchte alſo der freundliche Liebhaber des Lebens zum drittenmahle, ob es ihm gelin- gen moͤchte, durch ſein unermuͤdetes Rufen, ſich einen Weg zu dem Herzen dieſer Seele zu bahnen, ſeinen Thron darinnen aufzu- ſchlagen, und ſeine Herrſchaft daſelbſten an- zufangen. Dieſer dritte und letzte Ruf der Gnade, geſchahe ungefaͤhr zwey Jahr vor ihrem Abſterben; das Mittel, deſſen ſich der HErr dabey bedienete, war ein Creutz, ſo ihr ungemein empfindlich zuſetzte. GOtt ließ ihr dieſe Probe zu einer recht ſchweren, und ihren natuͤrlichen Kraͤften unertraͤgli- chen Laſt werden. Jhr Jnneres und Aeuſ- ſeres wurde dadurch recht lebendig angegrif- fen, und niedergeſchlagen; alles ihr Ver- gnuͤgen, daran die aͤuſſeren Sinne ſich biß- hieher ergoͤtzet, wurde ihr bitter und eckel- haft,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="107"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">II</hi>. Stuͤck.</fw><lb/> Verderben herumzuhohlen, und ſie zu ſeiner<lb/> ſeligen Gemeinſchaft zu ziehen, er konnte<lb/> aber dieſe beydemahle ſeine Freude in der<lb/> Errettung derſelben nicht genieſſen. Aber<lb/> ſeine Liebe, ſeine nach dem Heil der Men-<lb/> ſchen ſo zaͤrtlich, und mehr als muͤtterlich<lb/> geſinnte Liebe, ruhet noch nicht; ſeine Er-<lb/> barmungsvolle Eingeweide wallen und brau-<lb/> ſen in einem fort, dieſe verlockte Daube in<lb/> ſein Liebesgarn zu locken, um ſie mit ſeinen<lb/> Seligkeiten zu erquicken, und ihr in ſeiner<lb/> Gemeinſchaft recht guͤtlich zu thun. Es<lb/> verſuchte alſo der freundliche Liebhaber des<lb/> Lebens zum drittenmahle, ob es ihm gelin-<lb/> gen moͤchte, durch ſein unermuͤdetes Rufen,<lb/> ſich einen Weg zu dem Herzen dieſer Seele<lb/> zu bahnen, ſeinen Thron darinnen aufzu-<lb/> ſchlagen, und ſeine Herrſchaft daſelbſten an-<lb/> zufangen. Dieſer dritte und letzte Ruf der<lb/> Gnade, geſchahe ungefaͤhr zwey Jahr vor<lb/> ihrem Abſterben; das Mittel, deſſen ſich der<lb/> HErr dabey bedienete, war ein Creutz, ſo<lb/> ihr ungemein empfindlich zuſetzte. GOtt<lb/> ließ ihr dieſe Probe zu einer recht ſchweren,<lb/> und ihren natuͤrlichen Kraͤften unertraͤgli-<lb/> chen Laſt werden. Jhr Jnneres und Aeuſ-<lb/> ſeres wurde dadurch recht lebendig angegrif-<lb/> fen, und niedergeſchlagen; alles ihr Ver-<lb/> gnuͤgen, daran die aͤuſſeren Sinne ſich biß-<lb/> hieher ergoͤtzet, wurde ihr bitter und eckel-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">haft,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0159]
Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
Verderben herumzuhohlen, und ſie zu ſeiner
ſeligen Gemeinſchaft zu ziehen, er konnte
aber dieſe beydemahle ſeine Freude in der
Errettung derſelben nicht genieſſen. Aber
ſeine Liebe, ſeine nach dem Heil der Men-
ſchen ſo zaͤrtlich, und mehr als muͤtterlich
geſinnte Liebe, ruhet noch nicht; ſeine Er-
barmungsvolle Eingeweide wallen und brau-
ſen in einem fort, dieſe verlockte Daube in
ſein Liebesgarn zu locken, um ſie mit ſeinen
Seligkeiten zu erquicken, und ihr in ſeiner
Gemeinſchaft recht guͤtlich zu thun. Es
verſuchte alſo der freundliche Liebhaber des
Lebens zum drittenmahle, ob es ihm gelin-
gen moͤchte, durch ſein unermuͤdetes Rufen,
ſich einen Weg zu dem Herzen dieſer Seele
zu bahnen, ſeinen Thron darinnen aufzu-
ſchlagen, und ſeine Herrſchaft daſelbſten an-
zufangen. Dieſer dritte und letzte Ruf der
Gnade, geſchahe ungefaͤhr zwey Jahr vor
ihrem Abſterben; das Mittel, deſſen ſich der
HErr dabey bedienete, war ein Creutz, ſo
ihr ungemein empfindlich zuſetzte. GOtt
ließ ihr dieſe Probe zu einer recht ſchweren,
und ihren natuͤrlichen Kraͤften unertraͤgli-
chen Laſt werden. Jhr Jnneres und Aeuſ-
ſeres wurde dadurch recht lebendig angegrif-
fen, und niedergeſchlagen; alles ihr Ver-
gnuͤgen, daran die aͤuſſeren Sinne ſich biß-
hieher ergoͤtzet, wurde ihr bitter und eckel-
haft,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |