Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Der grossen und seligen
beybringt, so wird er ein trauriges Mittel,
daß andere von der wahren Bekehrung und
dem Leben abgehalten werden. Hüte man
sich also vor diesen gefährlichen Klippen, und
sehe man nicht so scheel, weil der HErr so
gütig ist. Denke vielmehr einer, entweder
noch in Sünden oder in seiner eigenen Ge-
rechtigkeit stehender also: Hat GOtt gegen
diese oder jene Seele den Reichthum seiner
Güte geoffenbaret, selbige bekehret und in
Gnaden angenommen, so wird auch die
gleiche Liebe gegen andere Arme und Sünd-
hafte, ja auch gegen meine Seele sich erbar-
mend zeigen; ich will mich darum aufma-
chen, ich will mich mit demüthigem und
leidtragendem Herzen vor seine Füsse wer-
fen, und mit Seufzen und Schreyen so lan-
ge anhalten, bis auch ich durchgebrochen,
und zum Leben in seine Arme gesammlet
bin; so wird man täglich neue Proben von
der Liebesmacht JEsu in Errettung man-
cher Seele sehen.

Nachdeme nun der um das Heyl der
Menschen bekümmerte Heyland seine Ab-
sichten an unserer Person durch eben gedach-
tes Mittel nicht nur nicht erreichet, sondern
sie nach diesem gleichsam noch tiefer in denen
Dörnen verwickelt sahe, so wirft er sie doch
nicht aus seiner Hand weg, sondern je wei-
ter sie sich von ihm wendet, desto zärtlicher

wird

Der groſſen und ſeligen
beybringt, ſo wird er ein trauriges Mittel,
daß andere von der wahren Bekehrung und
dem Leben abgehalten werden. Huͤte man
ſich alſo vor dieſen gefaͤhrlichen Klippen, und
ſehe man nicht ſo ſcheel, weil der HErr ſo
guͤtig iſt. Denke vielmehr einer, entweder
noch in Suͤnden oder in ſeiner eigenen Ge-
rechtigkeit ſtehender alſo: Hat GOtt gegen
dieſe oder jene Seele den Reichthum ſeiner
Guͤte geoffenbaret, ſelbige bekehret und in
Gnaden angenommen, ſo wird auch die
gleiche Liebe gegen andere Arme und Suͤnd-
hafte, ja auch gegen meine Seele ſich erbar-
mend zeigen; ich will mich darum aufma-
chen, ich will mich mit demuͤthigem und
leidtragendem Herzen vor ſeine Fuͤſſe wer-
fen, und mit Seufzen und Schreyen ſo lan-
ge anhalten, bis auch ich durchgebrochen,
und zum Leben in ſeine Arme geſammlet
bin; ſo wird man taͤglich neue Proben von
der Liebesmacht JEſu in Errettung man-
cher Seele ſehen.

Nachdeme nun der um das Heyl der
Menſchen bekuͤmmerte Heyland ſeine Ab-
ſichten an unſerer Perſon durch eben gedach-
tes Mittel nicht nur nicht erreichet, ſondern
ſie nach dieſem gleichſam noch tiefer in denen
Doͤrnen verwickelt ſahe, ſo wirft er ſie doch
nicht aus ſeiner Hand weg, ſondern je wei-
ter ſie ſich von ihm wendet, deſto zaͤrtlicher

wird
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0260" n="208"/><fw place="top" type="header">Der gro&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;eligen</fw><lb/>
beybringt, &#x017F;o wird er ein trauriges Mittel,<lb/>
daß andere von der wahren Bekehrung und<lb/>
dem Leben abgehalten werden. Hu&#x0364;te man<lb/>
&#x017F;ich al&#x017F;o vor die&#x017F;en gefa&#x0364;hrlichen Klippen, und<lb/>
&#x017F;ehe man nicht &#x017F;o &#x017F;cheel, weil der HErr &#x017F;o<lb/>
gu&#x0364;tig i&#x017F;t. Denke vielmehr einer, entweder<lb/>
noch in Su&#x0364;nden oder in &#x017F;einer eigenen Ge-<lb/>
rechtigkeit &#x017F;tehender al&#x017F;o: Hat GOtt gegen<lb/>
die&#x017F;e oder jene Seele den Reichthum &#x017F;einer<lb/>
Gu&#x0364;te geoffenbaret, &#x017F;elbige bekehret und in<lb/>
Gnaden angenommen, &#x017F;o wird auch die<lb/>
gleiche Liebe gegen andere Arme und Su&#x0364;nd-<lb/>
hafte, ja auch gegen meine Seele &#x017F;ich erbar-<lb/>
mend zeigen; ich will mich darum aufma-<lb/>
chen, ich will mich mit demu&#x0364;thigem und<lb/>
leidtragendem Herzen vor &#x017F;eine Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e wer-<lb/>
fen, und mit Seufzen und Schreyen &#x017F;o lan-<lb/>
ge anhalten, bis auch ich durchgebrochen,<lb/>
und zum Leben in &#x017F;eine Arme ge&#x017F;ammlet<lb/>
bin; &#x017F;o wird man ta&#x0364;glich neue Proben von<lb/>
der Liebesmacht JE&#x017F;u in Errettung man-<lb/>
cher Seele &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Nachdeme nun der um das Heyl der<lb/>
Men&#x017F;chen beku&#x0364;mmerte Heyland &#x017F;eine Ab-<lb/>
&#x017F;ichten an un&#x017F;erer Per&#x017F;on durch eben gedach-<lb/>
tes Mittel nicht nur nicht erreichet, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;ie nach die&#x017F;em gleich&#x017F;am noch tiefer in denen<lb/>
Do&#x0364;rnen verwickelt &#x017F;ahe, &#x017F;o wirft er &#x017F;ie doch<lb/>
nicht aus &#x017F;einer Hand weg, &#x017F;ondern je wei-<lb/>
ter &#x017F;ie &#x017F;ich von ihm wendet, de&#x017F;to za&#x0364;rtlicher<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0260] Der groſſen und ſeligen beybringt, ſo wird er ein trauriges Mittel, daß andere von der wahren Bekehrung und dem Leben abgehalten werden. Huͤte man ſich alſo vor dieſen gefaͤhrlichen Klippen, und ſehe man nicht ſo ſcheel, weil der HErr ſo guͤtig iſt. Denke vielmehr einer, entweder noch in Suͤnden oder in ſeiner eigenen Ge- rechtigkeit ſtehender alſo: Hat GOtt gegen dieſe oder jene Seele den Reichthum ſeiner Guͤte geoffenbaret, ſelbige bekehret und in Gnaden angenommen, ſo wird auch die gleiche Liebe gegen andere Arme und Suͤnd- hafte, ja auch gegen meine Seele ſich erbar- mend zeigen; ich will mich darum aufma- chen, ich will mich mit demuͤthigem und leidtragendem Herzen vor ſeine Fuͤſſe wer- fen, und mit Seufzen und Schreyen ſo lan- ge anhalten, bis auch ich durchgebrochen, und zum Leben in ſeine Arme geſammlet bin; ſo wird man taͤglich neue Proben von der Liebesmacht JEſu in Errettung man- cher Seele ſehen. Nachdeme nun der um das Heyl der Menſchen bekuͤmmerte Heyland ſeine Ab- ſichten an unſerer Perſon durch eben gedach- tes Mittel nicht nur nicht erreichet, ſondern ſie nach dieſem gleichſam noch tiefer in denen Doͤrnen verwickelt ſahe, ſo wirft er ſie doch nicht aus ſeiner Hand weg, ſondern je wei- ter ſie ſich von ihm wendet, deſto zaͤrtlicher wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/260
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/260>, abgerufen am 21.11.2024.