Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. III. Stück. den Seelen wallende und brausende Einge-weide seiner Erbarmungen recht deutlich und lebendig vor Augen zu mahlen. Frey- lich (zeigte er ihr) hätte GOtt alle Ursache, nach ihren langen Abweichungen und so vie- ler Untreue, sie zu fragen: Was soll ich aus dir machen Ephraim? Soll ich dich schützen Jsrael? Soll ich nicht billig ein Adama aus dir machen, und dich wie Ze- boim zurichten? Aber die Gesinnungen sei- ner Liebe und Erbarmung tretten jetzt gleichsam auf, und sprechen: Jst nicht Ephraim mein theurer Sohn, und mein trautes Kind! - Darum bricht mir mein Herze gegen ihm, daß ich mich sein erbarmen muß. Daß aber der HErr solche väterli- che, mitleidens und liebesvolle Rührungen gegen sie hege, zeige dasjenige, was er durch seine Gnade in ihrem Herze gewirket habe. Hätte GOtt nicht Gedanken des Friedens gegen sie, so würden sich jetzt weder die Un- ruhe und Angst wegen denen Beleidigungen ihres himmlischen Vaters in ihrem Gewis- sen, noch die sehnenden Begierden nach der Errettung ihrer Seele in ihrem Herzen zei- gen, sondern sie wäre in einem stummen und todten Zustande in die Ewigkeit hinge- gangen. Da aber der HErr wünsche, daß sie nicht sterben, sondern leben möchte, so komme er jetzt, greife sie stärker und heftiger an, R 5
Thaten der Gnade. III. Stuͤck. den Seelen wallende und brauſende Einge-weide ſeiner Erbarmungen recht deutlich und lebendig vor Augen zu mahlen. Frey- lich (zeigte er ihr) haͤtte GOtt alle Urſache, nach ihren langen Abweichungen und ſo vie- ler Untreue, ſie zu fragen: Was ſoll ich aus dir machen Ephraim? Soll ich dich ſchuͤtzen Jſrael? Soll ich nicht billig ein Adama aus dir machen, und dich wie Ze- boim zurichten? Aber die Geſinnungen ſei- ner Liebe und Erbarmung tretten jetzt gleichſam auf, und ſprechen: Jſt nicht Ephraim mein theurer Sohn, und mein trautes Kind! - Darum bricht mir mein Herze gegen ihm, daß ich mich ſein erbarmen muß. Daß aber der HErr ſolche vaͤterli- che, mitleidens und liebesvolle Ruͤhrungen gegen ſie hege, zeige dasjenige, was er durch ſeine Gnade in ihrem Herze gewirket habe. Haͤtte GOtt nicht Gedanken des Friedens gegen ſie, ſo wuͤrden ſich jetzt weder die Un- ruhe und Angſt wegen denen Beleidigungen ihres himmliſchen Vaters in ihrem Gewiſ- ſen, noch die ſehnenden Begierden nach der Errettung ihrer Seele in ihrem Herzen zei- gen, ſondern ſie waͤre in einem ſtummen und todten Zuſtande in die Ewigkeit hinge- gangen. Da aber der HErr wuͤnſche, daß ſie nicht ſterben, ſondern leben moͤchte, ſo komme er jetzt, greife ſie ſtaͤrker und heftiger an, R 5
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Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
den Seelen wallende und brauſende Einge-
weide ſeiner Erbarmungen recht deutlich
und lebendig vor Augen zu mahlen. Frey-
lich (zeigte er ihr) haͤtte GOtt alle Urſache,
nach ihren langen Abweichungen und ſo vie-
ler Untreue, ſie zu fragen: Was ſoll ich
aus dir machen Ephraim? Soll ich dich
ſchuͤtzen Jſrael? Soll ich nicht billig ein
Adama aus dir machen, und dich wie Ze-
boim zurichten? Aber die Geſinnungen ſei-
ner Liebe und Erbarmung tretten jetzt
gleichſam auf, und ſprechen: Jſt nicht
Ephraim mein theurer Sohn, und mein
trautes Kind! - Darum bricht mir mein
Herze gegen ihm, daß ich mich ſein erbarmen
muß. Daß aber der HErr ſolche vaͤterli-
che, mitleidens und liebesvolle Ruͤhrungen
gegen ſie hege, zeige dasjenige, was er durch
ſeine Gnade in ihrem Herze gewirket habe.
Haͤtte GOtt nicht Gedanken des Friedens
gegen ſie, ſo wuͤrden ſich jetzt weder die Un-
ruhe und Angſt wegen denen Beleidigungen
ihres himmliſchen Vaters in ihrem Gewiſ-
ſen, noch die ſehnenden Begierden nach der
Errettung ihrer Seele in ihrem Herzen zei-
gen, ſondern ſie waͤre in einem ſtummen
und todten Zuſtande in die Ewigkeit hinge-
gangen. Da aber der HErr wuͤnſche, daß
ſie nicht ſterben, ſondern leben moͤchte, ſo
komme er jetzt, greife ſie ſtaͤrker und heftiger
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