Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. IV. Stück. ben, die eiternde Geschwüre, die blutigeund tödtliche Verletzungen in dem Gewissen gesehen; so dringt nun dieses Licht immer tiefer in das Herz, und entdecket nach und nach alle auch die subtileste noch überbliebe- ne Verderbnisse. Da wird man die heim- lichste Schos- und Busensünden, Anhäng- lichkeiten an die Creatur, Erhebungen, Trägheiten und Sicherheiten gewahr, man findet tief versteckt gelegene Feinde, die man entweder niemahlen gesehen, oder welche sich uns wohl als die bestscheinende Freunde ge- zeiget haben. Mit einem Wort: dieses Licht dringet durch alle innere und äussere Kräf- te, und zeiget auch den Staub der Sünde, mit der Unzulänglichkeit und Gefahr bey aller eigener Gutheit, allem Stillstehen, Ruhen und Vertrauen auf seine Lichter, Erfahrungen und Gaben, allem Thun, Können und Rühmen. Die Offenbahrun- gen dieses Lichts und die Entdeckungen des- selben, bringen nun eine doppelte Würkung in der Seele hervor: 1. Man wird im- mer ärmer am Geist, demüthiger und ge- beugter, aller eigene Grund fällt zu Bo- den, das Herz wird immer ausgeleerter und lediger von allem eigenen Wesen, und von der Anhänglichkeit an die Creatur. Man wird kindlich gebeugt, und voller Leidwe- sen, daß man noch so viel Unlauteres und Sünd- T 2
Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. ben, die eiternde Geſchwuͤre, die blutigeund toͤdtliche Verletzungen in dem Gewiſſen geſehen; ſo dringt nun dieſes Licht immer tiefer in das Herz, und entdecket nach und nach alle auch die ſubtileſte noch uͤberbliebe- ne Verderbniſſe. Da wird man die heim- lichſte Schos- und Buſenſuͤnden, Anhaͤng- lichkeiten an die Creatur, Erhebungen, Traͤgheiten und Sicherheiten gewahr, man findet tief verſteckt gelegene Feinde, die man entweder niemahlen geſehen, oder welche ſich uns wohl als die beſtſcheinende Freunde ge- zeiget haben. Mit einem Wort: dieſes Licht dringet durch alle innere und aͤuſſere Kraͤf- te, und zeiget auch den Staub der Suͤnde, mit der Unzulaͤnglichkeit und Gefahr bey aller eigener Gutheit, allem Stillſtehen, Ruhen und Vertrauen auf ſeine Lichter, Erfahrungen und Gaben, allem Thun, Koͤnnen und Ruͤhmen. Die Offenbahrun- gen dieſes Lichts und die Entdeckungen deſ- ſelben, bringen nun eine doppelte Wuͤrkung in der Seele hervor: 1. Man wird im- mer aͤrmer am Geiſt, demuͤthiger und ge- beugter, aller eigene Grund faͤllt zu Bo- den, das Herz wird immer ausgeleerter und lediger von allem eigenen Weſen, und von der Anhaͤnglichkeit an die Creatur. Man wird kindlich gebeugt, und voller Leidwe- ſen, daß man noch ſo viel Unlauteres und Suͤnd- T 2
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
ben, die eiternde Geſchwuͤre, die blutige
und toͤdtliche Verletzungen in dem Gewiſſen
geſehen; ſo dringt nun dieſes Licht immer
tiefer in das Herz, und entdecket nach und
nach alle auch die ſubtileſte noch uͤberbliebe-
ne Verderbniſſe. Da wird man die heim-
lichſte Schos- und Buſenſuͤnden, Anhaͤng-
lichkeiten an die Creatur, Erhebungen,
Traͤgheiten und Sicherheiten gewahr, man
findet tief verſteckt gelegene Feinde, die man
entweder niemahlen geſehen, oder welche ſich
uns wohl als die beſtſcheinende Freunde ge-
zeiget haben. Mit einem Wort: dieſes Licht
dringet durch alle innere und aͤuſſere Kraͤf-
te, und zeiget auch den Staub der Suͤnde,
mit der Unzulaͤnglichkeit und Gefahr bey
aller eigener Gutheit, allem Stillſtehen,
Ruhen und Vertrauen auf ſeine Lichter,
Erfahrungen und Gaben, allem Thun,
Koͤnnen und Ruͤhmen. Die Offenbahrun-
gen dieſes Lichts und die Entdeckungen deſ-
ſelben, bringen nun eine doppelte Wuͤrkung
in der Seele hervor: 1. Man wird im-
mer aͤrmer am Geiſt, demuͤthiger und ge-
beugter, aller eigene Grund faͤllt zu Bo-
den, das Herz wird immer ausgeleerter und
lediger von allem eigenen Weſen, und von
der Anhaͤnglichkeit an die Creatur. Man
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