Bußthränen werden in ein freudiges Fro- locken verwandelt, wenn man aus dieser Thränensaat eine so herrliche Freudenerndte erblicket, und so süsse und der Seele so seli- ge Früchte einsammlet.
Liessen sich doch alle zur Bekehrung Er- weckte willig finden, in diese selige Arbeit zu tretten, aber viele halten da ihre Seele auf vom Leben. Sucht der Geist Christi durch Vorstellung und Aufdeckung der Sünden einige in die Reue über dieselbige, und in ein thränendes Kämpfen nach der Verge- bung der Uebertrettungen zu führen, so wehren sie sich mit denen armen Gedanken, sie haben doch auch viel Gutes an ihnen. Freylich denkt mancher: Habe ich nicht im- mer gelebt, wie ich wohl hätte sollen, und die Wege des HErrn sind von mir nicht immer betretten worden. Jch bin öfters gefallen, und zu manchem Sündlichen hin- gerissen und übereilet worden. Aber wer ist Engel-rein auf Erden? Sind nicht viele andere, die es noch ärger gemacht als ich, und vor denen ich noch vieles voraus habe? Habe ich meine Schwachheiten, so habe ich auch manches Gute an mir, welches man nicht bey jedermann finden wird. Der HErr wird also nicht zu hart mit mir han- deln, dann er ist gnädig, liebreich und er- barmend, und nicht zum Zorn geneigt.
Aller-
Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
Bußthraͤnen werden in ein freudiges Fro- locken verwandelt, wenn man aus dieſer Thraͤnenſaat eine ſo herrliche Freudenerndte erblicket, und ſo ſuͤſſe und der Seele ſo ſeli- ge Fruͤchte einſammlet.
Lieſſen ſich doch alle zur Bekehrung Er- weckte willig finden, in dieſe ſelige Arbeit zu tretten, aber viele halten da ihre Seele auf vom Leben. Sucht der Geiſt Chriſti durch Vorſtellung und Aufdeckung der Suͤnden einige in die Reue uͤber dieſelbige, und in ein thraͤnendes Kaͤmpfen nach der Verge- bung der Uebertrettungen zu fuͤhren, ſo wehren ſie ſich mit denen armen Gedanken, ſie haben doch auch viel Gutes an ihnen. Freylich denkt mancher: Habe ich nicht im- mer gelebt, wie ich wohl haͤtte ſollen, und die Wege des HErrn ſind von mir nicht immer betretten worden. Jch bin oͤfters gefallen, und zu manchem Suͤndlichen hin- geriſſen und uͤbereilet worden. Aber wer iſt Engel-rein auf Erden? Sind nicht viele andere, die es noch aͤrger gemacht als ich, und vor denen ich noch vieles voraus habe? Habe ich meine Schwachheiten, ſo habe ich auch manches Gute an mir, welches man nicht bey jedermann finden wird. Der HErr wird alſo nicht zu hart mit mir han- deln, dann er iſt gnaͤdig, liebreich und er- barmend, und nicht zum Zorn geneigt.
Aller-
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
Bußthraͤnen werden in ein freudiges Fro-
locken verwandelt, wenn man aus dieſer
Thraͤnenſaat eine ſo herrliche Freudenerndte
erblicket, und ſo ſuͤſſe und der Seele ſo ſeli-
ge Fruͤchte einſammlet.
Lieſſen ſich doch alle zur Bekehrung Er-
weckte willig finden, in dieſe ſelige Arbeit zu
tretten, aber viele halten da ihre Seele auf
vom Leben. Sucht der Geiſt Chriſti durch
Vorſtellung und Aufdeckung der Suͤnden
einige in die Reue uͤber dieſelbige, und in
ein thraͤnendes Kaͤmpfen nach der Verge-
bung der Uebertrettungen zu fuͤhren, ſo
wehren ſie ſich mit denen armen Gedanken,
ſie haben doch auch viel Gutes an ihnen.
Freylich denkt mancher: Habe ich nicht im-
mer gelebt, wie ich wohl haͤtte ſollen, und
die Wege des HErrn ſind von mir nicht
immer betretten worden. Jch bin oͤfters
gefallen, und zu manchem Suͤndlichen hin-
geriſſen und uͤbereilet worden. Aber wer
iſt Engel-rein auf Erden? Sind nicht viele
andere, die es noch aͤrger gemacht als ich,
und vor denen ich noch vieles voraus habe?
Habe ich meine Schwachheiten, ſo habe
ich auch manches Gute an mir, welches
man nicht bey jedermann finden wird. Der
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/383>, abgerufen am 22.11.2024.
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