Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Der grossen und seligen
nicht tiefer führen, als dir zu deinem Leben
nöthig ist; er wird alle Wasserwogen zu-
rücke halten, die dir das Versinken und den
Untergang drohen. Er wird vor dir her-
gehen, um dir in diesem dunkelen Thal
durchzuhelfen, und dir einen freudigen
Ausgang zum Licht und zur Freude zu
bereiten.

Unsere Begnadete hielte sich in ihrem
Bußkampf gar ordentlich, es war kein wil-
des und gar zu stürmisches Wesen dabey,
wie man öfters bey unlauteren Gemüthern
erblicket, die einem Waldwasser gleichen,
welches zu einer Zeit mit der heftigsten Wut
daher rauschet, alles überschwemmet, und
dahin reisset, bald aber wieder sich verlau-
fet und vertrocknet, und nichts als Steine,
Schlamm und Unflat dahinten lässet. Die
jenem im Evangelio ähnlich sind, der bald
in das Feuer, bald in das Wasser gewor-
fen worden; die, wenn das Strafamt des
heiligen Geistes hinter dem Gewissen her ist,
alsobald auf die wildeste Weise sich gebähr-
den, versinken und verzweifeln wollen, die
aber, so bald das Gewissen ein wenig Luft
krieget, wieder in dem grösten Leichtsinn
dahin gehen, und öfters über dasjenige
spotten, oder aufs wenigste ganz gleichgül-
tig und unempfindlich sind, worüber sie sich
so ängstlich gewunden haben. Das Herze

unse-

Der groſſen und ſeligen
nicht tiefer fuͤhren, als dir zu deinem Leben
noͤthig iſt; er wird alle Waſſerwogen zu-
ruͤcke halten, die dir das Verſinken und den
Untergang drohen. Er wird vor dir her-
gehen, um dir in dieſem dunkelen Thal
durchzuhelfen, und dir einen freudigen
Ausgang zum Licht und zur Freude zu
bereiten.

Unſere Begnadete hielte ſich in ihrem
Bußkampf gar ordentlich, es war kein wil-
des und gar zu ſtuͤrmiſches Weſen dabey,
wie man oͤfters bey unlauteren Gemuͤthern
erblicket, die einem Waldwaſſer gleichen,
welches zu einer Zeit mit der heftigſten Wut
daher rauſchet, alles uͤberſchwemmet, und
dahin reiſſet, bald aber wieder ſich verlau-
fet und vertrocknet, und nichts als Steine,
Schlamm und Unflat dahinten laͤſſet. Die
jenem im Evangelio aͤhnlich ſind, der bald
in das Feuer, bald in das Waſſer gewor-
fen worden; die, wenn das Strafamt des
heiligen Geiſtes hinter dem Gewiſſen her iſt,
alſobald auf die wildeſte Weiſe ſich gebaͤhr-
den, verſinken und verzweifeln wollen, die
aber, ſo bald das Gewiſſen ein wenig Luft
krieget, wieder in dem groͤſten Leichtſinn
dahin gehen, und oͤfters uͤber dasjenige
ſpotten, oder aufs wenigſte ganz gleichguͤl-
tig und unempfindlich ſind, woruͤber ſie ſich
ſo aͤngſtlich gewunden haben. Das Herze

unſe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0386" n="334"/><fw place="top" type="header">Der gro&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;eligen</fw><lb/>
nicht tiefer fu&#x0364;hren, als dir zu deinem Leben<lb/>
no&#x0364;thig i&#x017F;t; er wird alle Wa&#x017F;&#x017F;erwogen zu-<lb/>
ru&#x0364;cke halten, die dir das Ver&#x017F;inken und den<lb/>
Untergang drohen. Er wird vor dir her-<lb/>
gehen, um dir in die&#x017F;em dunkelen Thal<lb/>
durchzuhelfen, und dir einen freudigen<lb/>
Ausgang zum Licht und zur Freude zu<lb/>
bereiten.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;ere Begnadete hielte &#x017F;ich in ihrem<lb/>
Bußkampf gar ordentlich, es war kein wil-<lb/>
des und gar zu &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ches We&#x017F;en dabey,<lb/>
wie man o&#x0364;fters bey unlauteren Gemu&#x0364;thern<lb/>
erblicket, die einem Waldwa&#x017F;&#x017F;er gleichen,<lb/>
welches zu einer Zeit mit der heftig&#x017F;ten Wut<lb/>
daher rau&#x017F;chet, alles u&#x0364;ber&#x017F;chwemmet, und<lb/>
dahin rei&#x017F;&#x017F;et, bald aber wieder &#x017F;ich verlau-<lb/>
fet und vertrocknet, und nichts als Steine,<lb/>
Schlamm und Unflat dahinten la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Die<lb/>
jenem im Evangelio a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, der bald<lb/>
in das Feuer, bald in das Wa&#x017F;&#x017F;er gewor-<lb/>
fen worden; die, wenn das Strafamt des<lb/>
heiligen Gei&#x017F;tes hinter dem Gewi&#x017F;&#x017F;en her i&#x017F;t,<lb/>
al&#x017F;obald auf die wilde&#x017F;te Wei&#x017F;e &#x017F;ich geba&#x0364;hr-<lb/>
den, ver&#x017F;inken und verzweifeln wollen, die<lb/>
aber, &#x017F;o bald das Gewi&#x017F;&#x017F;en ein wenig Luft<lb/>
krieget, wieder in dem gro&#x0364;&#x017F;ten Leicht&#x017F;inn<lb/>
dahin gehen, und o&#x0364;fters u&#x0364;ber dasjenige<lb/>
&#x017F;potten, oder aufs wenig&#x017F;te ganz gleichgu&#x0364;l-<lb/>
tig und unempfindlich &#x017F;ind, woru&#x0364;ber &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o a&#x0364;ng&#x017F;tlich gewunden haben. Das Herze<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">un&#x017F;e-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0386] Der groſſen und ſeligen nicht tiefer fuͤhren, als dir zu deinem Leben noͤthig iſt; er wird alle Waſſerwogen zu- ruͤcke halten, die dir das Verſinken und den Untergang drohen. Er wird vor dir her- gehen, um dir in dieſem dunkelen Thal durchzuhelfen, und dir einen freudigen Ausgang zum Licht und zur Freude zu bereiten. Unſere Begnadete hielte ſich in ihrem Bußkampf gar ordentlich, es war kein wil- des und gar zu ſtuͤrmiſches Weſen dabey, wie man oͤfters bey unlauteren Gemuͤthern erblicket, die einem Waldwaſſer gleichen, welches zu einer Zeit mit der heftigſten Wut daher rauſchet, alles uͤberſchwemmet, und dahin reiſſet, bald aber wieder ſich verlau- fet und vertrocknet, und nichts als Steine, Schlamm und Unflat dahinten laͤſſet. Die jenem im Evangelio aͤhnlich ſind, der bald in das Feuer, bald in das Waſſer gewor- fen worden; die, wenn das Strafamt des heiligen Geiſtes hinter dem Gewiſſen her iſt, alſobald auf die wildeſte Weiſe ſich gebaͤhr- den, verſinken und verzweifeln wollen, die aber, ſo bald das Gewiſſen ein wenig Luft krieget, wieder in dem groͤſten Leichtſinn dahin gehen, und oͤfters uͤber dasjenige ſpotten, oder aufs wenigſte ganz gleichguͤl- tig und unempfindlich ſind, woruͤber ſie ſich ſo aͤngſtlich gewunden haben. Das Herze unſe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/386
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/386>, abgerufen am 21.11.2024.