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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. IV. Stück.
die bange Erfahrung in dem Gewissen, von
denen traurigen Folgen der Uebertrettun-
gen, setzet die Seele in eine angsthafte Be-
stürzung, und zu Zeiten in heftige Schrecken
und tiefe Bekümmernisse, sie meynet desset-
wegen, sie würde gar in die Grube der Ver-
zweiflung versinken, wenn sie noch tiefer in
ihren Sündenjammer sollte geführet wer-
den. Sie machet sich daher genug zu schaf-
fen, gegen die Empfindung der Angst sich
zu wehren, sich derselben zu entschlagen, und
zur ehemahligen Munterkeit wieder aufzu-
richten. Es ist aber, o Seele! dein Kum-
mer, da du fürchtest in deinem Bußkampf,
wegen deinen Sünden zu verzweifeln, nichts
anders, als eine tückische Eingebung des
Seelenfeindes, der gerne die armen Men-
schen aus der göttlichen Traurigkeit, die ei-
ne Reue zur Seligkeit ist, herausheben, in
die Lüste des Verderbens wieder hineinfüh-
ren; und also das Herze in seine vorige
Herrschaft, und Gewalt bringen möchte.
Nein! der HErr decket die Wunden nicht
auf zum Tode, sondern zum Leben, und
damit er Wein und Oel darein giessen, und
die Seele nach dem Leidetragen, auf die
seligste Weise ergötzen möchte. Fürchte
dich also, o Seele! nicht, von deinem Er-
barmer dich in die heilsamen Wege der Buß-
Traurigkeit leiten zu lassen, er wird dich

nicht

Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
die bange Erfahrung in dem Gewiſſen, von
denen traurigen Folgen der Uebertrettun-
gen, ſetzet die Seele in eine angſthafte Be-
ſtuͤrzung, und zu Zeiten in heftige Schrecken
und tiefe Bekuͤmmerniſſe, ſie meynet deſſet-
wegen, ſie wuͤrde gar in die Grube der Ver-
zweiflung verſinken, wenn ſie noch tiefer in
ihren Suͤndenjammer ſollte gefuͤhret wer-
den. Sie machet ſich daher genug zu ſchaf-
fen, gegen die Empfindung der Angſt ſich
zu wehren, ſich derſelben zu entſchlagen, und
zur ehemahligen Munterkeit wieder aufzu-
richten. Es iſt aber, o Seele! dein Kum-
mer, da du fuͤrchteſt in deinem Bußkampf,
wegen deinen Suͤnden zu verzweifeln, nichts
anders, als eine tuͤckiſche Eingebung des
Seelenfeindes, der gerne die armen Men-
ſchen aus der goͤttlichen Traurigkeit, die ei-
ne Reue zur Seligkeit iſt, herausheben, in
die Luͤſte des Verderbens wieder hineinfuͤh-
ren; und alſo das Herze in ſeine vorige
Herrſchaft, und Gewalt bringen moͤchte.
Nein! der HErr decket die Wunden nicht
auf zum Tode, ſondern zum Leben, und
damit er Wein und Oel darein gieſſen, und
die Seele nach dem Leidetragen, auf die
ſeligſte Weiſe ergoͤtzen moͤchte. Fuͤrchte
dich alſo, o Seele! nicht, von deinem Er-
barmer dich in die heilſamen Wege der Buß-
Traurigkeit leiten zu laſſen, er wird dich

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[333/0385] Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. die bange Erfahrung in dem Gewiſſen, von denen traurigen Folgen der Uebertrettun- gen, ſetzet die Seele in eine angſthafte Be- ſtuͤrzung, und zu Zeiten in heftige Schrecken und tiefe Bekuͤmmerniſſe, ſie meynet deſſet- wegen, ſie wuͤrde gar in die Grube der Ver- zweiflung verſinken, wenn ſie noch tiefer in ihren Suͤndenjammer ſollte gefuͤhret wer- den. Sie machet ſich daher genug zu ſchaf- fen, gegen die Empfindung der Angſt ſich zu wehren, ſich derſelben zu entſchlagen, und zur ehemahligen Munterkeit wieder aufzu- richten. Es iſt aber, o Seele! dein Kum- mer, da du fuͤrchteſt in deinem Bußkampf, wegen deinen Suͤnden zu verzweifeln, nichts anders, als eine tuͤckiſche Eingebung des Seelenfeindes, der gerne die armen Men- ſchen aus der goͤttlichen Traurigkeit, die ei- ne Reue zur Seligkeit iſt, herausheben, in die Luͤſte des Verderbens wieder hineinfuͤh- ren; und alſo das Herze in ſeine vorige Herrſchaft, und Gewalt bringen moͤchte. Nein! der HErr decket die Wunden nicht auf zum Tode, ſondern zum Leben, und damit er Wein und Oel darein gieſſen, und die Seele nach dem Leidetragen, auf die ſeligſte Weiſe ergoͤtzen moͤchte. Fuͤrchte dich alſo, o Seele! nicht, von deinem Er- barmer dich in die heilſamen Wege der Buß- Traurigkeit leiten zu laſſen, er wird dich nicht

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/385>, abgerufen am 22.11.2024.