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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. IV. Stück.
angespannet wurden, alle Hindernisse durch-
zubrechen, und nach der Erledigung der
druckenden Last zu sehnen. Jnsonderheit
führten die Anfälle der Feinde, die erreg-
ten Zweifel, und die kindliche Furcht vor
dem verschlossenen Vaterherze, unsere Se-
lige in bußfertiges und anhaltendes Gebet.
Je mehr die Sündenlast die Seele druckte,
je mehr sich Angst im Gewissen erregte, je
mehr die Feinde den Zugang zum Erbar-
men, und zur Gnade verschliessen wollten,
desto kämpfender und brünstiger wurde das
Gebet, desto unabläßiger stunde sie vor der
Gnadenthüre, und desto schmachtender
klopfte sie an dieselbe, und begehrte einge-
lassen zu werden. Das Gesichte von der
Seelennoth, das Gefühl von der Gefahr
ewig verlohren zu gehen, lösete ihre Zunge,
das recht tiefe Seelenverlangen, einen Gna-
denblick zu erhalten, machte sie beredt, ihr
Seelenanliegen auszuschütten, und beweg-
lich, kindlich und herzlich ein Tröpflein aus
dem Meer der Erbarmungen zu schöpfen.
Schiene es schon zu Zeiten, der Heyland
verberge sich, es sey keine Errettung und
Erhörung, wurden ihr schon zu Zeiten die
Stunden lang; so stärkte doch ihre De-
muth und Ausgelährtheit samt der inneren
Ueberzeugung, daß sie entweder sterben,

oder
Y 2

Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
angeſpannet wurden, alle Hinderniſſe durch-
zubrechen, und nach der Erledigung der
druckenden Laſt zu ſehnen. Jnſonderheit
fuͤhrten die Anfaͤlle der Feinde, die erreg-
ten Zweifel, und die kindliche Furcht vor
dem verſchloſſenen Vaterherze, unſere Se-
lige in bußfertiges und anhaltendes Gebet.
Je mehr die Suͤndenlaſt die Seele druckte,
je mehr ſich Angſt im Gewiſſen erregte, je
mehr die Feinde den Zugang zum Erbar-
men, und zur Gnade verſchlieſſen wollten,
deſto kaͤmpfender und bruͤnſtiger wurde das
Gebet, deſto unablaͤßiger ſtunde ſie vor der
Gnadenthuͤre, und deſto ſchmachtender
klopfte ſie an dieſelbe, und begehrte einge-
laſſen zu werden. Das Geſichte von der
Seelennoth, das Gefuͤhl von der Gefahr
ewig verlohren zu gehen, loͤſete ihre Zunge,
das recht tiefe Seelenverlangen, einen Gna-
denblick zu erhalten, machte ſie beredt, ihr
Seelenanliegen auszuſchuͤtten, und beweg-
lich, kindlich und herzlich ein Troͤpflein aus
dem Meer der Erbarmungen zu ſchoͤpfen.
Schiene es ſchon zu Zeiten, der Heyland
verberge ſich, es ſey keine Errettung und
Erhoͤrung, wurden ihr ſchon zu Zeiten die
Stunden lang; ſo ſtaͤrkte doch ihre De-
muth und Ausgelaͤhrtheit ſamt der inneren
Ueberzeugung, daß ſie entweder ſterben,

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[339/0391] Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. angeſpannet wurden, alle Hinderniſſe durch- zubrechen, und nach der Erledigung der druckenden Laſt zu ſehnen. Jnſonderheit fuͤhrten die Anfaͤlle der Feinde, die erreg- ten Zweifel, und die kindliche Furcht vor dem verſchloſſenen Vaterherze, unſere Se- lige in bußfertiges und anhaltendes Gebet. Je mehr die Suͤndenlaſt die Seele druckte, je mehr ſich Angſt im Gewiſſen erregte, je mehr die Feinde den Zugang zum Erbar- men, und zur Gnade verſchlieſſen wollten, deſto kaͤmpfender und bruͤnſtiger wurde das Gebet, deſto unablaͤßiger ſtunde ſie vor der Gnadenthuͤre, und deſto ſchmachtender klopfte ſie an dieſelbe, und begehrte einge- laſſen zu werden. Das Geſichte von der Seelennoth, das Gefuͤhl von der Gefahr ewig verlohren zu gehen, loͤſete ihre Zunge, das recht tiefe Seelenverlangen, einen Gna- denblick zu erhalten, machte ſie beredt, ihr Seelenanliegen auszuſchuͤtten, und beweg- lich, kindlich und herzlich ein Troͤpflein aus dem Meer der Erbarmungen zu ſchoͤpfen. Schiene es ſchon zu Zeiten, der Heyland verberge ſich, es ſey keine Errettung und Erhoͤrung, wurden ihr ſchon zu Zeiten die Stunden lang; ſo ſtaͤrkte doch ihre De- muth und Ausgelaͤhrtheit ſamt der inneren Ueberzeugung, daß ſie entweder ſterben, oder Y 2

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/391>, abgerufen am 22.11.2024.