hat ja den Geist der Gnade und des Gebets in seinem heiligen Verdienste erworben, er ist auch willig dem einfältigsten denselben mitzutheilen.
Es fehlen hier die Menschen auf vieler- ley Weise, einige sind zu träge, das Her- zens-Gebet ist ihnen eine ganz widrige Sache, sie lassen sich einmal über das an- dere rühren, aber sie gehen der Gnade im Gebet nicht nach. Da verfliegen allgemach alle gute Bewegungen wieder, man fällt in die vorige Sicherheit. Aufhören beten, heißt schlafen, da kommt der Feind, und säet Unkraut. Es ist ein Wegwerfen der Waffen, und damit hat der Feind gewon- nen. Andere entschuldigen sich, sie können nicht; da sie doch nie probieren, und um den Geist des Gebets nicht anhalten. Man- cher betet, er richtet aber darmit eine eigne Gerechtigkeit auf, macht es zur Stütze, auf die er sich allein verlässet, ungeachtet er in der größten Leichtsinnigkeit noch in den Tag hinein sündiget.
Aber auch redliche Seelen fehlen in ih- rem Gebet öfters, sonderlich Seelen, die in einem gesetzlichen Zustande sind, sehen sol- che ihre Unwürdigkeit, und die Menge ih- rer Sünden, so meynen sie ihr Gebet sey vergeblich. Was soll ich beten? denket ei- ne ängstliche Seele, da ich mit so vielen
Sün-
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
hat ja den Geiſt der Gnade und des Gebets in ſeinem heiligen Verdienſte erworben, er iſt auch willig dem einfaͤltigſten denſelben mitzutheilen.
Es fehlen hier die Menſchen auf vieler- ley Weiſe, einige ſind zu traͤge, das Her- zens-Gebet iſt ihnen eine ganz widrige Sache, ſie laſſen ſich einmal uͤber das an- dere ruͤhren, aber ſie gehen der Gnade im Gebet nicht nach. Da verfliegen allgemach alle gute Bewegungen wieder, man faͤllt in die vorige Sicherheit. Aufhoͤren beten, heißt ſchlafen, da kommt der Feind, und ſaͤet Unkraut. Es iſt ein Wegwerfen der Waffen, und damit hat der Feind gewon- nen. Andere entſchuldigen ſich, ſie koͤnnen nicht; da ſie doch nie probieren, und um den Geiſt des Gebets nicht anhalten. Man- cher betet, er richtet aber darmit eine eigne Gerechtigkeit auf, macht es zur Stuͤtze, auf die er ſich allein verlaͤſſet, ungeachtet er in der groͤßten Leichtſinnigkeit noch in den Tag hinein ſuͤndiget.
Aber auch redliche Seelen fehlen in ih- rem Gebet oͤfters, ſonderlich Seelen, die in einem geſetzlichen Zuſtande ſind, ſehen ſol- che ihre Unwuͤrdigkeit, und die Menge ih- rer Suͤnden, ſo meynen ſie ihr Gebet ſey vergeblich. Was ſoll ich beten? denket ei- ne aͤngſtliche Seele, da ich mit ſo vielen
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
hat ja den Geiſt der Gnade und des Gebets
in ſeinem heiligen Verdienſte erworben, er
iſt auch willig dem einfaͤltigſten denſelben
mitzutheilen.
Es fehlen hier die Menſchen auf vieler-
ley Weiſe, einige ſind zu traͤge, das Her-
zens-Gebet iſt ihnen eine ganz widrige
Sache, ſie laſſen ſich einmal uͤber das an-
dere ruͤhren, aber ſie gehen der Gnade im
Gebet nicht nach. Da verfliegen allgemach
alle gute Bewegungen wieder, man faͤllt
in die vorige Sicherheit. Aufhoͤren beten,
heißt ſchlafen, da kommt der Feind, und
ſaͤet Unkraut. Es iſt ein Wegwerfen der
Waffen, und damit hat der Feind gewon-
nen. Andere entſchuldigen ſich, ſie koͤnnen
nicht; da ſie doch nie probieren, und um
den Geiſt des Gebets nicht anhalten. Man-
cher betet, er richtet aber darmit eine eigne
Gerechtigkeit auf, macht es zur Stuͤtze, auf
die er ſich allein verlaͤſſet, ungeachtet er in
der groͤßten Leichtſinnigkeit noch in den Tag
hinein ſuͤndiget.
Aber auch redliche Seelen fehlen in ih-
rem Gebet oͤfters, ſonderlich Seelen, die in
einem geſetzlichen Zuſtande ſind, ſehen ſol-
che ihre Unwuͤrdigkeit, und die Menge ih-
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/393>, abgerufen am 22.11.2024.
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