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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Lage, in der er sich befand, noch ungewiß und dunkel; aber in das Dunkel fiel der Schein begründeter Hoffnung, und darum füllte sein Herz ein düsterwohles Gefühl, dem er sich in der Dämmerung gern hingab.

Aus dem traumhaften Zustande weckte ihn der alte Schneider, der allein zurückkam. Diesem war es schon seit einigen Stunden im Kopf herumgegangen, daß die Sache so nicht bleiben könne, und daß er mit dem Burschen reden müsse, um zu sehen, wie sie nun eigentlich mit einander ständen. Einen Theil des Tages hatte er wirklich Scheu getragen, den wunden Punkt zu berühren; aber nach und nach war ihm das Gefühl der väterlichen Gewalt wiedergekommen; er sagte sich, daß dem Burschen gestern nur recht geschehen sei, und daß er das begonnene Werk, wenn auch mit andern Mitteln, heute fortsetzen müsse.

Als er den Sohn in der dunkelnden Stube sah, schien ihm der rechte Moment gekommen. Durch keine Erinnerung mehr befangen, trat er gegen ihn vor und sagte: Es ist gut, daß ich dich allein treff'. Wir Zwei haben noch was mit einander auszumachen. -- Tobias erhob etwas betroffen den Kopf; aber die Wirkung der Anrede war nicht, wie sie der Vater erwartete. Mit einem gewissen Humor erwiderte der Bursche: So? Noch was? -- Der Alte, die Entgegnung verstehend, lächelte spöttisch. Du meinst, versetzte er auf ihn herabsehend, ich wär' schon fertig mit dir? -- Allerdings! antwortete der Sohn. Vorderhand hätt' ich gemeint --.

Lage, in der er sich befand, noch ungewiß und dunkel; aber in das Dunkel fiel der Schein begründeter Hoffnung, und darum füllte sein Herz ein düsterwohles Gefühl, dem er sich in der Dämmerung gern hingab.

Aus dem traumhaften Zustande weckte ihn der alte Schneider, der allein zurückkam. Diesem war es schon seit einigen Stunden im Kopf herumgegangen, daß die Sache so nicht bleiben könne, und daß er mit dem Burschen reden müsse, um zu sehen, wie sie nun eigentlich mit einander ständen. Einen Theil des Tages hatte er wirklich Scheu getragen, den wunden Punkt zu berühren; aber nach und nach war ihm das Gefühl der väterlichen Gewalt wiedergekommen; er sagte sich, daß dem Burschen gestern nur recht geschehen sei, und daß er das begonnene Werk, wenn auch mit andern Mitteln, heute fortsetzen müsse.

Als er den Sohn in der dunkelnden Stube sah, schien ihm der rechte Moment gekommen. Durch keine Erinnerung mehr befangen, trat er gegen ihn vor und sagte: Es ist gut, daß ich dich allein treff'. Wir Zwei haben noch was mit einander auszumachen. — Tobias erhob etwas betroffen den Kopf; aber die Wirkung der Anrede war nicht, wie sie der Vater erwartete. Mit einem gewissen Humor erwiderte der Bursche: So? Noch was? — Der Alte, die Entgegnung verstehend, lächelte spöttisch. Du meinst, versetzte er auf ihn herabsehend, ich wär' schon fertig mit dir? — Allerdings! antwortete der Sohn. Vorderhand hätt' ich gemeint —.

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[0127] Lage, in der er sich befand, noch ungewiß und dunkel; aber in das Dunkel fiel der Schein begründeter Hoffnung, und darum füllte sein Herz ein düsterwohles Gefühl, dem er sich in der Dämmerung gern hingab. Aus dem traumhaften Zustande weckte ihn der alte Schneider, der allein zurückkam. Diesem war es schon seit einigen Stunden im Kopf herumgegangen, daß die Sache so nicht bleiben könne, und daß er mit dem Burschen reden müsse, um zu sehen, wie sie nun eigentlich mit einander ständen. Einen Theil des Tages hatte er wirklich Scheu getragen, den wunden Punkt zu berühren; aber nach und nach war ihm das Gefühl der väterlichen Gewalt wiedergekommen; er sagte sich, daß dem Burschen gestern nur recht geschehen sei, und daß er das begonnene Werk, wenn auch mit andern Mitteln, heute fortsetzen müsse. Als er den Sohn in der dunkelnden Stube sah, schien ihm der rechte Moment gekommen. Durch keine Erinnerung mehr befangen, trat er gegen ihn vor und sagte: Es ist gut, daß ich dich allein treff'. Wir Zwei haben noch was mit einander auszumachen. — Tobias erhob etwas betroffen den Kopf; aber die Wirkung der Anrede war nicht, wie sie der Vater erwartete. Mit einem gewissen Humor erwiderte der Bursche: So? Noch was? — Der Alte, die Entgegnung verstehend, lächelte spöttisch. Du meinst, versetzte er auf ihn herabsehend, ich wär' schon fertig mit dir? — Allerdings! antwortete der Sohn. Vorderhand hätt' ich gemeint —.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/127>, abgerufen am 22.12.2024.