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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Stube verlassen. Noch eins! rief die Frau. Ich brauch' dir nicht erst zu sagen, daß von dem, was passirt ist, nichts bekannt werden darf! -- O, antwortete das Mädchen, ich habe keine Ursach', davon zu reden! -- Aber der Bursch? -- Der wird nicht davon schnaufen, erwiderte die Bäbe mit halbem Lächeln; dafür steh' ich gut. -- Um so besser, versetzte die Frau. Dann können wir hoffen, daß es für jetzt aus ist. --

Der alte und der junge Schneider gingen den ganzen Tag um einander herum, indem sie nur das Nöthigste mit einander sprachen und dabei möglichst vermieden, sich ins Gesicht zu sehen. Beim Abendessen war die Familie stumm: jedes machte sich seine Gedanken. Das Gesicht des Alten drückte Unschlüssigkeit und Unzufriedenheit aus; man sah, daß ihn etwas plagte. Nach dem Tischgebet ging er in den Hof, Kaspar folgte, die Walpurg begab sich in die Küche, und Tobias war allein. Von der Arbeit müde, lehnte er sich in eine Ecke und gab sich seinen Gedanken hin. Er hatte eine Empfindung, die fast ans Angenehme streifte. Mit seinem Verhalten den Tag über konnte er nur zufrieden sein. Er war nicht davon gelaufen -- was er schon der Bäbe wegen nicht durfte! -- aber er hatte sich nicht schwach gezeigt, und es war ihm, als ob jetzt der Alte sich schämte und sich vor ihm scheute. Die Sache konnte nun von selber eine ganz andere Gestalt bekommen. Und wenn das geschah, war ihm doch eigentlich aus den Schlägen das Heil erwachsen! -- Allerdings war die

Stube verlassen. Noch eins! rief die Frau. Ich brauch' dir nicht erst zu sagen, daß von dem, was passirt ist, nichts bekannt werden darf! — O, antwortete das Mädchen, ich habe keine Ursach', davon zu reden! — Aber der Bursch? — Der wird nicht davon schnaufen, erwiderte die Bäbe mit halbem Lächeln; dafür steh' ich gut. — Um so besser, versetzte die Frau. Dann können wir hoffen, daß es für jetzt aus ist. —

Der alte und der junge Schneider gingen den ganzen Tag um einander herum, indem sie nur das Nöthigste mit einander sprachen und dabei möglichst vermieden, sich ins Gesicht zu sehen. Beim Abendessen war die Familie stumm: jedes machte sich seine Gedanken. Das Gesicht des Alten drückte Unschlüssigkeit und Unzufriedenheit aus; man sah, daß ihn etwas plagte. Nach dem Tischgebet ging er in den Hof, Kaspar folgte, die Walpurg begab sich in die Küche, und Tobias war allein. Von der Arbeit müde, lehnte er sich in eine Ecke und gab sich seinen Gedanken hin. Er hatte eine Empfindung, die fast ans Angenehme streifte. Mit seinem Verhalten den Tag über konnte er nur zufrieden sein. Er war nicht davon gelaufen — was er schon der Bäbe wegen nicht durfte! — aber er hatte sich nicht schwach gezeigt, und es war ihm, als ob jetzt der Alte sich schämte und sich vor ihm scheute. Die Sache konnte nun von selber eine ganz andere Gestalt bekommen. Und wenn das geschah, war ihm doch eigentlich aus den Schlägen das Heil erwachsen! — Allerdings war die

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[0126] Stube verlassen. Noch eins! rief die Frau. Ich brauch' dir nicht erst zu sagen, daß von dem, was passirt ist, nichts bekannt werden darf! — O, antwortete das Mädchen, ich habe keine Ursach', davon zu reden! — Aber der Bursch? — Der wird nicht davon schnaufen, erwiderte die Bäbe mit halbem Lächeln; dafür steh' ich gut. — Um so besser, versetzte die Frau. Dann können wir hoffen, daß es für jetzt aus ist. — Der alte und der junge Schneider gingen den ganzen Tag um einander herum, indem sie nur das Nöthigste mit einander sprachen und dabei möglichst vermieden, sich ins Gesicht zu sehen. Beim Abendessen war die Familie stumm: jedes machte sich seine Gedanken. Das Gesicht des Alten drückte Unschlüssigkeit und Unzufriedenheit aus; man sah, daß ihn etwas plagte. Nach dem Tischgebet ging er in den Hof, Kaspar folgte, die Walpurg begab sich in die Küche, und Tobias war allein. Von der Arbeit müde, lehnte er sich in eine Ecke und gab sich seinen Gedanken hin. Er hatte eine Empfindung, die fast ans Angenehme streifte. Mit seinem Verhalten den Tag über konnte er nur zufrieden sein. Er war nicht davon gelaufen — was er schon der Bäbe wegen nicht durfte! — aber er hatte sich nicht schwach gezeigt, und es war ihm, als ob jetzt der Alte sich schämte und sich vor ihm scheute. Die Sache konnte nun von selber eine ganz andere Gestalt bekommen. Und wenn das geschah, war ihm doch eigentlich aus den Schlägen das Heil erwachsen! — Allerdings war die

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/126>, abgerufen am 22.12.2024.