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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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Auch der Grundsatz der Ermuthigung durch den Staat
ersetzt die Concurrenz nicht. Denn die Preise, welche ertheilt
werden, sind nur ein vom Verbraucher erhobenes Trinkgeld.
Wenn dann aber Proudhon hinzusetzt: "Die Concurrenz in ihrer
gegenwärtigen Form muß abgeschafft werden," so scheint er mir
in den Fehler der von ihm so oft bekämpften Vereinslehrer zu-
rückgefallen zu sein. Nicht die Form, sondern nur die nachthei-
ligen Folgen der Concurrenz, wie sie jetzt bestehen, müssen durch
die Gliederung des Umlaufs abgeschafft werden. Als eine solche
gegliederte Concurrenz würde ich die bezeichnen, welche in
den oben erwähnten gemeinsamen Waarenhallen eintritt. Hier ist
Hauptbedingung, daß der Name des Arbeiters dem Käufer, der
des Käufers dem Arbeiter verschwiegen werde, weil sonst der Ein-
zeltausch wieder an die Stelle des gemeinsamen treten würde.
Darum ist aber doch nicht jeder Arbeiter in gleichem Vortheil.
Wer die schönsten Arbeiten macht, wird auch hier am Besten
daran sein. Das Können des Einzelnen verliert nichts von seiner
Ueberlegenheit und seinem Wetteifer, hat keinen engeren Spiel-
raum. Wohl aber wird der Art der Concurrenz Einhalt gethan,
welche durch die Preise zum Schaden Aller wirkt: die nicht Ver-
gesellschafteten werden leicht ausgestochen, wenn sie durch schlechte
Waare Verschleuderungspreise ansetzen wollen.

Was die Concurrenz bei der geistigen Arbeit betrifft,
so sind bis jetzt Künstler, Aerzte, Sachwalter ganz wie die ge-
wöhnlich so genannten arbeitenden Klassen der zufälligen Concur-
renz der Staatswirthschaft überlassen. Die Geistlichen, die Lehrer
des niedern und mittlern Unterrichts, wenn sie einmal die Con-
currenz der Augendienerei gegen den Staat überstanden, sind mit
festem Gehalt ohne Concurrenz angestellt: es sei denn daß sie, wo
das gesetzliche Einrücken in das bessere Gehalt nicht Statt findet,
zur Verbesserung der Stelle jenes Dienen fortzusetzen haben.
Durch eine eigenthümliche Ausnahme tritt nun beim Lehrer der Hoch-
schule der Fall ein, daß, da er theils Ehrensold, theils festes Gehalt
bezieht, Concurrenz und Nicht-Concurrenz mit einander concurriren.
Die edle Concurrenz des Talents und des Fleißes geräth in Kampf
mit der der Augendienerei. Daher es kommen kann, daß junge
Lehrer, welche der ersten Concurrenz nicht genug vertrauen, oder

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Auch der Grundſatz der Ermuthigung durch den Staat
erſetzt die Concurrenz nicht. Denn die Preiſe, welche ertheilt
werden, ſind nur ein vom Verbraucher erhobenes Trinkgeld.
Wenn dann aber Proudhon hinzuſetzt: „Die Concurrenz in ihrer
gegenwärtigen Form muß abgeſchafft werden,‟ ſo ſcheint er mir
in den Fehler der von ihm ſo oft bekämpften Vereinslehrer zu-
rückgefallen zu ſein. Nicht die Form, ſondern nur die nachthei-
ligen Folgen der Concurrenz, wie ſie jetzt beſtehen, müſſen durch
die Gliederung des Umlaufs abgeſchafft werden. Als eine ſolche
gegliederte Concurrenz würde ich die bezeichnen, welche in
den oben erwähnten gemeinſamen Waarenhallen eintritt. Hier iſt
Hauptbedingung, daß der Name des Arbeiters dem Käufer, der
des Käufers dem Arbeiter verſchwiegen werde, weil ſonſt der Ein-
zeltauſch wieder an die Stelle des gemeinſamen treten würde.
Darum iſt aber doch nicht jeder Arbeiter in gleichem Vortheil.
Wer die ſchönſten Arbeiten macht, wird auch hier am Beſten
daran ſein. Das Können des Einzelnen verliert nichts von ſeiner
Ueberlegenheit und ſeinem Wetteifer, hat keinen engeren Spiel-
raum. Wohl aber wird der Art der Concurrenz Einhalt gethan,
welche durch die Preiſe zum Schaden Aller wirkt: die nicht Ver-
geſellſchafteten werden leicht ausgeſtochen, wenn ſie durch ſchlechte
Waare Verſchleuderungspreiſe anſetzen wollen.

Was die Concurrenz bei der geiſtigen Arbeit betrifft,
ſo ſind bis jetzt Künſtler, Aerzte, Sachwalter ganz wie die ge-
wöhnlich ſo genannten arbeitenden Klaſſen der zufälligen Concur-
renz der Staatswirthſchaft überlaſſen. Die Geiſtlichen, die Lehrer
des niedern und mittlern Unterrichts, wenn ſie einmal die Con-
currenz der Augendienerei gegen den Staat überſtanden, ſind mit
feſtem Gehalt ohne Concurrenz angeſtellt: es ſei denn daß ſie, wo
das geſetzliche Einrücken in das beſſere Gehalt nicht Statt findet,
zur Verbeſſerung der Stelle jenes Dienen fortzuſetzen haben.
Durch eine eigenthümliche Ausnahme tritt nun beim Lehrer der Hoch-
ſchule der Fall ein, daß, da er theils Ehrenſold, theils feſtes Gehalt
bezieht, Concurrenz und Nicht-Concurrenz mit einander concurriren.
Die edle Concurrenz des Talents und des Fleißes geräth in Kampf
mit der der Augendienerei. Daher es kommen kann, daß junge
Lehrer, welche der erſten Concurrenz nicht genug vertrauen, oder

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[99/0109] Auch der Grundſatz der Ermuthigung durch den Staat erſetzt die Concurrenz nicht. Denn die Preiſe, welche ertheilt werden, ſind nur ein vom Verbraucher erhobenes Trinkgeld. Wenn dann aber Proudhon hinzuſetzt: „Die Concurrenz in ihrer gegenwärtigen Form muß abgeſchafft werden,‟ ſo ſcheint er mir in den Fehler der von ihm ſo oft bekämpften Vereinslehrer zu- rückgefallen zu ſein. Nicht die Form, ſondern nur die nachthei- ligen Folgen der Concurrenz, wie ſie jetzt beſtehen, müſſen durch die Gliederung des Umlaufs abgeſchafft werden. Als eine ſolche gegliederte Concurrenz würde ich die bezeichnen, welche in den oben erwähnten gemeinſamen Waarenhallen eintritt. Hier iſt Hauptbedingung, daß der Name des Arbeiters dem Käufer, der des Käufers dem Arbeiter verſchwiegen werde, weil ſonſt der Ein- zeltauſch wieder an die Stelle des gemeinſamen treten würde. Darum iſt aber doch nicht jeder Arbeiter in gleichem Vortheil. Wer die ſchönſten Arbeiten macht, wird auch hier am Beſten daran ſein. Das Können des Einzelnen verliert nichts von ſeiner Ueberlegenheit und ſeinem Wetteifer, hat keinen engeren Spiel- raum. Wohl aber wird der Art der Concurrenz Einhalt gethan, welche durch die Preiſe zum Schaden Aller wirkt: die nicht Ver- geſellſchafteten werden leicht ausgeſtochen, wenn ſie durch ſchlechte Waare Verſchleuderungspreiſe anſetzen wollen. Was die Concurrenz bei der geiſtigen Arbeit betrifft, ſo ſind bis jetzt Künſtler, Aerzte, Sachwalter ganz wie die ge- wöhnlich ſo genannten arbeitenden Klaſſen der zufälligen Concur- renz der Staatswirthſchaft überlaſſen. Die Geiſtlichen, die Lehrer des niedern und mittlern Unterrichts, wenn ſie einmal die Con- currenz der Augendienerei gegen den Staat überſtanden, ſind mit feſtem Gehalt ohne Concurrenz angeſtellt: es ſei denn daß ſie, wo das geſetzliche Einrücken in das beſſere Gehalt nicht Statt findet, zur Verbeſſerung der Stelle jenes Dienen fortzuſetzen haben. Durch eine eigenthümliche Ausnahme tritt nun beim Lehrer der Hoch- ſchule der Fall ein, daß, da er theils Ehrenſold, theils feſtes Gehalt bezieht, Concurrenz und Nicht-Concurrenz mit einander concurriren. Die edle Concurrenz des Talents und des Fleißes geräth in Kampf mit der der Augendienerei. Daher es kommen kann, daß junge Lehrer, welche der erſten Concurrenz nicht genug vertrauen, oder 7*

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/109>, abgerufen am 21.11.2024.