Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.Märzereignisse" mit der "königlichen Zustimmung" unseren "heu- Dieses Schwanken zwischen dem Alten und Neuen, statt daß 1 *
Märzereigniſſe‟ mit der „königlichen Zuſtimmung‟ unſeren „heu- Dieſes Schwanken zwiſchen dem Alten und Neuen, ſtatt daß 1 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="3"/> Märzereigniſſe‟ mit der „königlichen Zuſtimmung‟ unſeren „heu-<lb/> tigen ſtaatsrechtlichen Zuſtand verdanken.‟ Dieſer Sieg half in-<lb/> deſſen dieſem Miniſterium durchaus nichts. Durch den ſogleich<lb/> bei Eröffnung der Volksverſammlung am 22. Mai vorgelegten<lb/> Verfaſſungs-Entwurf hatte es ſich unwiederbringlich in der öffent-<lb/> lichen Meinung geſtürzt. Der Sturm des ganzen Volks gegen<lb/> dieſen Entwurf wurde beſonders durch die vorgeſchlagene Zuſam-<lb/> menſetzung der erſten Kammer hervorgerufen, in welcher zu den<lb/> Vorrechten eines Geburtsadels noch die eines Beamten- und<lb/> Geldadels hinzugefügt worden. Sonſt aber iſt es lobend an dem-<lb/> ſelben hervorzuheben, daß die „Lehre vom Belagerungszuſtande‟<lb/> der Geſetzgebung vorbehalten blieb, und in dem dieſe Beſtimmung<lb/> enthaltenden §. 84. doch die Preßfreiheit nicht unter die aufzu-<lb/> hebenden Volksrechte geſetzt wurde. Was aber den Fall dieſer<lb/> Verwaltung noch beſchleunigte, war nicht ſowohl die Zurückberu-<lb/> fung des Prinzen von Preußen, als die Gründe, womit man<lb/> vor den Augen des Volks ſeine frühere Entfernung in ein ganz<lb/> anderes Licht zu ſtellen wagte. Es ſollte auch dies wohl zu<lb/> jenem Vermittelungsſtreben gehören, wonach man glaubte, der<lb/> beſchränkte Unterthanenverſtand ſei annoch nicht im Stande, die<lb/> Gründe höherer Beamten-Staatsklugheit einzuſehen, und es ge-<lb/> nüge, ihn mit Scheingründen zu beſchwichtigen.</p><lb/> <p>Dieſes Schwanken zwiſchen dem Alten und Neuen, ſtatt daß<lb/> entſchieden mit den alten Verwaltungsgrundſätzen hätte gebrochen<lb/> und neue zur Anwendung hätten gebracht werden müſſen, iſt es<lb/> beſonders, was auch im Volke das Mißtrauen nährte, nach drei-<lb/> unddreißigjährigem Harren nun dennoch die ſo lang verſprochenen<lb/> Freiheiten ſich wieder entriſſen zu ſehen. Das Volk fürchtete<lb/> überall den Rückſchritt, eben weil kein Fortſchritt eintrat; und die<lb/> Rückſchrittspartei witterte bei jedem Wunſche nach aufrichtigem<lb/> Fortſchritt das Streben, die erbliche Königswürde abzuſchaffen.<lb/> So bemächtigte ſich des Volks ein Geiſt der Unruhe und der<lb/> Aufregung um der gefährdeten Freiheit willen; und die Rück-<lb/> ſchrittspartei ſah jede Freiheit für eine Gefahr an, weil ſie die<lb/> gemächliche Ruhe des Bevormundungsweſens und Spießbürger-<lb/> thums darin vermißte. Das Miniſterium ſtand thatlos zwiſchen<lb/> dieſen zwei Richtungen in der Mitte, und konnte dem erſten<lb/> <fw place="bottom" type="sig">1 *</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0013]
Märzereigniſſe‟ mit der „königlichen Zuſtimmung‟ unſeren „heu-
tigen ſtaatsrechtlichen Zuſtand verdanken.‟ Dieſer Sieg half in-
deſſen dieſem Miniſterium durchaus nichts. Durch den ſogleich
bei Eröffnung der Volksverſammlung am 22. Mai vorgelegten
Verfaſſungs-Entwurf hatte es ſich unwiederbringlich in der öffent-
lichen Meinung geſtürzt. Der Sturm des ganzen Volks gegen
dieſen Entwurf wurde beſonders durch die vorgeſchlagene Zuſam-
menſetzung der erſten Kammer hervorgerufen, in welcher zu den
Vorrechten eines Geburtsadels noch die eines Beamten- und
Geldadels hinzugefügt worden. Sonſt aber iſt es lobend an dem-
ſelben hervorzuheben, daß die „Lehre vom Belagerungszuſtande‟
der Geſetzgebung vorbehalten blieb, und in dem dieſe Beſtimmung
enthaltenden §. 84. doch die Preßfreiheit nicht unter die aufzu-
hebenden Volksrechte geſetzt wurde. Was aber den Fall dieſer
Verwaltung noch beſchleunigte, war nicht ſowohl die Zurückberu-
fung des Prinzen von Preußen, als die Gründe, womit man
vor den Augen des Volks ſeine frühere Entfernung in ein ganz
anderes Licht zu ſtellen wagte. Es ſollte auch dies wohl zu
jenem Vermittelungsſtreben gehören, wonach man glaubte, der
beſchränkte Unterthanenverſtand ſei annoch nicht im Stande, die
Gründe höherer Beamten-Staatsklugheit einzuſehen, und es ge-
nüge, ihn mit Scheingründen zu beſchwichtigen.
Dieſes Schwanken zwiſchen dem Alten und Neuen, ſtatt daß
entſchieden mit den alten Verwaltungsgrundſätzen hätte gebrochen
und neue zur Anwendung hätten gebracht werden müſſen, iſt es
beſonders, was auch im Volke das Mißtrauen nährte, nach drei-
unddreißigjährigem Harren nun dennoch die ſo lang verſprochenen
Freiheiten ſich wieder entriſſen zu ſehen. Das Volk fürchtete
überall den Rückſchritt, eben weil kein Fortſchritt eintrat; und die
Rückſchrittspartei witterte bei jedem Wunſche nach aufrichtigem
Fortſchritt das Streben, die erbliche Königswürde abzuſchaffen.
So bemächtigte ſich des Volks ein Geiſt der Unruhe und der
Aufregung um der gefährdeten Freiheit willen; und die Rück-
ſchrittspartei ſah jede Freiheit für eine Gefahr an, weil ſie die
gemächliche Ruhe des Bevormundungsweſens und Spießbürger-
thums darin vermißte. Das Miniſterium ſtand thatlos zwiſchen
dieſen zwei Richtungen in der Mitte, und konnte dem erſten
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