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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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Athenischen Prytaneum erhalten werden. Wollen sie in ihren Fa-
milien bleiben, so erhalten sie etwa zwei Drittel ihres bisherigen
Einkommens. Vermögende und die eine sonstige Rente ziehen,
erhalten, wenn auch weniger, doch wohl immer so viel, daß sie
des Lohns ihrer Ersparnisse nicht verlustig gehen.

Nicht die Beamten allein haben Recht auf den Ruhestand,
sondern jeder Arbeiter, wie denn ihr Unterschied auch zu verschwin-
den bestimmt ist. Wenn durch die Gliederung des Umlaufs Alle
für Alle einstehen, so braucht man nicht mehr zu fragen, wo das
Geld dazu herkommen soll, -- ganz abgesehen davon, daß in einem
gut gegliederten Staate keine Pfründen vergeben, keine Millionen
(ich komme immer wieder darauf zurück) in stehende Heere vergeudet
und an müßige Arbeitsfähige vertheilt werden, wie die vielen
Ruhestandsgelder junger Officiere, und die ungeheuren Summen
an eine Menge ausgetretener Minister.

c. Die Gliederung des Genusses.

Der Ruhestand muß aber nicht nur am Abend des Lebens,
nach den vollbrachten Kämpfen desselben, sondern auch schon für den
kräftigen Arbeiter am Abend jedes Tages eintreten. Der
Zweck der Arbeit ist der Genuß, und er muß dem vollbrachten
Tagewerke folgen. Der Genuß muß ebenso gegliedert sein als
die Arbeit, und damit ist erst die gesellschaftliche Frage vollkom-
men gelöst.

Die Gemeinde oder ihre einzelnen Bezirke, wenn sie zu groß
ist, haben ihre Zusammenkünfte für staatliche Angelegenheiten; sie
wählen die Gemeinde-Behörde, die Stadtverordneten, und die Ge-
setzgeber für den Staat und den ganzen Bund. Neben dieser
staatlichen Wirksamkeit steht die gesellschaftliche Ordnung, wo die
Gemeindeglieder nach ihren Arbeitszweigen zusammentreten, um ihre
Vereinsvorstände und die gewerblichen Gemeinderäthe zu wählen.
An diese beiden öffentlichen Thätigkeiten muß sich nun auch die
gesellige schließen, und hoffentlich wird sie bei uns nicht wie
nach den ersten Wahlen wieder einschlafen.

Der Genuß theilt sich in die öffentliche Geselligkeit und das
Familienleben. Die Frau steht hier als die Förderin des
Genusses an der Spitze. Das Familienleben soll nicht hintenange-

Atheniſchen Prytaneum erhalten werden. Wollen ſie in ihren Fa-
milien bleiben, ſo erhalten ſie etwa zwei Drittel ihres bisherigen
Einkommens. Vermögende und die eine ſonſtige Rente ziehen,
erhalten, wenn auch weniger, doch wohl immer ſo viel, daß ſie
des Lohns ihrer Erſparniſſe nicht verluſtig gehen.

Nicht die Beamten allein haben Recht auf den Ruheſtand,
ſondern jeder Arbeiter, wie denn ihr Unterſchied auch zu verſchwin-
den beſtimmt iſt. Wenn durch die Gliederung des Umlaufs Alle
für Alle einſtehen, ſo braucht man nicht mehr zu fragen, wo das
Geld dazu herkommen ſoll, — ganz abgeſehen davon, daß in einem
gut gegliederten Staate keine Pfründen vergeben, keine Millionen
(ich komme immer wieder darauf zurück) in ſtehende Heere vergeudet
und an müßige Arbeitsfähige vertheilt werden, wie die vielen
Ruheſtandsgelder junger Officiere, und die ungeheuren Summen
an eine Menge ausgetretener Miniſter.

c. Die Gliederung des Genuſſes.

Der Ruheſtand muß aber nicht nur am Abend des Lebens,
nach den vollbrachten Kämpfen deſſelben, ſondern auch ſchon für den
kräftigen Arbeiter am Abend jedes Tages eintreten. Der
Zweck der Arbeit iſt der Genuß, und er muß dem vollbrachten
Tagewerke folgen. Der Genuß muß ebenſo gegliedert ſein als
die Arbeit, und damit iſt erſt die geſellſchaftliche Frage vollkom-
men gelöſt.

Die Gemeinde oder ihre einzelnen Bezirke, wenn ſie zu groß
iſt, haben ihre Zuſammenkünfte für ſtaatliche Angelegenheiten; ſie
wählen die Gemeinde-Behörde, die Stadtverordneten, und die Ge-
ſetzgeber für den Staat und den ganzen Bund. Neben dieſer
ſtaatlichen Wirkſamkeit ſteht die geſellſchaftliche Ordnung, wo die
Gemeindeglieder nach ihren Arbeitszweigen zuſammentreten, um ihre
Vereinsvorſtände und die gewerblichen Gemeinderäthe zu wählen.
An dieſe beiden öffentlichen Thätigkeiten muß ſich nun auch die
geſellige ſchließen, und hoffentlich wird ſie bei uns nicht wie
nach den erſten Wahlen wieder einſchlafen.

Der Genuß theilt ſich in die öffentliche Geſelligkeit und das
Familienleben. Die Frau ſteht hier als die Förderin des
Genuſſes an der Spitze. Das Familienleben ſoll nicht hintenange-

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[124/0134] Atheniſchen Prytaneum erhalten werden. Wollen ſie in ihren Fa- milien bleiben, ſo erhalten ſie etwa zwei Drittel ihres bisherigen Einkommens. Vermögende und die eine ſonſtige Rente ziehen, erhalten, wenn auch weniger, doch wohl immer ſo viel, daß ſie des Lohns ihrer Erſparniſſe nicht verluſtig gehen. Nicht die Beamten allein haben Recht auf den Ruheſtand, ſondern jeder Arbeiter, wie denn ihr Unterſchied auch zu verſchwin- den beſtimmt iſt. Wenn durch die Gliederung des Umlaufs Alle für Alle einſtehen, ſo braucht man nicht mehr zu fragen, wo das Geld dazu herkommen ſoll, — ganz abgeſehen davon, daß in einem gut gegliederten Staate keine Pfründen vergeben, keine Millionen (ich komme immer wieder darauf zurück) in ſtehende Heere vergeudet und an müßige Arbeitsfähige vertheilt werden, wie die vielen Ruheſtandsgelder junger Officiere, und die ungeheuren Summen an eine Menge ausgetretener Miniſter. c. Die Gliederung des Genuſſes. Der Ruheſtand muß aber nicht nur am Abend des Lebens, nach den vollbrachten Kämpfen deſſelben, ſondern auch ſchon für den kräftigen Arbeiter am Abend jedes Tages eintreten. Der Zweck der Arbeit iſt der Genuß, und er muß dem vollbrachten Tagewerke folgen. Der Genuß muß ebenſo gegliedert ſein als die Arbeit, und damit iſt erſt die geſellſchaftliche Frage vollkom- men gelöſt. Die Gemeinde oder ihre einzelnen Bezirke, wenn ſie zu groß iſt, haben ihre Zuſammenkünfte für ſtaatliche Angelegenheiten; ſie wählen die Gemeinde-Behörde, die Stadtverordneten, und die Ge- ſetzgeber für den Staat und den ganzen Bund. Neben dieſer ſtaatlichen Wirkſamkeit ſteht die geſellſchaftliche Ordnung, wo die Gemeindeglieder nach ihren Arbeitszweigen zuſammentreten, um ihre Vereinsvorſtände und die gewerblichen Gemeinderäthe zu wählen. An dieſe beiden öffentlichen Thätigkeiten muß ſich nun auch die geſellige ſchließen, und hoffentlich wird ſie bei uns nicht wie nach den erſten Wahlen wieder einſchlafen. Der Genuß theilt ſich in die öffentliche Geſelligkeit und das Familienleben. Die Frau ſteht hier als die Förderin des Genuſſes an der Spitze. Das Familienleben ſoll nicht hintenange-

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/134>, abgerufen am 17.05.2024.