Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.studirt und ihr Handeln danach eingerichtet hätten. Aber dann Zum Unglück hatte die Preußische Volksvertretung auf Uh- ſtudirt und ihr Handeln danach eingerichtet hätten. Aber dann Zum Unglück hatte die Preußiſche Volksvertretung auf Uh- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="6"/> ſtudirt und ihr Handeln danach eingerichtet hätten. Aber dann<lb/> hätten ſie auch wiſſen müſſen, daß eine Verfaſſung nicht ſo ſchnell,<lb/> nicht in ſechs Monaten geſchaffen werden kann unter einem Volke,<lb/> wo alles neu zu machen iſt. Haben die Franzoſen ſie jetzt in einem<lb/> halben Jahre zu Stande gebracht, ſo iſt zu bemerken, daß ſie im<lb/> ſechzigſten Jahre ihrer Staatsumwälzungen ſtehen, und alſo ein gut<lb/> Stück Erfahrung vor uns voraus haben; mit ſolchen ſchweren<lb/> Opfern haben ſie das Lob praktiſcherer Menſchen erkauft, und<lb/> endlich Ausſicht, fernern Erſchütterungen zu entgehen. Und wie<lb/> lange Jahre hat das Beamtenthum ſich mit Umſchmelzung des<lb/> Preußiſchen Landrechts beſchäftigt, ohne je zu Stande zu kommen?</p><lb/> <p>Zum Unglück hatte die Preußiſche Volksvertretung auf <hi rendition="#g">Uh-<lb/> lich</hi>’s Antrag nach den erwähnten thätlichen Beleidigungen jener<lb/> Abgeordneten den ſehr vernünftigen Beſchluß gefaßt, ſich jede<lb/> Schutzwache zu verbitten und ſich dem Rechtsgefühl des Berliner<lb/> Volks anzuvertrauen. Dies Vertrauen hatte ſie nicht getäuſcht.<lb/> Die Verſammlung blieb ſeitdem unverletzt. Aber die Rückſchritts-<lb/> partei, die ſtets verdächtigt, ſah darin ſchon damals das Streben<lb/> der Verſammlung, ſich auf die unmittelbare Gewalt des Volkes zu<lb/> ſtützen. Dazu kam, daß die Führer des Volks und die Männer<lb/> des Widerſtands ihre Rollen vertauſcht zu haben ſchienen. Die<lb/> Volksredner ermahnten das Volk ſtets zur Ruhe, zur Geſetzlich-<lb/> keit; — natürlich, ſie ſahen ja, wie die Volksfreiheiten auf dem<lb/> ruhigen Wege der Berathung der Volksvertreter ſich allmählig<lb/> entwickelten. Das brachte die Rückſchrittspartei eben am meiſten<lb/> in Verzweifelung. Das konnte ſie nicht ertragen. Die Gerüchte<lb/> von vornehmen Herren, welche Arbeiter mit vielem Gelde beſta-<lb/> chen und trunken machten, um Unruhen zu ſtiften, häuften ſich im-<lb/> mer mehr. Gerichtlich ſteht bis jetzt nur dies feſt, daß Graf<lb/> Bresler, einem Rückſchritts-Klub angehörig, verurtheilt worden,<lb/> weil er zum Bau einer Barrikade aufgefordert hat: der Lehrer<lb/> Erdtmann am 31. October die Arbeiter zu dem Aufruhr gereizt<lb/> hatte, den die Führer der volksthümlichen Partei eben verhindern<lb/> wollten. Daß Soldaten im trunkenen Zuſtande aufgeſtachelt wor-<lb/> den waren, in einen volksthümlichen Bürgerverein zu Potsdam<lb/> einzudringen und die gröbſten Ausſchweifungen zu begehen, liegt<lb/> auch außer allem Zweifel.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [6/0016]
ſtudirt und ihr Handeln danach eingerichtet hätten. Aber dann
hätten ſie auch wiſſen müſſen, daß eine Verfaſſung nicht ſo ſchnell,
nicht in ſechs Monaten geſchaffen werden kann unter einem Volke,
wo alles neu zu machen iſt. Haben die Franzoſen ſie jetzt in einem
halben Jahre zu Stande gebracht, ſo iſt zu bemerken, daß ſie im
ſechzigſten Jahre ihrer Staatsumwälzungen ſtehen, und alſo ein gut
Stück Erfahrung vor uns voraus haben; mit ſolchen ſchweren
Opfern haben ſie das Lob praktiſcherer Menſchen erkauft, und
endlich Ausſicht, fernern Erſchütterungen zu entgehen. Und wie
lange Jahre hat das Beamtenthum ſich mit Umſchmelzung des
Preußiſchen Landrechts beſchäftigt, ohne je zu Stande zu kommen?
Zum Unglück hatte die Preußiſche Volksvertretung auf Uh-
lich’s Antrag nach den erwähnten thätlichen Beleidigungen jener
Abgeordneten den ſehr vernünftigen Beſchluß gefaßt, ſich jede
Schutzwache zu verbitten und ſich dem Rechtsgefühl des Berliner
Volks anzuvertrauen. Dies Vertrauen hatte ſie nicht getäuſcht.
Die Verſammlung blieb ſeitdem unverletzt. Aber die Rückſchritts-
partei, die ſtets verdächtigt, ſah darin ſchon damals das Streben
der Verſammlung, ſich auf die unmittelbare Gewalt des Volkes zu
ſtützen. Dazu kam, daß die Führer des Volks und die Männer
des Widerſtands ihre Rollen vertauſcht zu haben ſchienen. Die
Volksredner ermahnten das Volk ſtets zur Ruhe, zur Geſetzlich-
keit; — natürlich, ſie ſahen ja, wie die Volksfreiheiten auf dem
ruhigen Wege der Berathung der Volksvertreter ſich allmählig
entwickelten. Das brachte die Rückſchrittspartei eben am meiſten
in Verzweifelung. Das konnte ſie nicht ertragen. Die Gerüchte
von vornehmen Herren, welche Arbeiter mit vielem Gelde beſta-
chen und trunken machten, um Unruhen zu ſtiften, häuften ſich im-
mer mehr. Gerichtlich ſteht bis jetzt nur dies feſt, daß Graf
Bresler, einem Rückſchritts-Klub angehörig, verurtheilt worden,
weil er zum Bau einer Barrikade aufgefordert hat: der Lehrer
Erdtmann am 31. October die Arbeiter zu dem Aufruhr gereizt
hatte, den die Führer der volksthümlichen Partei eben verhindern
wollten. Daß Soldaten im trunkenen Zuſtande aufgeſtachelt wor-
den waren, in einen volksthümlichen Bürgerverein zu Potsdam
einzudringen und die gröbſten Ausſchweifungen zu begehen, liegt
auch außer allem Zweifel.
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