Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.Dieser Lehre zufolge ist eigentlich alles Eigenthum abge- Gegen das schriftstellerische Eigenthum tritt er nicht minder Dieſer Lehre zufolge iſt eigentlich alles Eigenthum abge- Gegen das ſchriftſtelleriſche Eigenthum tritt er nicht minder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0090" n="80"/> <p>Dieſer Lehre zufolge iſt eigentlich alles Eigenthum abge-<lb/> ſchafft; es iſt nur Staatseigenthum oder Eigenthum der Geſell-<lb/> ſchaft. Denn dem Staate gehört allein die Jnitiative; die öffent-<lb/> lichen Werkſtätten verdrängen die der Einzelnen, deren Gewerbfleiß<lb/> durch die Concurrenz mit dem des ganzen Volks aufgehoben wird.<lb/> So ſagt Louis Blanc auch, es ſei armſelig, den Verein auf die<lb/> Concurrenz zu pfropfen. Der Verein ſei nur ein Fortſchritt, wenn<lb/> er allgemein werde; die Concurrenz der Einzelnen gegen Einzelne,<lb/> oder der Geſellſchaften gegen Geſellſchaften bleibe gleich ſchädlich.<lb/> Die Concurrenz iſt ihm alſo nur der Wetteifer in den öffentlichen<lb/> Werkſtätten.</p><lb/> <p>Gegen das ſchriftſtelleriſche Eigenthum tritt er nicht minder<lb/> auf, als gegen das körperliche. Schriftſteller, ſagt er, ſeien keine<lb/> Handwerker, und müſſen keine materielle Belohnung in Anſpruch<lb/> nehmen. Der Schriftſteller habe das Recht der Herrſchaft über<lb/> die Welt, den Umfang des geiſtigen Verbrauchs könne man nicht<lb/> beſtimmen. Ein gebrauchter Gedanke verſchwinde nicht, ſondern<lb/> wachſe vielmehr und breite ſich zeitlich und räumlich aus. Wenn<lb/> man ihm die Welt zum Verbraucher gebe, ſo werde er unerſchöpf-<lb/> lich wie die Natur, unſterblich wie die Gottheit. — Das iſt<lb/> richtig. Von dem Eigenthum der Gedanken iſt aber noch unter-<lb/> ſchieden das Recht der Vervielfältigung ihrer ſinnlichen Zeichen.<lb/> Dieſes Recht iſt nicht, wie der Gedanke ſelbſt, durch deſſen Ver-<lb/> öffentlichung ins allgemeine Eigenthum übergegangen. Ganz<lb/> folgerichtig will auch hier Louis Blanc nur den Geſellſchafts-<lb/> Buchhandel geſtatten, und den Gewinn unter die Mitglieder ver-<lb/> theilen laſſen. Er will dem Schriftſteller keinen Ehrenſold zu-<lb/> geſtehen; wenn ein Schriftſteller ſich nicht ernähren könne durch<lb/> Vermögen, ſo möge er auch ein anderes Geſchäft treiben. Der Preis<lb/> des Buchs ſoll durch den Staat beſtimmt werden, ein Ausſchuß aufge-<lb/> klärter Männer, welche die Geſetzgebung wählt, das Buch prüfen,<lb/> und der Staat eine Kaſſe für öffentliche Belohnungen des Schrift-<lb/> ſtellers und Preiſe der Buchhandlung ſtiften, wenn das Buch gut<lb/> befunden wird. Kurz, auch Louis Blanc will den Staat, die<lb/> Geſellſchaft an die Stelle der perſönlichen Freiheit ſetzen; was<lb/> gerade das Umgekehrte der Staatswirthſchaft iſt. Jn der Wiſſen-<lb/> ſchaft der Geſellſchaft haben wir nun beide Einſeitigkeiten zu ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0090]
Dieſer Lehre zufolge iſt eigentlich alles Eigenthum abge-
ſchafft; es iſt nur Staatseigenthum oder Eigenthum der Geſell-
ſchaft. Denn dem Staate gehört allein die Jnitiative; die öffent-
lichen Werkſtätten verdrängen die der Einzelnen, deren Gewerbfleiß
durch die Concurrenz mit dem des ganzen Volks aufgehoben wird.
So ſagt Louis Blanc auch, es ſei armſelig, den Verein auf die
Concurrenz zu pfropfen. Der Verein ſei nur ein Fortſchritt, wenn
er allgemein werde; die Concurrenz der Einzelnen gegen Einzelne,
oder der Geſellſchaften gegen Geſellſchaften bleibe gleich ſchädlich.
Die Concurrenz iſt ihm alſo nur der Wetteifer in den öffentlichen
Werkſtätten.
Gegen das ſchriftſtelleriſche Eigenthum tritt er nicht minder
auf, als gegen das körperliche. Schriftſteller, ſagt er, ſeien keine
Handwerker, und müſſen keine materielle Belohnung in Anſpruch
nehmen. Der Schriftſteller habe das Recht der Herrſchaft über
die Welt, den Umfang des geiſtigen Verbrauchs könne man nicht
beſtimmen. Ein gebrauchter Gedanke verſchwinde nicht, ſondern
wachſe vielmehr und breite ſich zeitlich und räumlich aus. Wenn
man ihm die Welt zum Verbraucher gebe, ſo werde er unerſchöpf-
lich wie die Natur, unſterblich wie die Gottheit. — Das iſt
richtig. Von dem Eigenthum der Gedanken iſt aber noch unter-
ſchieden das Recht der Vervielfältigung ihrer ſinnlichen Zeichen.
Dieſes Recht iſt nicht, wie der Gedanke ſelbſt, durch deſſen Ver-
öffentlichung ins allgemeine Eigenthum übergegangen. Ganz
folgerichtig will auch hier Louis Blanc nur den Geſellſchafts-
Buchhandel geſtatten, und den Gewinn unter die Mitglieder ver-
theilen laſſen. Er will dem Schriftſteller keinen Ehrenſold zu-
geſtehen; wenn ein Schriftſteller ſich nicht ernähren könne durch
Vermögen, ſo möge er auch ein anderes Geſchäft treiben. Der Preis
des Buchs ſoll durch den Staat beſtimmt werden, ein Ausſchuß aufge-
klärter Männer, welche die Geſetzgebung wählt, das Buch prüfen,
und der Staat eine Kaſſe für öffentliche Belohnungen des Schrift-
ſtellers und Preiſe der Buchhandlung ſtiften, wenn das Buch gut
befunden wird. Kurz, auch Louis Blanc will den Staat, die
Geſellſchaft an die Stelle der perſönlichen Freiheit ſetzen; was
gerade das Umgekehrte der Staatswirthſchaft iſt. Jn der Wiſſen-
ſchaft der Geſellſchaft haben wir nun beide Einſeitigkeiten zu ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |