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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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Wie ist dies zu bewerkstelligen? Das Geld als Tausch-
mittel ist Maaß des Werthes. Jndem das Geld aber ein gerin-
geren Schwankungen unterworfener Maaßstab des Werths wurde,
als die übrigen Dinge, so erzeugte sich daraus das Königthum
des Geldes. Für Geld kann man alle Dinge bekommen; und
dies ist viel leichter, als die Waaren zu Gelde zu machen. Alle
Waaren müssen sich Procent-Abzüge gegen das Geld gefallen
lassen; und so gehört alles Eigenthum dem Gelde. Die Frage
ist also, wie das Geld von diesem Throne gestürzt, aus seiner
metallenen Fleischwerdung befreit werden kann. Jn der Welt der
Gleichheit ist dies Vorrecht gestrichen. Die geltende Waare ist
Geld. Alle Werthe müssen die Geltung des Geldes bekommen,
alle Dinge einen stets zu verwirklichenden Geldeswerth darstellen.
Dann fällt das Geld wieder zum Zeichen herab, und es giebt
auf der Welt so viel Geld, als Werth. Die Verwirklichung
dieses Satzes ist die Lösung der gesellschaftlichen Frage und der
vollkommene Zustand der Gesellschaft. Jeder hätte dann so viel
Geld als Werth, d. h. so viel als er verdient. Wenn Jeder von
seiner Arbeit lebt, ist das Proletariat unmöglich. Die Forderung
der austheilenden Gerechtigkeit wäre erfüllt, die Verhältnißmäßig-
keit der Werthe gefunden. Wie kommt diese zu Stande? Wir
können dies durch eine dreifache Formel ausdrücken:

Angebot und Begehr müssen sich das Gleichgewicht halten;
zwischen Arbeitskraft und Erzeugnissen muß das richtige Ver-
hältniß stattfinden; der Tauschwerth einer Sache muß ihrem
Nutzwerthe entsprechen.

Aus dem Kampfe von Tauschwerth und Nutzwerth fließt nun
alles Elend der Gesellschaft; sie müssen daher ausgeglichen werden.
Ohne Möglichkeit des Tausches ist die Brauchbarkeit einer Sache
gleich Null. Die Vermehrung der Werthe ist ihre Herabsetzung
im Tausche. Umgekehrt, wenn die Erzeugung sich vermindert, so
steigt der Tauschwerth. Nutzwerth und Tauschwerth stehen daher
in umgekehrtem Verhältnisse. Dieser Widerspruch ist nothwendig. Die
Veränderlichkeit des Werths ist das Zeichen seiner Feststellbarkeit.
Die Veränderlichkeit des Werths ist nicht das letzte Wort in der Wissen-
schaft, sondern das erste. Die immer entstehenden Schwankungen des
Tauschwerthes sollen immer verschwinden; sie verschwinden, wenn nur

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Wie iſt dies zu bewerkſtelligen? Das Geld als Tauſch-
mittel iſt Maaß des Werthes. Jndem das Geld aber ein gerin-
geren Schwankungen unterworfener Maaßſtab des Werths wurde,
als die übrigen Dinge, ſo erzeugte ſich daraus das Königthum
des Geldes. Für Geld kann man alle Dinge bekommen; und
dies iſt viel leichter, als die Waaren zu Gelde zu machen. Alle
Waaren müſſen ſich Procent-Abzüge gegen das Geld gefallen
laſſen; und ſo gehört alles Eigenthum dem Gelde. Die Frage
iſt alſo, wie das Geld von dieſem Throne geſtürzt, aus ſeiner
metallenen Fleiſchwerdung befreit werden kann. Jn der Welt der
Gleichheit iſt dies Vorrecht geſtrichen. Die geltende Waare iſt
Geld. Alle Werthe müſſen die Geltung des Geldes bekommen,
alle Dinge einen ſtets zu verwirklichenden Geldeswerth darſtellen.
Dann fällt das Geld wieder zum Zeichen herab, und es giebt
auf der Welt ſo viel Geld, als Werth. Die Verwirklichung
dieſes Satzes iſt die Löſung der geſellſchaftlichen Frage und der
vollkommene Zuſtand der Geſellſchaft. Jeder hätte dann ſo viel
Geld als Werth, d. h. ſo viel als er verdient. Wenn Jeder von
ſeiner Arbeit lebt, iſt das Proletariat unmöglich. Die Forderung
der austheilenden Gerechtigkeit wäre erfüllt, die Verhältnißmäßig-
keit der Werthe gefunden. Wie kommt dieſe zu Stande? Wir
können dies durch eine dreifache Formel ausdrücken:

Angebot und Begehr müſſen ſich das Gleichgewicht halten;
zwiſchen Arbeitskraft und Erzeugniſſen muß das richtige Ver-
hältniß ſtattfinden; der Tauſchwerth einer Sache muß ihrem
Nutzwerthe entſprechen.

Aus dem Kampfe von Tauſchwerth und Nutzwerth fließt nun
alles Elend der Geſellſchaft; ſie müſſen daher ausgeglichen werden.
Ohne Möglichkeit des Tauſches iſt die Brauchbarkeit einer Sache
gleich Null. Die Vermehrung der Werthe iſt ihre Herabſetzung
im Tauſche. Umgekehrt, wenn die Erzeugung ſich vermindert, ſo
ſteigt der Tauſchwerth. Nutzwerth und Tauſchwerth ſtehen daher
in umgekehrtem Verhältniſſe. Dieſer Widerſpruch iſt nothwendig. Die
Veränderlichkeit des Werths iſt das Zeichen ſeiner Feſtſtellbarkeit.
Die Veränderlichkeit des Werths iſt nicht das letzte Wort in der Wiſſen-
ſchaft, ſondern das erſte. Die immer entſtehenden Schwankungen des
Tauſchwerthes ſollen immer verſchwinden; ſie verſchwinden, wenn nur

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[83/0093] Wie iſt dies zu bewerkſtelligen? Das Geld als Tauſch- mittel iſt Maaß des Werthes. Jndem das Geld aber ein gerin- geren Schwankungen unterworfener Maaßſtab des Werths wurde, als die übrigen Dinge, ſo erzeugte ſich daraus das Königthum des Geldes. Für Geld kann man alle Dinge bekommen; und dies iſt viel leichter, als die Waaren zu Gelde zu machen. Alle Waaren müſſen ſich Procent-Abzüge gegen das Geld gefallen laſſen; und ſo gehört alles Eigenthum dem Gelde. Die Frage iſt alſo, wie das Geld von dieſem Throne geſtürzt, aus ſeiner metallenen Fleiſchwerdung befreit werden kann. Jn der Welt der Gleichheit iſt dies Vorrecht geſtrichen. Die geltende Waare iſt Geld. Alle Werthe müſſen die Geltung des Geldes bekommen, alle Dinge einen ſtets zu verwirklichenden Geldeswerth darſtellen. Dann fällt das Geld wieder zum Zeichen herab, und es giebt auf der Welt ſo viel Geld, als Werth. Die Verwirklichung dieſes Satzes iſt die Löſung der geſellſchaftlichen Frage und der vollkommene Zuſtand der Geſellſchaft. Jeder hätte dann ſo viel Geld als Werth, d. h. ſo viel als er verdient. Wenn Jeder von ſeiner Arbeit lebt, iſt das Proletariat unmöglich. Die Forderung der austheilenden Gerechtigkeit wäre erfüllt, die Verhältnißmäßig- keit der Werthe gefunden. Wie kommt dieſe zu Stande? Wir können dies durch eine dreifache Formel ausdrücken: Angebot und Begehr müſſen ſich das Gleichgewicht halten; zwiſchen Arbeitskraft und Erzeugniſſen muß das richtige Ver- hältniß ſtattfinden; der Tauſchwerth einer Sache muß ihrem Nutzwerthe entſprechen. Aus dem Kampfe von Tauſchwerth und Nutzwerth fließt nun alles Elend der Geſellſchaft; ſie müſſen daher ausgeglichen werden. Ohne Möglichkeit des Tauſches iſt die Brauchbarkeit einer Sache gleich Null. Die Vermehrung der Werthe iſt ihre Herabſetzung im Tauſche. Umgekehrt, wenn die Erzeugung ſich vermindert, ſo ſteigt der Tauſchwerth. Nutzwerth und Tauſchwerth ſtehen daher in umgekehrtem Verhältniſſe. Dieſer Widerſpruch iſt nothwendig. Die Veränderlichkeit des Werths iſt das Zeichen ſeiner Feſtſtellbarkeit. Die Veränderlichkeit des Werths iſt nicht das letzte Wort in der Wiſſen- ſchaft, ſondern das erſte. Die immer entſtehenden Schwankungen des Tauſchwerthes ſollen immer verſchwinden; ſie verſchwinden, wenn nur 6*

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/93>, abgerufen am 21.11.2024.