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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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IV. Schneebrillen -- Fußwanderung.
Augen gegen das blendende Licht sonnenbeschienener Schnee-
felder besser durch Brillen mit grauen Gläsern
(Rauchbrillen) geschützt werden, ist längst festgestellt. Hinweg
also mit den grünen und blauen Flatterlappen, für lästige
Verschleierungen sorgen die Nebel schon hinlänglich. Diese
Gläser sind in mehren Schattirungen zu haben; ich wähle
eine mittlere, nicht zu dunkle. -- Den minder als die Ge-
sichtshaut abgehärteten Hals entblößt anhaltendem Sonnen-
brand auszusetzen, ist nicht gut. Die Hände können gegen
Braunwerden durch Leinwandhandschuhe geschützt werden.

Einer Lobrede auf das Fußwandern bedarf es hier
nicht, denn sie fehlt in keinem Reisehandbuche, und alle Welt
weiß, daß diese Art der Bewegung die gesundeste, Geist und
Körper erfrischendste und bildendste, daß sie eine Unabhängig-
keit gewährt und Genüsse bereitet, welche der Fahrende nicht
kennt, daß der Wanderer leichter bekannt wird mit den und
dem Einheimischen, daß sie ein "tonisirendes" Mittel nach
starken Gemüthsaufregungen, auch sehr geeignet ist, vor
großen Entschlüssen den Geist zu sammeln und zu schärfen.
Eher wäre daran zu erinnern, daß die Wanderung immer
erst von einem geeigneten Punkte angetreten werden und nicht,
"weil es ja doch eine Fußreise sein soll," immer und immer
gelaufen werden muß, ferner, daß Neulinge das Pensum der
ersten Tage nicht zu stark nehmen und es erst allmählich
steigern dürfen, vor Allem, daß in der Bewegung Maß zu
halten ist. Doch davon später.

Reisebücher, die in alten Auflagen und Vorurtheilen be-
fangen sind, munkeln noch immer, daß Fußwanderer von
Wirthen oft nicht "für voll" angesehen und nachlässig be-
handelt würden. Aengstlichkeiten der Art, geliebter Reise-
schüler, verbanne nur ganz aus Deinem Gemüthe und sei
überzeugt, daß in allen deutschen Gebirgen, den Alpen, Pyre-
näen
, Apenninen, Sabinerbergen etc. heutzutage kein Wirth
mehr lebt, der nicht sehr wohl zu unterscheiden wüßte zwischen
Fußtouristen und Strolchen. Auch in ihren Berechnungen

IV. Schneebrillen — Fußwanderung.
Augen gegen das blendende Licht ſonnenbeſchienener Schnee-
felder beſſer durch Brillen mit grauen Gläſern
(Rauchbrillen) geſchützt werden, iſt längſt feſtgeſtellt. Hinweg
alſo mit den grünen und blauen Flatterlappen, für läſtige
Verſchleierungen ſorgen die Nebel ſchon hinlänglich. Dieſe
Gläſer ſind in mehren Schattirungen zu haben; ich wähle
eine mittlere, nicht zu dunkle. — Den minder als die Ge-
ſichtshaut abgehärteten Hals entblößt anhaltendem Sonnen-
brand auszuſetzen, iſt nicht gut. Die Hände können gegen
Braunwerden durch Leinwandhandſchuhe geſchützt werden.

Einer Lobrede auf das Fußwandern bedarf es hier
nicht, denn ſie fehlt in keinem Reiſehandbuche, und alle Welt
weiß, daß dieſe Art der Bewegung die geſundeſte, Geiſt und
Körper erfriſchendſte und bildendſte, daß ſie eine Unabhängig-
keit gewährt und Genüſſe bereitet, welche der Fahrende nicht
kennt, daß der Wanderer leichter bekannt wird mit den und
dem Einheimiſchen, daß ſie ein „toniſirendes“ Mittel nach
ſtarken Gemüthsaufregungen, auch ſehr geeignet iſt, vor
großen Entſchlüſſen den Geiſt zu ſammeln und zu ſchärfen.
Eher wäre daran zu erinnern, daß die Wanderung immer
erſt von einem geeigneten Punkte angetreten werden und nicht,
„weil es ja doch eine Fußreiſe ſein ſoll,“ immer und immer
gelaufen werden muß, ferner, daß Neulinge das Penſum der
erſten Tage nicht zu ſtark nehmen und es erſt allmählich
ſteigern dürfen, vor Allem, daß in der Bewegung Maß zu
halten iſt. Doch davon ſpäter.

Reiſebücher, die in alten Auflagen und Vorurtheilen be-
fangen ſind, munkeln noch immer, daß Fußwanderer von
Wirthen oft nicht „für voll“ angeſehen und nachläſſig be-
handelt würden. Aengſtlichkeiten der Art, geliebter Reiſe-
ſchüler, verbanne nur ganz aus Deinem Gemüthe und ſei
überzeugt, daß in allen deutſchen Gebirgen, den Alpen, Pyre-
näen
, Apenninen, Sabinerbergen ꝛc. heutzutage kein Wirth
mehr lebt, der nicht ſehr wohl zu unterſcheiden wüßte zwiſchen
Fußtouriſten und Strolchen. Auch in ihren Berechnungen

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[86/0100] IV. Schneebrillen — Fußwanderung. Augen gegen das blendende Licht ſonnenbeſchienener Schnee- felder beſſer durch Brillen mit grauen Gläſern (Rauchbrillen) geſchützt werden, iſt längſt feſtgeſtellt. Hinweg alſo mit den grünen und blauen Flatterlappen, für läſtige Verſchleierungen ſorgen die Nebel ſchon hinlänglich. Dieſe Gläſer ſind in mehren Schattirungen zu haben; ich wähle eine mittlere, nicht zu dunkle. — Den minder als die Ge- ſichtshaut abgehärteten Hals entblößt anhaltendem Sonnen- brand auszuſetzen, iſt nicht gut. Die Hände können gegen Braunwerden durch Leinwandhandſchuhe geſchützt werden. Einer Lobrede auf das Fußwandern bedarf es hier nicht, denn ſie fehlt in keinem Reiſehandbuche, und alle Welt weiß, daß dieſe Art der Bewegung die geſundeſte, Geiſt und Körper erfriſchendſte und bildendſte, daß ſie eine Unabhängig- keit gewährt und Genüſſe bereitet, welche der Fahrende nicht kennt, daß der Wanderer leichter bekannt wird mit den und dem Einheimiſchen, daß ſie ein „toniſirendes“ Mittel nach ſtarken Gemüthsaufregungen, auch ſehr geeignet iſt, vor großen Entſchlüſſen den Geiſt zu ſammeln und zu ſchärfen. Eher wäre daran zu erinnern, daß die Wanderung immer erſt von einem geeigneten Punkte angetreten werden und nicht, „weil es ja doch eine Fußreiſe ſein ſoll,“ immer und immer gelaufen werden muß, ferner, daß Neulinge das Penſum der erſten Tage nicht zu ſtark nehmen und es erſt allmählich ſteigern dürfen, vor Allem, daß in der Bewegung Maß zu halten iſt. Doch davon ſpäter. Reiſebücher, die in alten Auflagen und Vorurtheilen be- fangen ſind, munkeln noch immer, daß Fußwanderer von Wirthen oft nicht „für voll“ angeſehen und nachläſſig be- handelt würden. Aengſtlichkeiten der Art, geliebter Reiſe- ſchüler, verbanne nur ganz aus Deinem Gemüthe und ſei überzeugt, daß in allen deutſchen Gebirgen, den Alpen, Pyre- näen, Apenninen, Sabinerbergen ꝛc. heutzutage kein Wirth mehr lebt, der nicht ſehr wohl zu unterſcheiden wüßte zwiſchen Fußtouriſten und Strolchen. Auch in ihren Berechnungen

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/100>, abgerufen am 21.11.2024.