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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Nachwuchs der Curorte -- Laienbrief an die HH. DD. loci.
nen ältere Leidensgenossen einen wahren Samariter-
dienst leisten, wenn sie über ihren eigenen ähnlichen Zustand
in jenem leichten Scherzando-Tone sprechen, welcher dem An-
dern den handgreiflichen Beweis gibt, daß die Uebung im
Tragen schwerer Bürden die Kräfte steigert und daß sich die
große, schwierige, seltene Kunst, mit guter
Laune krank zu sein
, erlernen läßt. --

Zur Berichtigung der Ansichten und Förderung besserer
Institutionen im jungen Nachwuchs der Curorte
und Sommerfrischen könnten Sie, meine Herren doctores
loci,
sehr viel beitragen! Nehmen Sie sich der Sache freund-
lich an, wir Patienten in partibus bitten Sie angelegentlich
darum! Wir versprechen Ihnen dagegen, Sie so wenig als
irgend möglich mit Fragen und Klagen zu behelligen. Wir
wollen von jeder Stunde, die Sie uns widmen, höchstens
fünf Minuten von langweiligen Krankheitsgeschichten, den
Rest dagegen von Ihren Lieblingssachen sprechen, es sei nun
Politik oder Gärtnerei, Musik oder künstliche Fischzucht,
Mikroskopie oder sonst etwas, wollen Ihnen die neuesten
nicht druckfähigen Anekdoten aus der Residenz erzählen, jedes-
mal eine auserlesene Havanna präsentiren, kurz, sehr liebens-
würdig und wenig lästig sein. Bitte, fangen Sie einmal an,
m. HH., den Leuten geeignete Winke zu geben, ganz con
amore,
etwa in der Schenke beim Biere. Bei Ihrer dia-
lektischen und dialektlichen Gewandtheit kann es Ihnen nicht
fehlen. Bekanntschaft mit den goldenen Früchten des Fremden-
besuchs und Geschmack daran ist schon vielfach in den Wald-
revieren vorhanden und man möchte die curiosen Herrschaften
aus der Stadt so gern alle Sommer lange bei sich sehen und
es ihnen in allen Stücken recht machen. Bald hier bald da
werden Sie Gutes zu veranlassen und Verkehrtes zu hindern
Gelegenheit finden. Mancher Neubau wird in größerem
Stile unternommen, weil der Besitzer auf Sommergäste rech-
net; würde dem Hause eine Stelle statt dicht an der Kreuzung
zweier Straßen an der entgegengesetzten Ecke des Grundstücks

V. Nachwuchs der Curorte — Laienbrief an die HH. DD. loci.
nen ältere Leidensgenoſſen einen wahren Samariter-
dienſt leiſten, wenn ſie über ihren eigenen ähnlichen Zuſtand
in jenem leichten Scherzando-Tone ſprechen, welcher dem An-
dern den handgreiflichen Beweis gibt, daß die Uebung im
Tragen ſchwerer Bürden die Kräfte ſteigert und daß ſich die
große, ſchwierige, ſeltene Kunſt, mit guter
Laune krank zu ſein
, erlernen läßt. —

Zur Berichtigung der Anſichten und Förderung beſſerer
Inſtitutionen im jungen Nachwuchs der Curorte
und Sommerfriſchen könnten Sie, meine Herren doctores
loci,
ſehr viel beitragen! Nehmen Sie ſich der Sache freund-
lich an, wir Patienten in partibus bitten Sie angelegentlich
darum! Wir verſprechen Ihnen dagegen, Sie ſo wenig als
irgend möglich mit Fragen und Klagen zu behelligen. Wir
wollen von jeder Stunde, die Sie uns widmen, höchſtens
fünf Minuten von langweiligen Krankheitsgeſchichten, den
Reſt dagegen von Ihren Lieblingsſachen ſprechen, es ſei nun
Politik oder Gärtnerei, Muſik oder künſtliche Fiſchzucht,
Mikroſkopie oder ſonſt etwas, wollen Ihnen die neueſten
nicht druckfähigen Anekdoten aus der Reſidenz erzählen, jedes-
mal eine auserleſene Havanna präſentiren, kurz, ſehr liebens-
würdig und wenig läſtig ſein. Bitte, fangen Sie einmal an,
m. HH., den Leuten geeignete Winke zu geben, ganz con
amore,
etwa in der Schenke beim Biere. Bei Ihrer dia-
lektiſchen und dialektlichen Gewandtheit kann es Ihnen nicht
fehlen. Bekanntſchaft mit den goldenen Früchten des Fremden-
beſuchs und Geſchmack daran iſt ſchon vielfach in den Wald-
revieren vorhanden und man möchte die curioſen Herrſchaften
aus der Stadt ſo gern alle Sommer lange bei ſich ſehen und
es ihnen in allen Stücken recht machen. Bald hier bald da
werden Sie Gutes zu veranlaſſen und Verkehrtes zu hindern
Gelegenheit finden. Mancher Neubau wird in größerem
Stile unternommen, weil der Beſitzer auf Sommergäſte rech-
net; würde dem Hauſe eine Stelle ſtatt dicht an der Kreuzung
zweier Straßen an der entgegengeſetzten Ecke des Grundſtücks

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[123/0137] V. Nachwuchs der Curorte — Laienbrief an die HH. DD. loci. nen ältere Leidensgenoſſen einen wahren Samariter- dienſt leiſten, wenn ſie über ihren eigenen ähnlichen Zuſtand in jenem leichten Scherzando-Tone ſprechen, welcher dem An- dern den handgreiflichen Beweis gibt, daß die Uebung im Tragen ſchwerer Bürden die Kräfte ſteigert und daß ſich die große, ſchwierige, ſeltene Kunſt, mit guter Laune krank zu ſein, erlernen läßt. — Zur Berichtigung der Anſichten und Förderung beſſerer Inſtitutionen im jungen Nachwuchs der Curorte und Sommerfriſchen könnten Sie, meine Herren doctores loci, ſehr viel beitragen! Nehmen Sie ſich der Sache freund- lich an, wir Patienten in partibus bitten Sie angelegentlich darum! Wir verſprechen Ihnen dagegen, Sie ſo wenig als irgend möglich mit Fragen und Klagen zu behelligen. Wir wollen von jeder Stunde, die Sie uns widmen, höchſtens fünf Minuten von langweiligen Krankheitsgeſchichten, den Reſt dagegen von Ihren Lieblingsſachen ſprechen, es ſei nun Politik oder Gärtnerei, Muſik oder künſtliche Fiſchzucht, Mikroſkopie oder ſonſt etwas, wollen Ihnen die neueſten nicht druckfähigen Anekdoten aus der Reſidenz erzählen, jedes- mal eine auserleſene Havanna präſentiren, kurz, ſehr liebens- würdig und wenig läſtig ſein. Bitte, fangen Sie einmal an, m. HH., den Leuten geeignete Winke zu geben, ganz con amore, etwa in der Schenke beim Biere. Bei Ihrer dia- lektiſchen und dialektlichen Gewandtheit kann es Ihnen nicht fehlen. Bekanntſchaft mit den goldenen Früchten des Fremden- beſuchs und Geſchmack daran iſt ſchon vielfach in den Wald- revieren vorhanden und man möchte die curioſen Herrſchaften aus der Stadt ſo gern alle Sommer lange bei ſich ſehen und es ihnen in allen Stücken recht machen. Bald hier bald da werden Sie Gutes zu veranlaſſen und Verkehrtes zu hindern Gelegenheit finden. Mancher Neubau wird in größerem Stile unternommen, weil der Beſitzer auf Sommergäſte rech- net; würde dem Hauſe eine Stelle ſtatt dicht an der Kreuzung zweier Straßen an der entgegengeſetzten Ecke des Grundſtücks

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/137>, abgerufen am 21.11.2024.