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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Schmuggeleien -- Reisecurgäste und ihre bösen tourist. Gelüste.
von Büchern mit Erfolg zu insinuiren sind, unsre Reiseschule
glaubte deshalb zu einer List greifen zu dürfen, die sie den
österreichischen Buchhändlern in der alten Censurzeit abgesehen
hat. Wenn diese nämlich Schriften, die unter die Rubrik
damnatur fielen, Eingang in die K. K. Staaten verschaffen
wollten, so rissen sie die Titel ab und klebten andere darauf,
z. B. von Kochbüchern, faulen Rechenknechten, Anekdoten-
sammlungen u. dgl. mehr. Das ist auch der Grund, weshalb
die Ueberschriften unsrer Capitel und Seiten weder vollständig
noch genau sind, und allerhand Capriolen machen. Das
Sachregister ist schon weit aufrichtiger. Diese in die Vorrede
gehörige, dort aber aus den hier eingestandenen Gründen
unterdrückte Enthüllung braucht nun nicht länger verzögert
zu werden. Im Uebrigen ist unsre Reiseschule keine Freundin
von Schmuggelversuchen und kann auch jedem Reisenden nur
rathen, sich ihrer zu enthalten.

Noch einmal also: es besteht ein Unterschied zwischen
Tourist und Curgast und zwar in der Art und dem Maße
der Bewegung. Wenn auch der Erstere verweilen, der Letztere
reisen und wandern darf und soll, so ist doch das charakteristische
Merkmal dort die Bewegung, hier die Ruhe und Stetigkeit.
Der gute Curgast hat darum stets auf der Hut zu sein vor
seinen bösen touristischen Begierden und dieselben,
sie mögen nun in die Rubrik Beruf, Bildung oder Vergnügen
fallen, sobald sie den Zweck Litera A, Gesundheit, kreuzen, zu
bekämpfen. Wohlberathene Reisecurgäste erblicken ihren
ärgsten Feind in dem geschilderten lasterhaften Triebe zu
unablässiger Ortsveränderung, der ein Vetter der Neugierde
ist und mit dieser seiner Frau Base die Neigung zur Ge-
schwätzigkeit, Uebertreibung und eiteln Aufschneiderei gemein
hat. Sie nehmen mithin nie den ersten besten gedruckten
Reiseplan zur Richtschnur, denn diese Pläne sind durchweg für
Lust reisende berechnet, oder vielmehr für Solche, deren Lust
es ist, "möglichst viel mitzunehmen," ohne Rücksicht darauf,
wieviel sie behalten; sie legen ihre Rasten so, daß sie nicht

V. Schmuggeleien — Reiſecurgäſte und ihre böſen touriſt. Gelüſte.
von Büchern mit Erfolg zu inſinuiren ſind, unſre Reiſeſchule
glaubte deshalb zu einer Liſt greifen zu dürfen, die ſie den
öſterreichiſchen Buchhändlern in der alten Cenſurzeit abgeſehen
hat. Wenn dieſe nämlich Schriften, die unter die Rubrik
damnatur fielen, Eingang in die K. K. Staaten verſchaffen
wollten, ſo riſſen ſie die Titel ab und klebten andere darauf,
z. B. von Kochbüchern, faulen Rechenknechten, Anekdoten-
ſammlungen u. dgl. mehr. Das iſt auch der Grund, weshalb
die Ueberſchriften unſrer Capitel und Seiten weder vollſtändig
noch genau ſind, und allerhand Capriolen machen. Das
Sachregiſter iſt ſchon weit aufrichtiger. Dieſe in die Vorrede
gehörige, dort aber aus den hier eingeſtandenen Gründen
unterdrückte Enthüllung braucht nun nicht länger verzögert
zu werden. Im Uebrigen iſt unſre Reiſeſchule keine Freundin
von Schmuggelverſuchen und kann auch jedem Reiſenden nur
rathen, ſich ihrer zu enthalten.

Noch einmal alſo: es beſteht ein Unterſchied zwiſchen
Touriſt und Curgaſt und zwar in der Art und dem Maße
der Bewegung. Wenn auch der Erſtere verweilen, der Letztere
reiſen und wandern darf und ſoll, ſo iſt doch das charakteriſtiſche
Merkmal dort die Bewegung, hier die Ruhe und Stetigkeit.
Der gute Curgaſt hat darum ſtets auf der Hut zu ſein vor
ſeinen böſen touriſtiſchen Begierden und dieſelben,
ſie mögen nun in die Rubrik Beruf, Bildung oder Vergnügen
fallen, ſobald ſie den Zweck Litera A, Geſundheit, kreuzen, zu
bekämpfen. Wohlberathene Reiſecurgäſte erblicken ihren
ärgſten Feind in dem geſchilderten laſterhaften Triebe zu
unabläſſiger Ortsveränderung, der ein Vetter der Neugierde
iſt und mit dieſer ſeiner Frau Baſe die Neigung zur Ge-
ſchwätzigkeit, Uebertreibung und eiteln Aufſchneiderei gemein
hat. Sie nehmen mithin nie den erſten beſten gedruckten
Reiſeplan zur Richtſchnur, denn dieſe Pläne ſind durchweg für
Luſt reiſende berechnet, oder vielmehr für Solche, deren Luſt
es iſt, „möglichſt viel mitzunehmen,“ ohne Rückſicht darauf,
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[130/0144] V. Schmuggeleien — Reiſecurgäſte und ihre böſen touriſt. Gelüſte. von Büchern mit Erfolg zu inſinuiren ſind, unſre Reiſeſchule glaubte deshalb zu einer Liſt greifen zu dürfen, die ſie den öſterreichiſchen Buchhändlern in der alten Cenſurzeit abgeſehen hat. Wenn dieſe nämlich Schriften, die unter die Rubrik damnatur fielen, Eingang in die K. K. Staaten verſchaffen wollten, ſo riſſen ſie die Titel ab und klebten andere darauf, z. B. von Kochbüchern, faulen Rechenknechten, Anekdoten- ſammlungen u. dgl. mehr. Das iſt auch der Grund, weshalb die Ueberſchriften unſrer Capitel und Seiten weder vollſtändig noch genau ſind, und allerhand Capriolen machen. Das Sachregiſter iſt ſchon weit aufrichtiger. Dieſe in die Vorrede gehörige, dort aber aus den hier eingeſtandenen Gründen unterdrückte Enthüllung braucht nun nicht länger verzögert zu werden. Im Uebrigen iſt unſre Reiſeſchule keine Freundin von Schmuggelverſuchen und kann auch jedem Reiſenden nur rathen, ſich ihrer zu enthalten. Noch einmal alſo: es beſteht ein Unterſchied zwiſchen Touriſt und Curgaſt und zwar in der Art und dem Maße der Bewegung. Wenn auch der Erſtere verweilen, der Letztere reiſen und wandern darf und ſoll, ſo iſt doch das charakteriſtiſche Merkmal dort die Bewegung, hier die Ruhe und Stetigkeit. Der gute Curgaſt hat darum ſtets auf der Hut zu ſein vor ſeinen böſen touriſtiſchen Begierden und dieſelben, ſie mögen nun in die Rubrik Beruf, Bildung oder Vergnügen fallen, ſobald ſie den Zweck Litera A, Geſundheit, kreuzen, zu bekämpfen. Wohlberathene Reiſecurgäſte erblicken ihren ärgſten Feind in dem geſchilderten laſterhaften Triebe zu unabläſſiger Ortsveränderung, der ein Vetter der Neugierde iſt und mit dieſer ſeiner Frau Baſe die Neigung zur Ge- ſchwätzigkeit, Uebertreibung und eiteln Aufſchneiderei gemein hat. Sie nehmen mithin nie den erſten beſten gedruckten Reiſeplan zur Richtſchnur, denn dieſe Pläne ſind durchweg für Luſt reiſende berechnet, oder vielmehr für Solche, deren Luſt es iſt, „möglichſt viel mitzunehmen,“ ohne Rückſicht darauf, wieviel ſie behalten; ſie legen ihre Raſten ſo, daß ſie nicht

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/144>, abgerufen am 21.11.2024.