Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Der gerechte und vollkommene Tourist.
Weise und Unweise, zwischen erfahrenen, eingeweihten,
gerechten und vollkommenen Touristen und Curgästen einer-
seits und Neulingen, Sonntagstouristen, Naturalisten, Di-
lettanten, Pfuschern. An dieser Stelle muß ich mir nun aber
eine Ausnahme erlauben, schematisiren und alle Reisen nach
ihren Zwecken eintheilen. Da ergeben sich denn vier Rubri-
ken: A Gesundheit, B Berufsgeschäfte der verschiedenen Art,
C allgemeine Bildung, D Vergnügen. Den Gattungen B
und C, Geschäfts- und Bildungsreisenden, ist nachzurühmen,
daß sie sich am correctesten halten, am wenigsten ihre beson-
deren Zwecke aus den Augen verlieren, guten Rath in Bezug
auf D, Vergnügen, dankbar und in Sachen A, Gesundheit,
wenigstens nicht übel aufnehmen. Auch Classe D, die Lust-
reisenden, lassen es nicht an gutem Willen und Eifer fehlen.
Am schlimmsten steht es mit Rubrik A, den Gesundheits-
reisenden. Obwohl sie am meisten darunter leidet, ist doch
gerade sie es, welche die häufigsten Verstöße begeht und, macht
man sie darauf aufmerksam, den Rath ganz in den Wind
schlägt, oder streitet, oder die Geduld verliert. Am schwersten
haben es darin die Aerzte, deren Berufspflicht solche Winke
sind; je mehr Vorstellungen sie machen, je weniger werden
sie gehört, dieserhalb haben sich denn auch die meisten Bade-
ärzte entschlossen, sehr zurückhaltend mit eingehenden diäte-
tischen Vorschriften zu sein und sich mit einigen Hauptsachen
zu begnügen, z. B. Warnung vor Gurkensalat, nächtlichen
Trinkgelagen, Erkältungen u. dergl. Die Herren setzen vor-
aus, daß ältere Curgenossen, die mit jüngeren in's Gespräch
kommen, sie über alle solche Einzelheiten belehren, zumal dem
Ernst Eingang in die gute Gesellschaft nur gestattet ist, wenn
er in die leichten flatternden Gewänder der Unterhaltung ge-
kleidet ist, nicht in seine hergebrachte steife Amtstracht. Nar-
ren und Lustigmacher sind immer hoffähig gewesen. Dies
Büchlein sieht nun aber eine seiner Hauptaufgaben darin, gewisse
Dinge zur Sprache zu bringen, die für Badegäste ebenso
langweilig als nützlich, ihnen jedoch weder von Aerzten noch

9

V. Der gerechte und vollkommene Touriſt.
Weiſe und Unweiſe, zwiſchen erfahrenen, eingeweihten,
gerechten und vollkommenen Touriſten und Curgäſten einer-
ſeits und Neulingen, Sonntagstouriſten, Naturaliſten, Di-
lettanten, Pfuſchern. An dieſer Stelle muß ich mir nun aber
eine Ausnahme erlauben, ſchematiſiren und alle Reiſen nach
ihren Zwecken eintheilen. Da ergeben ſich denn vier Rubri-
ken: A Geſundheit, B Berufsgeſchäfte der verſchiedenen Art,
C allgemeine Bildung, D Vergnügen. Den Gattungen B
und C, Geſchäfts- und Bildungsreiſenden, iſt nachzurühmen,
daß ſie ſich am correcteſten halten, am wenigſten ihre beſon-
deren Zwecke aus den Augen verlieren, guten Rath in Bezug
auf D, Vergnügen, dankbar und in Sachen A, Geſundheit,
wenigſtens nicht übel aufnehmen. Auch Claſſe D, die Luſt-
reiſenden, laſſen es nicht an gutem Willen und Eifer fehlen.
Am ſchlimmſten ſteht es mit Rubrik A, den Geſundheits-
reiſenden. Obwohl ſie am meiſten darunter leidet, iſt doch
gerade ſie es, welche die häufigſten Verſtöße begeht und, macht
man ſie darauf aufmerkſam, den Rath ganz in den Wind
ſchlägt, oder ſtreitet, oder die Geduld verliert. Am ſchwerſten
haben es darin die Aerzte, deren Berufspflicht ſolche Winke
ſind; je mehr Vorſtellungen ſie machen, je weniger werden
ſie gehört, dieſerhalb haben ſich denn auch die meiſten Bade-
ärzte entſchloſſen, ſehr zurückhaltend mit eingehenden diäte-
tiſchen Vorſchriften zu ſein und ſich mit einigen Hauptſachen
zu begnügen, z. B. Warnung vor Gurkenſalat, nächtlichen
Trinkgelagen, Erkältungen u. dergl. Die Herren ſetzen vor-
aus, daß ältere Curgenoſſen, die mit jüngeren in’s Geſpräch
kommen, ſie über alle ſolche Einzelheiten belehren, zumal dem
Ernſt Eingang in die gute Geſellſchaft nur geſtattet iſt, wenn
er in die leichten flatternden Gewänder der Unterhaltung ge-
kleidet iſt, nicht in ſeine hergebrachte ſteife Amtstracht. Nar-
ren und Luſtigmacher ſind immer hoffähig geweſen. Dies
Büchlein ſieht nun aber eine ſeiner Hauptaufgaben darin, gewiſſe
Dinge zur Sprache zu bringen, die für Badegäſte ebenſo
langweilig als nützlich, ihnen jedoch weder von Aerzten noch

9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> Der gerechte und vollkommene Touri&#x017F;t.</fw><lb/>
Wei&#x017F;e und Unwei&#x017F;e, zwi&#x017F;chen erfahrenen, eingeweihten,<lb/>
gerechten und vollkommenen Touri&#x017F;ten und Curgä&#x017F;ten einer-<lb/>
&#x017F;eits und Neulingen, Sonntagstouri&#x017F;ten, Naturali&#x017F;ten, Di-<lb/>
lettanten, Pfu&#x017F;chern. An die&#x017F;er Stelle muß ich mir nun aber<lb/>
eine Ausnahme erlauben, &#x017F;chemati&#x017F;iren und alle Rei&#x017F;en nach<lb/>
ihren Zwecken eintheilen. Da ergeben &#x017F;ich denn vier Rubri-<lb/>
ken: <hi rendition="#aq">A</hi> Ge&#x017F;undheit, <hi rendition="#aq">B</hi> Berufsge&#x017F;chäfte der ver&#x017F;chiedenen Art,<lb/><hi rendition="#aq">C</hi> allgemeine Bildung, <hi rendition="#aq">D</hi> Vergnügen. Den Gattungen <hi rendition="#aq">B</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">C</hi>, Ge&#x017F;chäfts- und Bildungsrei&#x017F;enden, i&#x017F;t nachzurühmen,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich am correcte&#x017F;ten halten, am wenig&#x017F;ten ihre be&#x017F;on-<lb/>
deren Zwecke aus den Augen verlieren, guten Rath in Bezug<lb/>
auf <hi rendition="#aq">D</hi>, Vergnügen, dankbar und in Sachen <hi rendition="#aq">A</hi>, Ge&#x017F;undheit,<lb/>
wenig&#x017F;tens nicht übel aufnehmen. Auch Cla&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">D</hi>, die Lu&#x017F;t-<lb/>
rei&#x017F;enden, la&#x017F;&#x017F;en es nicht an gutem Willen und Eifer fehlen.<lb/>
Am &#x017F;chlimm&#x017F;ten &#x017F;teht es mit Rubrik <hi rendition="#aq">A</hi>, den Ge&#x017F;undheits-<lb/>
rei&#x017F;enden. Obwohl &#x017F;ie am mei&#x017F;ten darunter leidet, i&#x017F;t doch<lb/>
gerade &#x017F;ie es, welche die häufig&#x017F;ten Ver&#x017F;töße begeht und, macht<lb/>
man &#x017F;ie darauf aufmerk&#x017F;am, den Rath ganz in den Wind<lb/>
&#x017F;chlägt, oder &#x017F;treitet, oder die Geduld verliert. Am &#x017F;chwer&#x017F;ten<lb/>
haben es darin die Aerzte, deren Berufspflicht &#x017F;olche Winke<lb/>
&#x017F;ind; je mehr Vor&#x017F;tellungen &#x017F;ie machen, je weniger werden<lb/>
&#x017F;ie gehört, die&#x017F;erhalb haben &#x017F;ich denn auch die mei&#x017F;ten Bade-<lb/>
ärzte ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ehr zurückhaltend mit eingehenden diäte-<lb/>
ti&#x017F;chen Vor&#x017F;chriften zu &#x017F;ein und &#x017F;ich mit einigen Haupt&#x017F;achen<lb/>
zu begnügen, z. B. Warnung vor Gurken&#x017F;alat, nächtlichen<lb/>
Trinkgelagen, Erkältungen u. dergl. Die Herren &#x017F;etzen vor-<lb/>
aus, daß ältere Curgeno&#x017F;&#x017F;en, die mit jüngeren in&#x2019;s Ge&#x017F;präch<lb/>
kommen, &#x017F;ie über alle &#x017F;olche Einzelheiten belehren, zumal dem<lb/>
Ern&#x017F;t Eingang in die gute Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nur ge&#x017F;tattet i&#x017F;t, wenn<lb/>
er in die leichten flatternden Gewänder der Unterhaltung ge-<lb/>
kleidet i&#x017F;t, nicht in &#x017F;eine hergebrachte &#x017F;teife Amtstracht. Nar-<lb/>
ren und Lu&#x017F;tigmacher &#x017F;ind immer hoffähig gewe&#x017F;en. Dies<lb/>
Büchlein &#x017F;ieht nun aber eine &#x017F;einer Hauptaufgaben darin, gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Dinge zur Sprache zu bringen, die für Badegä&#x017F;te eben&#x017F;o<lb/>
langweilig als nützlich, ihnen jedoch weder von Aerzten noch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] V. Der gerechte und vollkommene Touriſt. Weiſe und Unweiſe, zwiſchen erfahrenen, eingeweihten, gerechten und vollkommenen Touriſten und Curgäſten einer- ſeits und Neulingen, Sonntagstouriſten, Naturaliſten, Di- lettanten, Pfuſchern. An dieſer Stelle muß ich mir nun aber eine Ausnahme erlauben, ſchematiſiren und alle Reiſen nach ihren Zwecken eintheilen. Da ergeben ſich denn vier Rubri- ken: A Geſundheit, B Berufsgeſchäfte der verſchiedenen Art, C allgemeine Bildung, D Vergnügen. Den Gattungen B und C, Geſchäfts- und Bildungsreiſenden, iſt nachzurühmen, daß ſie ſich am correcteſten halten, am wenigſten ihre beſon- deren Zwecke aus den Augen verlieren, guten Rath in Bezug auf D, Vergnügen, dankbar und in Sachen A, Geſundheit, wenigſtens nicht übel aufnehmen. Auch Claſſe D, die Luſt- reiſenden, laſſen es nicht an gutem Willen und Eifer fehlen. Am ſchlimmſten ſteht es mit Rubrik A, den Geſundheits- reiſenden. Obwohl ſie am meiſten darunter leidet, iſt doch gerade ſie es, welche die häufigſten Verſtöße begeht und, macht man ſie darauf aufmerkſam, den Rath ganz in den Wind ſchlägt, oder ſtreitet, oder die Geduld verliert. Am ſchwerſten haben es darin die Aerzte, deren Berufspflicht ſolche Winke ſind; je mehr Vorſtellungen ſie machen, je weniger werden ſie gehört, dieſerhalb haben ſich denn auch die meiſten Bade- ärzte entſchloſſen, ſehr zurückhaltend mit eingehenden diäte- tiſchen Vorſchriften zu ſein und ſich mit einigen Hauptſachen zu begnügen, z. B. Warnung vor Gurkenſalat, nächtlichen Trinkgelagen, Erkältungen u. dergl. Die Herren ſetzen vor- aus, daß ältere Curgenoſſen, die mit jüngeren in’s Geſpräch kommen, ſie über alle ſolche Einzelheiten belehren, zumal dem Ernſt Eingang in die gute Geſellſchaft nur geſtattet iſt, wenn er in die leichten flatternden Gewänder der Unterhaltung ge- kleidet iſt, nicht in ſeine hergebrachte ſteife Amtstracht. Nar- ren und Luſtigmacher ſind immer hoffähig geweſen. Dies Büchlein ſieht nun aber eine ſeiner Hauptaufgaben darin, gewiſſe Dinge zur Sprache zu bringen, die für Badegäſte ebenſo langweilig als nützlich, ihnen jedoch weder von Aerzten noch 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/143
Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/143>, abgerufen am 21.11.2024.