Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.V. Curzeitvergeudung. wie im Herbst. Immerhin sind die Winke der Handbücherin Bezug auf Jahreszeit und Wahl des Ziels zu beachten. Eine goldene Regel für Leidende, deren einziges oder V. Curzeitvergeudung. wie im Herbſt. Immerhin ſind die Winke der Handbücherin Bezug auf Jahreszeit und Wahl des Ziels zu beachten. Eine goldene Regel für Leidende, deren einziges oder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0148" n="134"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> Curzeitvergeudung.</fw><lb/> wie im Herbſt. Immerhin ſind die Winke der Handbücher<lb/> in Bezug auf Jahreszeit und Wahl des Ziels zu beachten.</p><lb/> <p>Eine goldene Regel für Leidende, deren einziges oder<lb/> hauptſächliches Heilmittel in Luft beſteht — ſelbſt noch für<lb/> die Glücklichen, welche eine ganze Saiſon auf ihre Geſundheit<lb/> verwenden können, wie viel mehr für Solche, denen dazu nur<lb/> wenige Wochen zu Gebote ſtehen — iſt die: <hi rendition="#g">jede Viertel-<lb/> ſtunde zu Rathe zu halten</hi>. So manche Tage und<lb/> Stunden gehen ohnehin ſchon verloren, zumal im Hochgebirg,<lb/> durch Kälte, rauhe Winde, Regen, Nebel, Unvorhergeſehenes;<lb/> der Reſt von wirklich verwerthbarer Luftcurzeit iſt daher als<lb/> ein eben ſo koſtbares Gut zu behandeln, wie Mundvorrath<lb/> und Schießbedarf in einer belagerten Feſtung. Kleine häus-<lb/> liche Geſchäfte, die es geſtatten, müſſen auf die Pauſen der<lb/> Curzeit, die frühen Morgenſtunden und die Abende verlegt<lb/> werden. Mit welcher Gedankenloſigkeit wird nun aber gegen<lb/> dieſe ſo augenfällige Regel von der Mehrzahl der Gäſte ver-<lb/> ſtoßen, auch von Solchen, die in Eſſen, Trinken und ſonſtigen<lb/> diätetiſchen Einzelheiten peinlich genau ſind! Stundenlang<lb/> ſtehen ſie, nachdem Frühſtück, Zeitung und Toilette ſchon ein<lb/> gutes Stück des Vormittags im Zimmer verſchlungen haben,<lb/> dicht gedrängt in einer Atmoſphäre von Tabaksqualm, Men-<lb/> ſchenathem und Staub um eine Muſikbande herum! Natür-<lb/> lich fühlen ſie ſich hinterher „ganz erſchöpft“ und müſſen ſich<lb/> auf dem Sofa erholen. Ein Theil der beſten Tageszeit wird<lb/> im heißen Speiſeſaal, im dampfigen Kaffeehaus, am Billard-<lb/> tiſch, im Zeitungszimmer zugebracht, und ſo fort. Wer<lb/> dieſes Subtractionsexempel mit deſſen Moral vor Augen hat,<lb/> wird täglich, ſtündlich Gelegenheit finden zu Erſparniſſen an<lb/> Curzeit und ein Capital zuſammenſchlagen, deſſen Zinſen<lb/> ſeinem ganzen Organismus zu Gute kommen, namentlich<lb/> ſeinen Nerven, ſeinem Blute, ſeiner Lunge und ſeiner Haut,<lb/> welche letztere es abhärtet und (mehr als alles kalte Waſſer)<lb/> von den üblen Einflüſſen unſrer heißen Stuben im Winter<lb/> befreit. Er wird ferner die Stunden, welche im Freien zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0148]
V. Curzeitvergeudung.
wie im Herbſt. Immerhin ſind die Winke der Handbücher
in Bezug auf Jahreszeit und Wahl des Ziels zu beachten.
Eine goldene Regel für Leidende, deren einziges oder
hauptſächliches Heilmittel in Luft beſteht — ſelbſt noch für
die Glücklichen, welche eine ganze Saiſon auf ihre Geſundheit
verwenden können, wie viel mehr für Solche, denen dazu nur
wenige Wochen zu Gebote ſtehen — iſt die: jede Viertel-
ſtunde zu Rathe zu halten. So manche Tage und
Stunden gehen ohnehin ſchon verloren, zumal im Hochgebirg,
durch Kälte, rauhe Winde, Regen, Nebel, Unvorhergeſehenes;
der Reſt von wirklich verwerthbarer Luftcurzeit iſt daher als
ein eben ſo koſtbares Gut zu behandeln, wie Mundvorrath
und Schießbedarf in einer belagerten Feſtung. Kleine häus-
liche Geſchäfte, die es geſtatten, müſſen auf die Pauſen der
Curzeit, die frühen Morgenſtunden und die Abende verlegt
werden. Mit welcher Gedankenloſigkeit wird nun aber gegen
dieſe ſo augenfällige Regel von der Mehrzahl der Gäſte ver-
ſtoßen, auch von Solchen, die in Eſſen, Trinken und ſonſtigen
diätetiſchen Einzelheiten peinlich genau ſind! Stundenlang
ſtehen ſie, nachdem Frühſtück, Zeitung und Toilette ſchon ein
gutes Stück des Vormittags im Zimmer verſchlungen haben,
dicht gedrängt in einer Atmoſphäre von Tabaksqualm, Men-
ſchenathem und Staub um eine Muſikbande herum! Natür-
lich fühlen ſie ſich hinterher „ganz erſchöpft“ und müſſen ſich
auf dem Sofa erholen. Ein Theil der beſten Tageszeit wird
im heißen Speiſeſaal, im dampfigen Kaffeehaus, am Billard-
tiſch, im Zeitungszimmer zugebracht, und ſo fort. Wer
dieſes Subtractionsexempel mit deſſen Moral vor Augen hat,
wird täglich, ſtündlich Gelegenheit finden zu Erſparniſſen an
Curzeit und ein Capital zuſammenſchlagen, deſſen Zinſen
ſeinem ganzen Organismus zu Gute kommen, namentlich
ſeinen Nerven, ſeinem Blute, ſeiner Lunge und ſeiner Haut,
welche letztere es abhärtet und (mehr als alles kalte Waſſer)
von den üblen Einflüſſen unſrer heißen Stuben im Winter
befreit. Er wird ferner die Stunden, welche im Freien zu
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