Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VI. Noble Herrschaften und kleine Leute -- polnische Grafen. Leuten, die wenig aufgehen lassen," liege ihm nichts. DieRechnung stimmt aber mit nichten, vielmehr habe ich gefunden, daß gerade die vornehmsten Leute, denen ein Hotel nie das bieten kann, dessen sie zu Hause gewohnt sind, ein Mehr oder Minder von Luxus kaum bemerken, jedenfalls darauf weniger Werth legen, als auf Comfort, Sauberkeit, Ruhe, flinke, gute Bedienung und Bewirthung. Die wenig bemittelte Classe ist es, welcher jene Dinge imponiren, kleine Industrielle und Kaufleute nebst ihren Trabanten, Oekonomieverwalter und ärmere ländliche Besitzer sind es, die sich davon locken lassen, damit sie von der Holzsculptur der Möbel, den gestickten Gardinen, den Tapeten, Teppichen, Marmortreppen erzählen können; bei Bezahlung finden sie dann, daß ihr Beitrag zu alle dem doch etwas hoch berechnet ist, kommen deshalb nicht wieder und warnen Andere vor dem theuren Hause. An- ziehungskraft mag der hohle Prunk noch für eine gewisse Gattung "polnischer Grafen und Gräfinnen" haben, welche Rechnungen nicht zu prüfen aber auch nicht zu zahlen pflegen. Das aufgeblasene Wesen mancher Gastgeber und ihrer Häuser -- diese sollten Alle "Zum Goldnen Truthahn" heißen, oder vielmehr Grand Hotel au Dindon d'Or -- drückt sich schon in ihren Placaten und Empfehlungskarten aus, auf denen die vierspännige Extrapost, in unsrem eisenbahnernen Zeit- alter ein verschollenes Stück Alterthum, nie fehlt, mit dem die Peitsche schwingenden, in's Horn stoßenden Postillion. Machten Wirthe, deren Haus das Glück hat, an Gehölz, Parks, Promenaden, Gärten zu liegen, dies dadurch anschau- lich, daß sie für das Bildchen die Vogelperspective wählen und von der Umgebung einen schmalen Saum mit aufnehmen ließen, so würden sie gerade die "hohen und höchsten Herr- schaften" und andern viel verzehrenden Leute eher herbeiziehen, als durch vierspänniges Trara. Ferner würden sie ihre Zwecke besser erreichen, wenn Placate, Empfehlungskarten und Annoncen nicht blos Redensarten enthielten, wie "mit äußerster Eleganz hergerichtet" etc. etc., sondern andeuteten, VI. Noble Herrſchaften und kleine Leute — polniſche Grafen. Leuten, die wenig aufgehen laſſen,“ liege ihm nichts. DieRechnung ſtimmt aber mit nichten, vielmehr habe ich gefunden, daß gerade die vornehmſten Leute, denen ein Hôtel nie das bieten kann, deſſen ſie zu Hauſe gewohnt ſind, ein Mehr oder Minder von Luxus kaum bemerken, jedenfalls darauf weniger Werth legen, als auf Comfort, Sauberkeit, Ruhe, flinke, gute Bedienung und Bewirthung. Die wenig bemittelte Claſſe iſt es, welcher jene Dinge imponiren, kleine Induſtrielle und Kaufleute nebſt ihren Trabanten, Oekonomieverwalter und ärmere ländliche Beſitzer ſind es, die ſich davon locken laſſen, damit ſie von der Holzſculptur der Möbel, den geſtickten Gardinen, den Tapeten, Teppichen, Marmortreppen erzählen können; bei Bezahlung finden ſie dann, daß ihr Beitrag zu alle dem doch etwas hoch berechnet iſt, kommen deshalb nicht wieder und warnen Andere vor dem theuren Hauſe. An- ziehungskraft mag der hohle Prunk noch für eine gewiſſe Gattung „polniſcher Grafen und Gräfinnen“ haben, welche Rechnungen nicht zu prüfen aber auch nicht zu zahlen pflegen. Das aufgeblaſene Weſen mancher Gaſtgeber und ihrer Häuſer — dieſe ſollten Alle „Zum Goldnen Truthahn“ heißen, oder vielmehr Grand Hôtel au Dindon d’Or — drückt ſich ſchon in ihren Placaten und Empfehlungskarten aus, auf denen die vierſpännige Extrapoſt, in unſrem eiſenbahnernen Zeit- alter ein verſchollenes Stück Alterthum, nie fehlt, mit dem die Peitſche ſchwingenden, in’s Horn ſtoßenden Poſtillion. Machten Wirthe, deren Haus das Glück hat, an Gehölz, Parks, Promenaden, Gärten zu liegen, dies dadurch anſchau- lich, daß ſie für das Bildchen die Vogelperſpective wählen und von der Umgebung einen ſchmalen Saum mit aufnehmen ließen, ſo würden ſie gerade die „hohen und höchſten Herr- ſchaften“ und andern viel verzehrenden Leute eher herbeiziehen, als durch vierſpänniges Trara. Ferner würden ſie ihre Zwecke beſſer erreichen, wenn Placate, Empfehlungskarten und Annoncen nicht blos Redensarten enthielten, wie „mit äußerſter Eleganz hergerichtet“ ꝛc. ꝛc., ſondern andeuteten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0184" n="170"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Noble Herrſchaften und kleine Leute — polniſche Grafen.</fw><lb/> Leuten, die wenig aufgehen laſſen,“ liege ihm nichts. Die<lb/> Rechnung ſtimmt aber mit nichten, vielmehr habe ich gefunden,<lb/> daß gerade die vornehmſten Leute, denen ein H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel nie das<lb/> bieten kann, deſſen ſie zu Hauſe gewohnt ſind, ein Mehr oder<lb/> Minder von Luxus kaum bemerken, jedenfalls darauf weniger<lb/> Werth legen, als auf Comfort, Sauberkeit, Ruhe, flinke, gute<lb/> Bedienung und Bewirthung. 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VI. Noble Herrſchaften und kleine Leute — polniſche Grafen.
Leuten, die wenig aufgehen laſſen,“ liege ihm nichts. Die
Rechnung ſtimmt aber mit nichten, vielmehr habe ich gefunden,
daß gerade die vornehmſten Leute, denen ein Hôtel nie das
bieten kann, deſſen ſie zu Hauſe gewohnt ſind, ein Mehr oder
Minder von Luxus kaum bemerken, jedenfalls darauf weniger
Werth legen, als auf Comfort, Sauberkeit, Ruhe, flinke, gute
Bedienung und Bewirthung. Die wenig bemittelte Claſſe
iſt es, welcher jene Dinge imponiren, kleine Induſtrielle und
Kaufleute nebſt ihren Trabanten, Oekonomieverwalter und
ärmere ländliche Beſitzer ſind es, die ſich davon locken laſſen,
damit ſie von der Holzſculptur der Möbel, den geſtickten
Gardinen, den Tapeten, Teppichen, Marmortreppen erzählen
können; bei Bezahlung finden ſie dann, daß ihr Beitrag zu alle
dem doch etwas hoch berechnet iſt, kommen deshalb nicht
wieder und warnen Andere vor dem theuren Hauſe. An-
ziehungskraft mag der hohle Prunk noch für eine gewiſſe
Gattung „polniſcher Grafen und Gräfinnen“ haben, welche
Rechnungen nicht zu prüfen aber auch nicht zu zahlen pflegen.
Das aufgeblaſene Weſen mancher Gaſtgeber und ihrer Häuſer
— dieſe ſollten Alle „Zum Goldnen Truthahn“ heißen, oder
vielmehr Grand Hôtel au Dindon d’Or — drückt ſich ſchon
in ihren Placaten und Empfehlungskarten aus, auf denen
die vierſpännige Extrapoſt, in unſrem eiſenbahnernen Zeit-
alter ein verſchollenes Stück Alterthum, nie fehlt, mit dem
die Peitſche ſchwingenden, in’s Horn ſtoßenden Poſtillion.
Machten Wirthe, deren Haus das Glück hat, an Gehölz,
Parks, Promenaden, Gärten zu liegen, dies dadurch anſchau-
lich, daß ſie für das Bildchen die Vogelperſpective wählen
und von der Umgebung einen ſchmalen Saum mit aufnehmen
ließen, ſo würden ſie gerade die „hohen und höchſten Herr-
ſchaften“ und andern viel verzehrenden Leute eher herbeiziehen,
als durch vierſpänniges Trara. Ferner würden ſie ihre
Zwecke beſſer erreichen, wenn Placate, Empfehlungskarten
und Annoncen nicht blos Redensarten enthielten, wie „mit
äußerſter Eleganz hergerichtet“ ꝛc. ꝛc., ſondern andeuteten,
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