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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VI. Lehren der Weisheit und Tugend für Wirthe -- Delicatessen.
beiden wichtigsten Gewürzen, Salz und Pfeffer, so aufdring-
lich sind im Gegentheil ihre Köche mit dieser Zuthat, ebenso
mit anderen entbehrlichen. Viele Leute z. B. haben einen
Widerwillen gegen Zwiebeln, noch mehr gegen Knoblauch, die
Freunde dieser Knollengewächse andrerseits können ihrer wohl
entrathen, es ist deshalb nur recht und billig, daß den Speisen
entweder gar keine oder sehr wenig Zwiebeln zugesetzt, selbst
dem Hammelbraten jeder "Soupcon" von Knoblauch erspart
wird; ferner, daß Suppen und Brühen nicht von Fett
strotzen, daß die Kartoffel, der Allerweltsliebling, nicht blos
in geschmortem Zustande erscheint, daß der Senf, den Jeder
braucht, nicht mit Esdragon versetzt ist, welcher ihn Manchen
widerlich macht (damit glauben diese Speculanten ihre Sache
noch absonderlich gut zu thun, weil nach ihrer Meinung das
Theurere immer das Bessere ist), daß der Salat nicht mit
Rahm oder Zucker vermischt, daß daneben stets Compot vor-
handen ist, Hülsenfrüchte ohne Essig, Mehlspeisen ohne
Safran, Gebäcke und Fische nicht mit Oel bereitet sind, vor
Allem, daß das Brod, das wichtigste Nahrungsmittel, nicht
mit Kümmel, Anis, Fenchel, Coriander etc. etc. gebacken ist.
Ebenso leuchtet ein, daß Delicatessen ihr Naturgeschmack un-
beeinträchtigt von außergewöhnlichen Zuthaten zu halten ist,
z. B. Wildpret und bessere Fische nicht in einer Essigbrühe
schwimmen, letztere nicht gebacken sein dürfen, sondern alle
solche Absonderlichkeiten dem Einzelnen überlassen bleiben
sollen. Er mag für seine Person nachsalzen, nachpfeffern,
Essig zugießen, Citronensaft auftröpfen (zu Fisch, Wild-
pret etc. gehören Citronenschnitte, und zwar nicht blos als
tellerzierende Schaugerichte), Butter, Zucker, Zwiebeln hinzu-
thun, Forellen backen lassen, ganz nach seinem Ungeschmack.
Es gibt ja Barbaren, die den Salat zuckern, Zimmet in den
Thee thun, Citronensaft auf Austern und Caviar tröpfen;
mögen sie meinetwegen den Austern Himbeersaft und dem
Caviar Schokolade zusetzen, das ist ihre Privatsache, nur soll
der Hausherr seinem Koch keinerlei Vandalismen erlauben.

VI. Lehren der Weisheit und Tugend für Wirthe — Delicateſſen.
beiden wichtigſten Gewürzen, Salz und Pfeffer, ſo aufdring-
lich ſind im Gegentheil ihre Köche mit dieſer Zuthat, ebenſo
mit anderen entbehrlichen. Viele Leute z. B. haben einen
Widerwillen gegen Zwiebeln, noch mehr gegen Knoblauch, die
Freunde dieſer Knollengewächſe andrerſeits können ihrer wohl
entrathen, es iſt deshalb nur recht und billig, daß den Speiſen
entweder gar keine oder ſehr wenig Zwiebeln zugeſetzt, ſelbſt
dem Hammelbraten jeder „Soupçon“ von Knoblauch erſpart
wird; ferner, daß Suppen und Brühen nicht von Fett
ſtrotzen, daß die Kartoffel, der Allerweltsliebling, nicht blos
in geſchmortem Zuſtande erſcheint, daß der Senf, den Jeder
braucht, nicht mit Esdragon verſetzt iſt, welcher ihn Manchen
widerlich macht (damit glauben dieſe Speculanten ihre Sache
noch abſonderlich gut zu thun, weil nach ihrer Meinung das
Theurere immer das Beſſere iſt), daß der Salat nicht mit
Rahm oder Zucker vermiſcht, daß daneben ſtets Compot vor-
handen iſt, Hülſenfrüchte ohne Eſſig, Mehlſpeiſen ohne
Safran, Gebäcke und Fiſche nicht mit Oel bereitet ſind, vor
Allem, daß das Brod, das wichtigſte Nahrungsmittel, nicht
mit Kümmel, Anis, Fenchel, Coriander ꝛc. ꝛc. gebacken iſt.
Ebenſo leuchtet ein, daß Delicateſſen ihr Naturgeſchmack un-
beeinträchtigt von außergewöhnlichen Zuthaten zu halten iſt,
z. B. Wildpret und beſſere Fiſche nicht in einer Eſſigbrühe
ſchwimmen, letztere nicht gebacken ſein dürfen, ſondern alle
ſolche Abſonderlichkeiten dem Einzelnen überlaſſen bleiben
ſollen. Er mag für ſeine Perſon nachſalzen, nachpfeffern,
Eſſig zugießen, Citronenſaft auftröpfen (zu Fiſch, Wild-
pret ꝛc. gehören Citronenſchnitte, und zwar nicht blos als
tellerzierende Schaugerichte), Butter, Zucker, Zwiebeln hinzu-
thun, Forellen backen laſſen, ganz nach ſeinem Ungeſchmack.
Es gibt ja Barbaren, die den Salat zuckern, Zimmet in den
Thee thun, Citronenſaft auf Auſtern und Caviar tröpfen;
mögen ſie meinetwegen den Auſtern Himbeerſaft und dem
Caviar Schokolade zuſetzen, das iſt ihre Privatſache, nur ſoll
der Hausherr ſeinem Koch keinerlei Vandalismen erlauben.

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[174/0188] VI. Lehren der Weisheit und Tugend für Wirthe — Delicateſſen. beiden wichtigſten Gewürzen, Salz und Pfeffer, ſo aufdring- lich ſind im Gegentheil ihre Köche mit dieſer Zuthat, ebenſo mit anderen entbehrlichen. Viele Leute z. B. haben einen Widerwillen gegen Zwiebeln, noch mehr gegen Knoblauch, die Freunde dieſer Knollengewächſe andrerſeits können ihrer wohl entrathen, es iſt deshalb nur recht und billig, daß den Speiſen entweder gar keine oder ſehr wenig Zwiebeln zugeſetzt, ſelbſt dem Hammelbraten jeder „Soupçon“ von Knoblauch erſpart wird; ferner, daß Suppen und Brühen nicht von Fett ſtrotzen, daß die Kartoffel, der Allerweltsliebling, nicht blos in geſchmortem Zuſtande erſcheint, daß der Senf, den Jeder braucht, nicht mit Esdragon verſetzt iſt, welcher ihn Manchen widerlich macht (damit glauben dieſe Speculanten ihre Sache noch abſonderlich gut zu thun, weil nach ihrer Meinung das Theurere immer das Beſſere iſt), daß der Salat nicht mit Rahm oder Zucker vermiſcht, daß daneben ſtets Compot vor- handen iſt, Hülſenfrüchte ohne Eſſig, Mehlſpeiſen ohne Safran, Gebäcke und Fiſche nicht mit Oel bereitet ſind, vor Allem, daß das Brod, das wichtigſte Nahrungsmittel, nicht mit Kümmel, Anis, Fenchel, Coriander ꝛc. ꝛc. gebacken iſt. Ebenſo leuchtet ein, daß Delicateſſen ihr Naturgeſchmack un- beeinträchtigt von außergewöhnlichen Zuthaten zu halten iſt, z. B. Wildpret und beſſere Fiſche nicht in einer Eſſigbrühe ſchwimmen, letztere nicht gebacken ſein dürfen, ſondern alle ſolche Abſonderlichkeiten dem Einzelnen überlaſſen bleiben ſollen. Er mag für ſeine Perſon nachſalzen, nachpfeffern, Eſſig zugießen, Citronenſaft auftröpfen (zu Fiſch, Wild- pret ꝛc. gehören Citronenſchnitte, und zwar nicht blos als tellerzierende Schaugerichte), Butter, Zucker, Zwiebeln hinzu- thun, Forellen backen laſſen, ganz nach ſeinem Ungeſchmack. Es gibt ja Barbaren, die den Salat zuckern, Zimmet in den Thee thun, Citronenſaft auf Auſtern und Caviar tröpfen; mögen ſie meinetwegen den Auſtern Himbeerſaft und dem Caviar Schokolade zuſetzen, das iſt ihre Privatſache, nur ſoll der Hausherr ſeinem Koch keinerlei Vandalismen erlauben.

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/188>, abgerufen am 24.11.2024.