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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VI. Paläontologische Forschungen in Küchenabfällen.
in Rom Abends acht Uhr zu Mittag essen und beim Bajocco-
orden versichern, daß viele der aufgeführten Herrlichkeiten
blos nominell sind und lediglich zum Schmuck der Karte
dienen. Die Arme, ihr mangelt sonst jedweder Schmuck,
Schönheit und Liebreiz hat sie nie besessen, Jugend, Unschuld
und Reinheit, alles ist längst dahin, ein großer Riß geht
durch ihr Herz, mißgönnen wir ihr diese einzige Zierde nicht.
Hier ist sie selbst, ich habe sie mitgebracht, wie ich sie einst an
Ort und Stelle fand, zwei Quadratfuß groß, bedruckt und
beschrieben. Ueberzeugen Sie sich. Nur Muth, ein ge-
wissenhafter Richter darf vor keinem Anblick zurückschrecken.
-- Indicien: Sie erkennen, daß dieses Blatt mindestens
schon eine Winter- und eine Sommersaison ausgelegen hat.
Jetzt prüfen Sie die Ablagerungen, die sich von Arosti, Fritti,
Legumi, Pesce, Umidi
gebildet haben, nehmen Sie meinet-
wegen chemische Reagentien zu Hilfe, um den untersten Spu-
ren beizukommen: -- Sie werden finden, daß etwa ein
Drittel der Gerichte nicht vertreten ist. Die Behauptung,
daß in einer italienischen Trattorie eine Speise aufgetragen
werden könnte, ohne Merkmale zurückzulassen, wird Niemand
wagen, der dort gewesen ist. Jetzt folgen Sie mir in die
Antica Trattoria della ... Hier ist das schriftliche Ver-
fahren unbekannt, kein Blatt Papier zwischen Wirth und
Gästen, vielmehr trägt Cenzo, der dicke Kellner, mündlich vor,
was zu haben ist. Auf seinem Anzug erscheint eine hand-
breite Zone, auf der Proben von Saucen ausgestellt sind,
vielleicht als Illustration zu seinen eiligen mündlichen Mit-
theilungen.

Von weiteren paläontologischen Forschungen in Küchen-
abfällen glaube ich aber nun Abstand nehmen zu dürfen.

Machte oder ahnete ich sehr trübe Erfahrungen an einem
Gasttische, so überließ ich mich dem Wirth ohne Lenkversuche,
wie Reiter auf unsicheren Gebirgswegen mit Maulthieren
thun, wählte also nicht, sondern wandte nur leise Sporen-
hilfen in sofern an, als ich merken ließ, daß ich mürbes,

VI. Paläontologiſche Forſchungen in Küchenabfällen.
in Rom Abends acht Uhr zu Mittag eſſen und beim Bajocco-
orden verſichern, daß viele der aufgeführten Herrlichkeiten
blos nominell ſind und lediglich zum Schmuck der Karte
dienen. Die Arme, ihr mangelt ſonſt jedweder Schmuck,
Schönheit und Liebreiz hat ſie nie beſeſſen, Jugend, Unſchuld
und Reinheit, alles iſt längſt dahin, ein großer Riß geht
durch ihr Herz, mißgönnen wir ihr dieſe einzige Zierde nicht.
Hier iſt ſie ſelbſt, ich habe ſie mitgebracht, wie ich ſie einſt an
Ort und Stelle fand, zwei Quadratfuß groß, bedruckt und
beſchrieben. Ueberzeugen Sie ſich. Nur Muth, ein ge-
wiſſenhafter Richter darf vor keinem Anblick zurückſchrecken.
— Indicien: Sie erkennen, daß dieſes Blatt mindeſtens
ſchon eine Winter- und eine Sommerſaiſon ausgelegen hat.
Jetzt prüfen Sie die Ablagerungen, die ſich von Arosti, Fritti,
Legumi, Pesce, Umidi
gebildet haben, nehmen Sie meinet-
wegen chemiſche Reagentien zu Hilfe, um den unterſten Spu-
ren beizukommen: — Sie werden finden, daß etwa ein
Drittel der Gerichte nicht vertreten iſt. Die Behauptung,
daß in einer italieniſchen Trattorie eine Speiſe aufgetragen
werden könnte, ohne Merkmale zurückzulaſſen, wird Niemand
wagen, der dort geweſen iſt. Jetzt folgen Sie mir in die
Antica Trattoria della … Hier iſt das ſchriftliche Ver-
fahren unbekannt, kein Blatt Papier zwiſchen Wirth und
Gäſten, vielmehr trägt Cenzo, der dicke Kellner, mündlich vor,
was zu haben iſt. Auf ſeinem Anzug erſcheint eine hand-
breite Zone, auf der Proben von Saucen ausgeſtellt ſind,
vielleicht als Illuſtration zu ſeinen eiligen mündlichen Mit-
theilungen.

Von weiteren paläontologiſchen Forſchungen in Küchen-
abfällen glaube ich aber nun Abſtand nehmen zu dürfen.

Machte oder ahnete ich ſehr trübe Erfahrungen an einem
Gaſttiſche, ſo überließ ich mich dem Wirth ohne Lenkverſuche,
wie Reiter auf unſicheren Gebirgswegen mit Maulthieren
thun, wählte alſo nicht, ſondern wandte nur leiſe Sporen-
hilfen in ſofern an, als ich merken ließ, daß ich mürbes,

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[180/0194] VI. Paläontologiſche Forſchungen in Küchenabfällen. in Rom Abends acht Uhr zu Mittag eſſen und beim Bajocco- orden verſichern, daß viele der aufgeführten Herrlichkeiten blos nominell ſind und lediglich zum Schmuck der Karte dienen. Die Arme, ihr mangelt ſonſt jedweder Schmuck, Schönheit und Liebreiz hat ſie nie beſeſſen, Jugend, Unſchuld und Reinheit, alles iſt längſt dahin, ein großer Riß geht durch ihr Herz, mißgönnen wir ihr dieſe einzige Zierde nicht. Hier iſt ſie ſelbſt, ich habe ſie mitgebracht, wie ich ſie einſt an Ort und Stelle fand, zwei Quadratfuß groß, bedruckt und beſchrieben. Ueberzeugen Sie ſich. Nur Muth, ein ge- wiſſenhafter Richter darf vor keinem Anblick zurückſchrecken. — Indicien: Sie erkennen, daß dieſes Blatt mindeſtens ſchon eine Winter- und eine Sommerſaiſon ausgelegen hat. Jetzt prüfen Sie die Ablagerungen, die ſich von Arosti, Fritti, Legumi, Pesce, Umidi gebildet haben, nehmen Sie meinet- wegen chemiſche Reagentien zu Hilfe, um den unterſten Spu- ren beizukommen: — Sie werden finden, daß etwa ein Drittel der Gerichte nicht vertreten iſt. Die Behauptung, daß in einer italieniſchen Trattorie eine Speiſe aufgetragen werden könnte, ohne Merkmale zurückzulaſſen, wird Niemand wagen, der dort geweſen iſt. Jetzt folgen Sie mir in die Antica Trattoria della … Hier iſt das ſchriftliche Ver- fahren unbekannt, kein Blatt Papier zwiſchen Wirth und Gäſten, vielmehr trägt Cenzo, der dicke Kellner, mündlich vor, was zu haben iſt. Auf ſeinem Anzug erſcheint eine hand- breite Zone, auf der Proben von Saucen ausgeſtellt ſind, vielleicht als Illuſtration zu ſeinen eiligen mündlichen Mit- theilungen. Von weiteren paläontologiſchen Forſchungen in Küchen- abfällen glaube ich aber nun Abſtand nehmen zu dürfen. Machte oder ahnete ich ſehr trübe Erfahrungen an einem Gaſttiſche, ſo überließ ich mich dem Wirth ohne Lenkverſuche, wie Reiter auf unſicheren Gebirgswegen mit Maulthieren thun, wählte alſo nicht, ſondern wandte nur leiſe Sporen- hilfen in ſofern an, als ich merken ließ, daß ich mürbes,

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/194>, abgerufen am 21.11.2024.