VI. Fernere Ersparnisse an Zeit, Geld, Mühe und Verdruß.
Lohndiener oder gar Leute, die sich auf der Straße anbieten, mit. Ebensowenig dürfen Kutscher, Träger, Führer durch Wirthe oder Kellner für unsre Rechnung ausgezahlt, oder Letztere bei Streitigkeiten mit Ersteren als Schiedsrichter auf- gerufen werden. Die Begründung dieses Rathes gehört unter die Ersparnisse, die sich der Verfasser erlauben darf.
Außergewöhnliches in Speisen, Getränken und Dienst- leistungen, weil es stets höhere, oft phantastische Preise her- vorruft, überhaupt alles, was den Speculationsgeist der Wirthe, Kutscher, Händler, welche nicht an gedruckte oder ge- schriebene Speisezettel, Tarife, Preiscourante gebunden sind, erhitzen kann, hat der Sparsame möglichst zu meiden. Je ge- wohnter, alltäglicher das Begehrte ist, je weniger er die Leute in den Fall bringt, die Frage, "wie berechnest du das?" zu studiren, je nüchterner, besonnener gerathen die Preise. Auf- fallend elegante Kleidung, ungewöhnlicher Schmuck, viel oder reich ausgestattetes Gepäck, sind für den Inhaber kostspielige Reizmittel der Phantasie unsrer Geschäftsfreunde. Dieselben normiren nämlich meistens ihre Ansätze nach Principien der Vermögenssteuer. Von einem Freunde gewann ich einst in einer Handicap-Wette ein allerliebst gearbeitetes juchtenes, silberausgelegtes Necessaire und hatte den Einfall, es mit auf die Reise zu nehmen. Das Ding stand gewöhnlich halb- geöffnet auf dem Tische meines Zimmers, und anfangs be- lustigte es mich, die sinnbestrickende Wirkung anzusehen, die es auf die Kellner übte, bald schien mir jedoch, daß der fieber- hafte Zustand, in den die Leute geriethen, verhängnißvollen Ausdruck fand in ihren Rechnungen, bestärkt wurde ich in dieser Ansicht durch den Earl R ..., der einen Juchtenkoffer mit sich führte und Aehnliches erfahren hatte; so packten wir denn die beiden kostspieligen Begleiter zusammen, schickten sie zurück und -- alles war wieder im alten Geleise. Seitdem steht unter meinen Reiseregeln: Juchtenleder (Berg- schuhe ausgenommen), ja der bloße Geruch davon, erhöht die Reisekosten, ist mithin zu beseitigen.
VI. Fernere Erſparniſſe an Zeit, Geld, Mühe und Verdruß.
Lohndiener oder gar Leute, die ſich auf der Straße anbieten, mit. Ebenſowenig dürfen Kutſcher, Träger, Führer durch Wirthe oder Kellner für unſre Rechnung ausgezahlt, oder Letztere bei Streitigkeiten mit Erſteren als Schiedsrichter auf- gerufen werden. Die Begründung dieſes Rathes gehört unter die Erſparniſſe, die ſich der Verfaſſer erlauben darf.
Außergewöhnliches in Speiſen, Getränken und Dienſt- leiſtungen, weil es ſtets höhere, oft phantaſtiſche Preiſe her- vorruft, überhaupt alles, was den Speculationsgeiſt der Wirthe, Kutſcher, Händler, welche nicht an gedruckte oder ge- ſchriebene Speiſezettel, Tarife, Preiscourante gebunden ſind, erhitzen kann, hat der Sparſame möglichſt zu meiden. Je ge- wohnter, alltäglicher das Begehrte iſt, je weniger er die Leute in den Fall bringt, die Frage, „wie berechneſt du das?“ zu ſtudiren, je nüchterner, beſonnener gerathen die Preiſe. Auf- fallend elegante Kleidung, ungewöhnlicher Schmuck, viel oder reich ausgeſtattetes Gepäck, ſind für den Inhaber koſtſpielige Reizmittel der Phantaſie unſrer Geſchäftsfreunde. Dieſelben normiren nämlich meiſtens ihre Anſätze nach Principien der Vermögensſteuer. Von einem Freunde gewann ich einſt in einer Handicap-Wette ein allerliebſt gearbeitetes juchtenes, ſilberausgelegtes Néceſſaire und hatte den Einfall, es mit auf die Reiſe zu nehmen. Das Ding ſtand gewöhnlich halb- geöffnet auf dem Tiſche meines Zimmers, und anfangs be- luſtigte es mich, die ſinnbeſtrickende Wirkung anzuſehen, die es auf die Kellner übte, bald ſchien mir jedoch, daß der fieber- hafte Zuſtand, in den die Leute geriethen, verhängnißvollen Ausdruck fand in ihren Rechnungen, beſtärkt wurde ich in dieſer Anſicht durch den Earl R …, der einen Juchtenkoffer mit ſich führte und Aehnliches erfahren hatte; ſo packten wir denn die beiden koſtſpieligen Begleiter zuſammen, ſchickten ſie zurück und — alles war wieder im alten Geleiſe. Seitdem ſteht unter meinen Reiſeregeln: Juchtenleder (Berg- ſchuhe ausgenommen), ja der bloße Geruch davon, erhöht die Reiſekoſten, iſt mithin zu beſeitigen.
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VI. Fernere Erſparniſſe an Zeit, Geld, Mühe und Verdruß.
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Wirthe oder Kellner für unſre Rechnung ausgezahlt, oder
Letztere bei Streitigkeiten mit Erſteren als Schiedsrichter auf-
gerufen werden. Die Begründung dieſes Rathes gehört unter
die Erſparniſſe, die ſich der Verfaſſer erlauben darf.
Außergewöhnliches in Speiſen, Getränken und Dienſt-
leiſtungen, weil es ſtets höhere, oft phantaſtiſche Preiſe her-
vorruft, überhaupt alles, was den Speculationsgeiſt der
Wirthe, Kutſcher, Händler, welche nicht an gedruckte oder ge-
ſchriebene Speiſezettel, Tarife, Preiscourante gebunden ſind,
erhitzen kann, hat der Sparſame möglichſt zu meiden. Je ge-
wohnter, alltäglicher das Begehrte iſt, je weniger er die Leute
in den Fall bringt, die Frage, „wie berechneſt du das?“ zu
ſtudiren, je nüchterner, beſonnener gerathen die Preiſe. Auf-
fallend elegante Kleidung, ungewöhnlicher Schmuck, viel oder
reich ausgeſtattetes Gepäck, ſind für den Inhaber koſtſpielige
Reizmittel der Phantaſie unſrer Geſchäftsfreunde. Dieſelben
normiren nämlich meiſtens ihre Anſätze nach Principien der
Vermögensſteuer. Von einem Freunde gewann ich einſt in
einer Handicap-Wette ein allerliebſt gearbeitetes juchtenes,
ſilberausgelegtes Néceſſaire und hatte den Einfall, es mit auf
die Reiſe zu nehmen. Das Ding ſtand gewöhnlich halb-
geöffnet auf dem Tiſche meines Zimmers, und anfangs be-
luſtigte es mich, die ſinnbeſtrickende Wirkung anzuſehen, die
es auf die Kellner übte, bald ſchien mir jedoch, daß der fieber-
hafte Zuſtand, in den die Leute geriethen, verhängnißvollen
Ausdruck fand in ihren Rechnungen, beſtärkt wurde ich in
dieſer Anſicht durch den Earl R …, der einen Juchtenkoffer
mit ſich führte und Aehnliches erfahren hatte; ſo packten wir
denn die beiden koſtſpieligen Begleiter zuſammen, ſchickten ſie
zurück und — alles war wieder im alten Geleiſe. Seitdem
ſteht unter meinen Reiſeregeln: Juchtenleder (Berg-
ſchuhe ausgenommen), ja der bloße Geruch davon, erhöht die
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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/213>, abgerufen am 17.07.2024.
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