Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Comfort -- Yankees -- Scheu vor Annäherung an Fremde. keit ist im Kleinen, was das Colonisationstalent im Großen,wenigstens eine Seite desselben, und eine Menge gering- fügiger, alltäglicher Dinge tragen das Ihrige bei, den Weg zu den höheren Zielen der Reise zu ebnen, dem Körper die Spannkraft und dem Geiste die Empfänglichkeit zu erhalten. Die deutsche Sprache hat denn auch das Wort "Comfort" sich angeeignet, dessen Bedeutung weit hinausgeht über den Begriff, den wir mit "Bequemlichkeit" verbinden, und keinen Anflug von Weichlichkeit und Trägheit hat, sondern alles umschließt, was das geistige und körperliche Wohlbehagen fördert, auch "Trost, Beistand, Labsal" bezeichnet. Die Erfinder des Worts haben unverkennbar die meisten Ver- dienste um Einführung der Sache in die Touristendistricte. Der Süden kennt und sucht den Comfort nicht, ihm genügt schon bloßes Nichtsthun, um sich wohl zu fühlen, nicht einmal der Reinlichkeit bedarf er. Ein Fortschritt nach der Seite hin ist indeß stets da bemerkbar, wo häufiger Briten hin- kommen. Sei es nun, daß sie gegenüber den Wirthen und dem Dienstpersonal mehr erzieherisches Talent oder weniger Langmuth als wir Anderen haben, oder daß ihr wirklicher oder vermeintlicher Reichthum ihnen mehr Gewicht gibt, die Thatsache ist nicht zu leugnen. Auch ihre transatlantischen Vettern, die Yankees, entwickeln neuerdings ein bemerkens- werthes Talent der Reise und der Wirthshauspädagogik, und werden nicht müde, diesseits von gewissen musterhaften häus- lichen Einrichtungen ihres Vaterlands zu predigen, was hier und da schon Früchte trägt. Bevor ich meinem Reiseprofessor das Wort zurückgebe, Nächst John Bull die unbeliebteste und -- verbreitetste VII. Comfort — Yankees — Scheu vor Annäherung an Fremde. keit iſt im Kleinen, was das Coloniſationstalent im Großen,wenigſtens eine Seite deſſelben, und eine Menge gering- fügiger, alltäglicher Dinge tragen das Ihrige bei, den Weg zu den höheren Zielen der Reiſe zu ebnen, dem Körper die Spannkraft und dem Geiſte die Empfänglichkeit zu erhalten. Die deutſche Sprache hat denn auch das Wort „Comfort“ ſich angeeignet, deſſen Bedeutung weit hinausgeht über den Begriff, den wir mit „Bequemlichkeit“ verbinden, und keinen Anflug von Weichlichkeit und Trägheit hat, ſondern alles umſchließt, was das geiſtige und körperliche Wohlbehagen fördert, auch „Troſt, Beiſtand, Labſal“ bezeichnet. Die Erfinder des Worts haben unverkennbar die meiſten Ver- dienſte um Einführung der Sache in die Touriſtendiſtricte. Der Süden kennt und ſucht den Comfort nicht, ihm genügt ſchon bloßes Nichtsthun, um ſich wohl zu fühlen, nicht einmal der Reinlichkeit bedarf er. Ein Fortſchritt nach der Seite hin iſt indeß ſtets da bemerkbar, wo häufiger Briten hin- kommen. Sei es nun, daß ſie gegenüber den Wirthen und dem Dienſtperſonal mehr erzieheriſches Talent oder weniger Langmuth als wir Anderen haben, oder daß ihr wirklicher oder vermeintlicher Reichthum ihnen mehr Gewicht gibt, die Thatſache iſt nicht zu leugnen. Auch ihre transatlantiſchen Vettern, die Yankees, entwickeln neuerdings ein bemerkens- werthes Talent der Reiſe und der Wirthshauspädagogik, und werden nicht müde, diesſeits von gewiſſen muſterhaften häus- lichen Einrichtungen ihres Vaterlands zu predigen, was hier und da ſchon Früchte trägt. 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VII. Comfort — Yankees — Scheu vor Annäherung an Fremde.
keit iſt im Kleinen, was das Coloniſationstalent im Großen,
wenigſtens eine Seite deſſelben, und eine Menge gering-
fügiger, alltäglicher Dinge tragen das Ihrige bei, den Weg
zu den höheren Zielen der Reiſe zu ebnen, dem Körper die
Spannkraft und dem Geiſte die Empfänglichkeit zu erhalten.
Die deutſche Sprache hat denn auch das Wort „Comfort“
ſich angeeignet, deſſen Bedeutung weit hinausgeht über den
Begriff, den wir mit „Bequemlichkeit“ verbinden, und keinen
Anflug von Weichlichkeit und Trägheit hat, ſondern alles
umſchließt, was das geiſtige und körperliche Wohlbehagen
fördert, auch „Troſt, Beiſtand, Labſal“ bezeichnet. Die
Erfinder des Worts haben unverkennbar die meiſten Ver-
dienſte um Einführung der Sache in die Touriſtendiſtricte.
Der Süden kennt und ſucht den Comfort nicht, ihm genügt
ſchon bloßes Nichtsthun, um ſich wohl zu fühlen, nicht einmal
der Reinlichkeit bedarf er. Ein Fortſchritt nach der Seite
hin iſt indeß ſtets da bemerkbar, wo häufiger Briten hin-
kommen. Sei es nun, daß ſie gegenüber den Wirthen und
dem Dienſtperſonal mehr erzieheriſches Talent oder weniger
Langmuth als wir Anderen haben, oder daß ihr wirklicher
oder vermeintlicher Reichthum ihnen mehr Gewicht gibt, die
Thatſache iſt nicht zu leugnen. Auch ihre transatlantiſchen
Vettern, die Yankees, entwickeln neuerdings ein bemerkens-
werthes Talent der Reiſe und der Wirthshauspädagogik, und
werden nicht müde, diesſeits von gewiſſen muſterhaften häus-
lichen Einrichtungen ihres Vaterlands zu predigen, was hier
und da ſchon Früchte trägt.
Bevor ich meinem Reiſeprofeſſor das Wort zurückgebe,
muß ich noch ein Thema berühren, das ſich eng anſchließt an
das eben abgehandelte.
Nächſt John Bull die unbeliebteſte und — verbreitetſte
Touriſtenclaſſe iſt der „Berliner“. Die Abneigung gegen
ihn iſt der Punkt, in dem ganz Deutſchland nahezu einig iſt,
und ſelbſt von Vollblut-Berlinern kann man hören: „nach
N. N. gehe ich nicht, da ſind zu viele Berliner“. Auf gewiſſe
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