Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Graf Zwei -- Störung. mir meine Namenlosigkeit zu verzeihen und nun seinerseitsden Faden des Gesprächs emsig weiter zu spinnen. Offen- bar langweilte er sich in Xbad entsetzlich und wünschte nichts sehnlicher, als von seiner einsamen Höhe herabzusteigen und Mensch mit Menschen sein zu können, wußte nur die herab- führende Treppe nicht zu finden. Die nächsten Tage machen wir unsre Morgenspaziergänge mit einander, tauschen Cigarren aus und sind gute Cameraden, bis nach einiger Zeit ein Prinz von Bullerhausen kommt. Ihm schließt sich der Herr Graf natürlich an und hat die Zartheit, mich diesem Kreise nicht vorzustellen, denn dessen steifes Cere- moniell würde mir, dem Ungewohnten, doch nur lästig fallen. Weiter. Ein Regenschauer treibt mich in's Borkenhäuschen bei Diese ersten sechs Entdeckungsreisen wären also ohne VII. Graf Zwei — Störung. mir meine Namenloſigkeit zu verzeihen und nun ſeinerſeitsden Faden des Geſprächs emſig weiter zu ſpinnen. Offen- bar langweilte er ſich in Xbad entſetzlich und wünſchte nichts ſehnlicher, als von ſeiner einſamen Höhe herabzuſteigen und Menſch mit Menſchen ſein zu können, wußte nur die herab- führende Treppe nicht zu finden. Die nächſten Tage machen wir unſre Morgenſpaziergänge mit einander, tauſchen Cigarren aus und ſind gute Cameraden, bis nach einiger Zeit ein Prinz von Bullerhauſen kommt. Ihm ſchließt ſich der Herr Graf natürlich an und hat die Zartheit, mich dieſem Kreiſe nicht vorzuſtellen, denn deſſen ſteifes Cere- moniell würde mir, dem Ungewohnten, doch nur läſtig fallen. Weiter. Ein Regenſchauer treibt mich in’s Borkenhäuschen bei Dieſe erſten ſechs Entdeckungsreiſen wären alſo ohne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="218"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Graf Zwei — Störung.</fw><lb/> mir meine Namenloſigkeit zu verzeihen und nun ſeinerſeits<lb/> den Faden des Geſprächs emſig weiter zu ſpinnen. Offen-<lb/> bar langweilte er ſich in Xbad entſetzlich und wünſchte nichts<lb/> ſehnlicher, als von ſeiner einſamen Höhe herabzuſteigen und<lb/> Menſch mit Menſchen ſein zu können, wußte nur die herab-<lb/> führende Treppe nicht zu finden. Die nächſten Tage machen<lb/> wir unſre Morgenſpaziergänge mit einander, tauſchen<lb/> Cigarren aus und ſind gute Cameraden, bis nach einiger<lb/> Zeit ein Prinz <persName ref="nognd">von Bullerhauſen</persName> kommt. Ihm ſchließt<lb/> ſich der Herr Graf natürlich an und hat die Zartheit, mich<lb/> dieſem Kreiſe nicht vorzuſtellen, denn deſſen ſteifes Cere-<lb/> moniell würde mir, dem Ungewohnten, doch nur läſtig fallen.<lb/> Weiter.</p><lb/> <p>Ein Regenſchauer treibt mich in’s Borkenhäuschen bei<lb/><placeName>Z.</placeName> Da ſitzt bereits ein Herr, in der Hand Brieftaſche und<lb/> Bleiſtift, welche er einſteckt, als er meiner anſichtig wird.<lb/> Vielleicht ein Poet, denke ich, der lieber mit ſeiner Muſe<lb/> allein geblieben wäre, und nun verſcheuche ich das Götterkind<lb/> durch meine profane Gegenwart. Die Störung iſt aber<lb/> nicht rückgängig zu machen, die Brieftaſche beſeitigt. Ich<lb/> ſetze mich auf’s andere Bankende, ziehe ein Buch aus der<lb/> Taſche und leſe, um ihm Gelegenheit zu geben, ſeine ſchöpfe-<lb/> riſche Thätigkeit wieder aufzunehmen. Sollte es die Zu-<lb/> eignung ſein, an der er dichtet und nur die letzten Verſe des<lb/> Sonetts fehlen noch? Doch die Brieftaſche bleibt in ihrem<lb/> Verſteck und ſo oft ich aufſehe, begegne ich ſeinem Blicke.<lb/> Hat er etwa das Bedürfniß, ſeine üble Laune an mir aus-<lb/> zulaſſen? Dieſe Genugthuung bin ich ihm ſchuldig. Wohlan<lb/> denn, er ſoll Gelegenheit haben. — Ich las da eben ....<lb/> Ein Geſpräch iſt bald im Gange und es findet ſich, daß<lb/> der Mann nicht Lyriker ſondern im Gegentheil Landwirth<lb/> iſt, eben nur mit einer proſaiſchen Rechnung beſchäftigt war<lb/> und über mecklenburgiſche Verhältniſſe belehrende Mitthei-<lb/> lungen machen kann.</p><lb/> <p>Dieſe erſten ſechs Entdeckungsreiſen wären alſo ohne<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [218/0232]
VII. Graf Zwei — Störung.
mir meine Namenloſigkeit zu verzeihen und nun ſeinerſeits
den Faden des Geſprächs emſig weiter zu ſpinnen. Offen-
bar langweilte er ſich in Xbad entſetzlich und wünſchte nichts
ſehnlicher, als von ſeiner einſamen Höhe herabzuſteigen und
Menſch mit Menſchen ſein zu können, wußte nur die herab-
führende Treppe nicht zu finden. Die nächſten Tage machen
wir unſre Morgenſpaziergänge mit einander, tauſchen
Cigarren aus und ſind gute Cameraden, bis nach einiger
Zeit ein Prinz von Bullerhauſen kommt. Ihm ſchließt
ſich der Herr Graf natürlich an und hat die Zartheit, mich
dieſem Kreiſe nicht vorzuſtellen, denn deſſen ſteifes Cere-
moniell würde mir, dem Ungewohnten, doch nur läſtig fallen.
Weiter.
Ein Regenſchauer treibt mich in’s Borkenhäuschen bei
Z. Da ſitzt bereits ein Herr, in der Hand Brieftaſche und
Bleiſtift, welche er einſteckt, als er meiner anſichtig wird.
Vielleicht ein Poet, denke ich, der lieber mit ſeiner Muſe
allein geblieben wäre, und nun verſcheuche ich das Götterkind
durch meine profane Gegenwart. Die Störung iſt aber
nicht rückgängig zu machen, die Brieftaſche beſeitigt. Ich
ſetze mich auf’s andere Bankende, ziehe ein Buch aus der
Taſche und leſe, um ihm Gelegenheit zu geben, ſeine ſchöpfe-
riſche Thätigkeit wieder aufzunehmen. Sollte es die Zu-
eignung ſein, an der er dichtet und nur die letzten Verſe des
Sonetts fehlen noch? Doch die Brieftaſche bleibt in ihrem
Verſteck und ſo oft ich aufſehe, begegne ich ſeinem Blicke.
Hat er etwa das Bedürfniß, ſeine üble Laune an mir aus-
zulaſſen? Dieſe Genugthuung bin ich ihm ſchuldig. Wohlan
denn, er ſoll Gelegenheit haben. — Ich las da eben ....
Ein Geſpräch iſt bald im Gange und es findet ſich, daß
der Mann nicht Lyriker ſondern im Gegentheil Landwirth
iſt, eben nur mit einer proſaiſchen Rechnung beſchäftigt war
und über mecklenburgiſche Verhältniſſe belehrende Mitthei-
lungen machen kann.
Dieſe erſten ſechs Entdeckungsreiſen wären alſo ohne
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