Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Geistige Rund- und Fernsicht -- der große Touristenstrom. abnehmen, ist nur das, was sie verhindern könnte, sich frischenKörpers und Geistes ihren wahren Aufgaben zu widmen, Uebungen und Prüfungen bleiben ihnen noch genug übrig, ohne daß sie mit wunden Füßen, Husten, Gliederschmerzen, Zahnweh u. s. w. umherziehen, ohne daß sie Fahrkarten, Gepäckstücke, Geld und Zeit verlieren, ohne daß sie sich über- theuern und bestehlen lassen. Die Reise bietet immer noch Hinlängliches, die Kräfte, den Willen, die Standhaftigkeit und den Erfindungsgeist zu üben. -- In vielen Beziehungen, nahm ich wieder das Wort, -- So würde ich, entgegnete er, in Verlegenheit ge- Diese Ueberzeugung muß sich jedem aufdrängen, der VIII. Geiſtige Rund- und Fernſicht — der große Touriſtenſtrom. abnehmen, iſt nur das, was ſie verhindern könnte, ſich friſchenKörpers und Geiſtes ihren wahren Aufgaben zu widmen, Uebungen und Prüfungen bleiben ihnen noch genug übrig, ohne daß ſie mit wunden Füßen, Huſten, Gliederſchmerzen, Zahnweh u. ſ. w. umherziehen, ohne daß ſie Fahrkarten, Gepäckſtücke, Geld und Zeit verlieren, ohne daß ſie ſich über- theuern und beſtehlen laſſen. Die Reiſe bietet immer noch Hinlängliches, die Kräfte, den Willen, die Standhaftigkeit und den Erfindungsgeiſt zu üben. — In vielen Beziehungen, nahm ich wieder das Wort, — So würde ich, entgegnete er, in Verlegenheit ge- Dieſe Ueberzeugung muß ſich jedem aufdrängen, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0262" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Geiſtige Rund- und Fernſicht — der große Touriſtenſtrom.</fw><lb/> abnehmen, iſt nur das, was ſie verhindern könnte, ſich friſchen<lb/> Körpers und Geiſtes ihren wahren Aufgaben zu widmen,<lb/> Uebungen und Prüfungen bleiben ihnen noch genug übrig,<lb/> ohne daß ſie mit wunden Füßen, Huſten, Gliederſchmerzen,<lb/> Zahnweh u. ſ. w. umherziehen, ohne daß ſie Fahrkarten,<lb/> Gepäckſtücke, Geld und Zeit verlieren, ohne daß ſie ſich über-<lb/> theuern und beſtehlen laſſen. Die Reiſe bietet immer noch<lb/> Hinlängliches, die Kräfte, den Willen, die Standhaftigkeit<lb/> und den Erfindungsgeiſt zu üben.</p><lb/> <p>— In vielen Beziehungen, nahm ich wieder das Wort,<lb/> bangt mir aber immer noch ſehr für unſer Buch, das eine<lb/> Allerweltsangelegenheit wie die Reiſe behandelt, in welcher<lb/> jeder Leſer mehr oder minder auch Kritiker iſt. Sie wiſſen,<lb/> ein anderer Ihrer Landsleute hat uns ein „Volk von Denkern“<lb/> genannt. Wie können wir dieſem Volke eine Schrift an-<lb/> bieten, die ſich „Reiſeſchule“ nennt und keine Philoſophie<lb/> der Reiſe, keine große geiſtige Rund- und Fernſicht von<lb/> hohem Standpunkt aus enthält? Wenn ich Ihnen z. B. die<lb/> Bitte ſtellte, die Summe Ihrer an ſich und Anderen ge-<lb/> machten Reiſeerfahrungen in einen kurzen Satz zu faſſen?</p><lb/> <p>— So würde ich, entgegnete er, in Verlegenheit ge-<lb/> rathen und Ausflüchte ſuchen, drängen Sie aber in mich (Ihr<lb/> Deutſche thut’s einmal nicht ohne Abſtractionen), ſo würde<lb/> ich einen ſolchen allgemeinen Satz etwa ſo formuliren: —<lb/> Je höher in geiſtiger und ſittlicher Beziehung der Zweck der<lb/> Reiſe ſteht, je wichtiger und ernſter er iſt, je mehr verlangt<lb/> er nicht nur Ausſchließlichkeit, je mehr (bis zu einer gewiſſen<lb/> Grenze) belohnt ſich auch dieſelbe; je mehr hingegen der<lb/> Hauptzweck Vergnügen, Zerſtreuung, Unterhaltung, Ver-<lb/> änderung iſt, um ſo leichter verfehlen wir ihn, je aus-<lb/> ſchließlicher wir uns ihm widmen.</p><lb/> <p>Dieſe Ueberzeugung muß ſich jedem aufdrängen, der<lb/> die einzelnen Elemente des großen Touriſtenſtroms betrachtet:<lb/> er bemerkt, wie freud-, fried- und fruchtlos die Mehrzahl<lb/> dieſer „Vergnügungsreiſenden“ von Berg zu Berg, von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [248/0262]
VIII. Geiſtige Rund- und Fernſicht — der große Touriſtenſtrom.
abnehmen, iſt nur das, was ſie verhindern könnte, ſich friſchen
Körpers und Geiſtes ihren wahren Aufgaben zu widmen,
Uebungen und Prüfungen bleiben ihnen noch genug übrig,
ohne daß ſie mit wunden Füßen, Huſten, Gliederſchmerzen,
Zahnweh u. ſ. w. umherziehen, ohne daß ſie Fahrkarten,
Gepäckſtücke, Geld und Zeit verlieren, ohne daß ſie ſich über-
theuern und beſtehlen laſſen. Die Reiſe bietet immer noch
Hinlängliches, die Kräfte, den Willen, die Standhaftigkeit
und den Erfindungsgeiſt zu üben.
— In vielen Beziehungen, nahm ich wieder das Wort,
bangt mir aber immer noch ſehr für unſer Buch, das eine
Allerweltsangelegenheit wie die Reiſe behandelt, in welcher
jeder Leſer mehr oder minder auch Kritiker iſt. Sie wiſſen,
ein anderer Ihrer Landsleute hat uns ein „Volk von Denkern“
genannt. Wie können wir dieſem Volke eine Schrift an-
bieten, die ſich „Reiſeſchule“ nennt und keine Philoſophie
der Reiſe, keine große geiſtige Rund- und Fernſicht von
hohem Standpunkt aus enthält? Wenn ich Ihnen z. B. die
Bitte ſtellte, die Summe Ihrer an ſich und Anderen ge-
machten Reiſeerfahrungen in einen kurzen Satz zu faſſen?
— So würde ich, entgegnete er, in Verlegenheit ge-
rathen und Ausflüchte ſuchen, drängen Sie aber in mich (Ihr
Deutſche thut’s einmal nicht ohne Abſtractionen), ſo würde
ich einen ſolchen allgemeinen Satz etwa ſo formuliren: —
Je höher in geiſtiger und ſittlicher Beziehung der Zweck der
Reiſe ſteht, je wichtiger und ernſter er iſt, je mehr verlangt
er nicht nur Ausſchließlichkeit, je mehr (bis zu einer gewiſſen
Grenze) belohnt ſich auch dieſelbe; je mehr hingegen der
Hauptzweck Vergnügen, Zerſtreuung, Unterhaltung, Ver-
änderung iſt, um ſo leichter verfehlen wir ihn, je aus-
ſchließlicher wir uns ihm widmen.
Dieſe Ueberzeugung muß ſich jedem aufdrängen, der
die einzelnen Elemente des großen Touriſtenſtroms betrachtet:
er bemerkt, wie freud-, fried- und fruchtlos die Mehrzahl
dieſer „Vergnügungsreiſenden“ von Berg zu Berg, von
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