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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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III. Plaid -- Plaidnadel.
tionen, als Poncho (mit einem Schnitt in der Mitte, um den
Kopf durchzustecken, und Knöpfen), als Schoosdecke, Fußsack,
Bettdecke, Betttuch, zum Ersatz oder zur Erhöhung des Kopf-
kissens oder Bedeckung eines unsaubern Kissens oder Lakens,
gerollt oder zusammengeschlagen zur Erhöhung niedriger
Sitze beim Schreiben und Clavierspielen, als Polster für
kalte Steine, nassen Rasen, als Sattel beim Reiten, gerollt
als Schlummerkissen, einen Zipfel über den Kopf gezogen
als Mütze, im Freien lang ausgebreitet als Schutz gegen
Feuchtigkeit oder Ameisen beim Liegen, als Schirmwand, Zelt-
decke, Gardine für Stuben- oder Wagenfenster, als Segel,
geschnitten als Cholerabinde; mittels Bindfaden läßt er sich
auch zum Tornister umgestalten oder zum Seil winden, um
daran einen Felsen hinabzuklettern; endlich noch als Hand-
tuch, Kehrbesen, Kaffeesieb, Wasserfilter und Trinkbecher.

Der Plaid darf durch sein Gewicht den Wanderer, dessen
steter Begleiter er ist, nicht belästigen; ich benutze deshalb
in der Regel einen der stärkeren Damenplaids von
feiner Wolle, dünnem und dichtem Gewebe. In den
Fällen, in welchen eine solche Hülle nicht genügt, läßt sich,
wenn man nicht einen zweiten, schweren mit sich führen will,
anderweitig sorgen, z. B. durch einen sogenannten Wetter-
mantel, wie man ihn in Tirol und Oberbayern für etwa vier
Gulden kauft. Es ist dies ein bis an die Knie reichender
Kittel von grobem, locker gewebtem, braunem Lodenzeug;
leicht, aber doch ziemlich warm, vermag er auch eine Zeit
lang den Regen abzuhalten.

Die Plaidnadel (Sicherheits- oder Ammennadel),
auch ein Kind der Neuzeit, bildet jetzt in fast jedem Nadler-
laden einen Stapelartikel. Weil sie brocheartig mit einem Ver-
schluß eingerichtet ist, hat sie vor der gewöhnlichen Stecknadel
voraus, daß sie nicht wie diese jede unvorsichtige Berührung
blutig rächt, ferner nicht beim geringsten Anstoß treulos
ihren Posten verläßt, muß mithin zu den Gegenständen

III. Plaid — Plaidnadel.
tionen, als Poncho (mit einem Schnitt in der Mitte, um den
Kopf durchzuſtecken, und Knöpfen), als Schoosdecke, Fußſack,
Bettdecke, Betttuch, zum Erſatz oder zur Erhöhung des Kopf-
kiſſens oder Bedeckung eines unſaubern Kiſſens oder Lakens,
gerollt oder zuſammengeſchlagen zur Erhöhung niedriger
Sitze beim Schreiben und Clavierſpielen, als Polſter für
kalte Steine, naſſen Raſen, als Sattel beim Reiten, gerollt
als Schlummerkiſſen, einen Zipfel über den Kopf gezogen
als Mütze, im Freien lang ausgebreitet als Schutz gegen
Feuchtigkeit oder Ameiſen beim Liegen, als Schirmwand, Zelt-
decke, Gardine für Stuben- oder Wagenfenſter, als Segel,
geſchnitten als Cholerabinde; mittels Bindfaden läßt er ſich
auch zum Torniſter umgeſtalten oder zum Seil winden, um
daran einen Felſen hinabzuklettern; endlich noch als Hand-
tuch, Kehrbeſen, Kaffeeſieb, Waſſerfilter und Trinkbecher.

Der Plaid darf durch ſein Gewicht den Wanderer, deſſen
ſteter Begleiter er iſt, nicht beläſtigen; ich benutze deshalb
in der Regel einen der ſtärkeren Damenplaids von
feiner Wolle, dünnem und dichtem Gewebe. In den
Fällen, in welchen eine ſolche Hülle nicht genügt, läßt ſich,
wenn man nicht einen zweiten, ſchweren mit ſich führen will,
anderweitig ſorgen, z. B. durch einen ſogenannten Wetter-
mantel, wie man ihn in Tirol und Oberbayern für etwa vier
Gulden kauft. Es iſt dies ein bis an die Knie reichender
Kittel von grobem, locker gewebtem, braunem Lodenzeug;
leicht, aber doch ziemlich warm, vermag er auch eine Zeit
lang den Regen abzuhalten.

Die Plaidnadel (Sicherheits- oder Ammennadel),
auch ein Kind der Neuzeit, bildet jetzt in faſt jedem Nadler-
laden einen Stapelartikel. Weil ſie brocheartig mit einem Ver-
ſchluß eingerichtet iſt, hat ſie vor der gewöhnlichen Stecknadel
voraus, daß ſie nicht wie dieſe jede unvorſichtige Berührung
blutig rächt, ferner nicht beim geringſten Anſtoß treulos
ihren Poſten verläßt, muß mithin zu den Gegenſtänden

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[38/0052] III. Plaid — Plaidnadel. tionen, als Poncho (mit einem Schnitt in der Mitte, um den Kopf durchzuſtecken, und Knöpfen), als Schoosdecke, Fußſack, Bettdecke, Betttuch, zum Erſatz oder zur Erhöhung des Kopf- kiſſens oder Bedeckung eines unſaubern Kiſſens oder Lakens, gerollt oder zuſammengeſchlagen zur Erhöhung niedriger Sitze beim Schreiben und Clavierſpielen, als Polſter für kalte Steine, naſſen Raſen, als Sattel beim Reiten, gerollt als Schlummerkiſſen, einen Zipfel über den Kopf gezogen als Mütze, im Freien lang ausgebreitet als Schutz gegen Feuchtigkeit oder Ameiſen beim Liegen, als Schirmwand, Zelt- decke, Gardine für Stuben- oder Wagenfenſter, als Segel, geſchnitten als Cholerabinde; mittels Bindfaden läßt er ſich auch zum Torniſter umgeſtalten oder zum Seil winden, um daran einen Felſen hinabzuklettern; endlich noch als Hand- tuch, Kehrbeſen, Kaffeeſieb, Waſſerfilter und Trinkbecher. Der Plaid darf durch ſein Gewicht den Wanderer, deſſen ſteter Begleiter er iſt, nicht beläſtigen; ich benutze deshalb in der Regel einen der ſtärkeren Damenplaids von feiner Wolle, dünnem und dichtem Gewebe. In den Fällen, in welchen eine ſolche Hülle nicht genügt, läßt ſich, wenn man nicht einen zweiten, ſchweren mit ſich führen will, anderweitig ſorgen, z. B. durch einen ſogenannten Wetter- mantel, wie man ihn in Tirol und Oberbayern für etwa vier Gulden kauft. Es iſt dies ein bis an die Knie reichender Kittel von grobem, locker gewebtem, braunem Lodenzeug; leicht, aber doch ziemlich warm, vermag er auch eine Zeit lang den Regen abzuhalten. Die Plaidnadel (Sicherheits- oder Ammennadel), auch ein Kind der Neuzeit, bildet jetzt in faſt jedem Nadler- laden einen Stapelartikel. Weil ſie brocheartig mit einem Ver- ſchluß eingerichtet iſt, hat ſie vor der gewöhnlichen Stecknadel voraus, daß ſie nicht wie dieſe jede unvorſichtige Berührung blutig rächt, ferner nicht beim geringſten Anſtoß treulos ihren Poſten verläßt, muß mithin zu den Gegenſtänden

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/52>, abgerufen am 21.11.2024.