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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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III. Werthsachen zu sichern -- Diebe.
mögen hier nur noch aus dem Spiele bleiben, denn dieser
Feind hat durch seine numerische Stärke, durch die Umsicht,
mit der er alle wichtigen Punkte besetzt hält, die Ausdauer,
mit welcher er sie vertheidigt, durch seine Disciplin, seine vor-
zügliche Bewaffnung, insbesondere seine von Jahr zu Jahr
steigende Unerschrockenheit allen Anspruch auf unsere un-
getheilte Aufmerksamkeit. Ihm wird deshalb ein besonderes
Capitel gewidmet sein. Auch ist hier noch nicht der Ort, um
uns mit den Freischaaren von falsch addirenden Kellnern,
überspannten Lohnkutschern und zudringlichen Trinkgeldjägern
der verschiedensten Art einzulassen. Vielmehr richten wir
unseren Sinn zunächst nur auf die minder furchtbaren Wider-
sacher des Reisenden -- die Diebe. Sie unterscheiden sich
von der vorgenannten Art dadurch, daß sie, die Finger nach
unten gekrümmt, zu Werke gehen, während jene, der beherzte,
siegesgewohnte Feind, uns offen und kühn in's Antlitz blicken
und die Hand mit einem Blatt Papier wie eine gebotene
Freundeshand entgegenstrecken.

Vor Taschen-, Straßen-, Hausdieben und Einbrechern
schützt man sich dadurch am sichersten, daß man Geld- und
Werthsachen nicht an solche Orte legt, wo, in der Meinung
sie da am besten zu verwahren, alle Welt sie hat. Wie viele
Tausende von Brieftaschen mit Banknoten sind nicht aus der
linken Brusttasche des Rockes gestohlen worden! Nach der
Versicherung eines Londoner Detectives vermag ein geübtes
Gaunerauge schon in ziemlicher Entfernung zu erkennen, ob
in einer Brusttasche Inhalt zu erwarten ist, der einen Angriff
verdient, und daß es auch diesseits Finger gibt, die auf
die unglückliche Tasche eigens dressirt sind, geht aus den
Polizeiberichten hervor. Größere Geldsummen in Gold
Kleidungsstücken einnähen zu lassen, wäre eine gute Maß-
regel, wenn dieselben, so lange sie goldhaltig, nicht gereinigt zu
werden brauchten oder alle Hausknechte ehrliche Leute wären;
leider ist aber die Bildung des Gefühls, d. h. des Tast-
und Spürsinns bei einigen dieser Klopfgeister so weit vor-

III. Werthſachen zu ſichern — Diebe.
mögen hier nur noch aus dem Spiele bleiben, denn dieſer
Feind hat durch ſeine numeriſche Stärke, durch die Umſicht,
mit der er alle wichtigen Punkte beſetzt hält, die Ausdauer,
mit welcher er ſie vertheidigt, durch ſeine Disciplin, ſeine vor-
zügliche Bewaffnung, insbeſondere ſeine von Jahr zu Jahr
ſteigende Unerſchrockenheit allen Anſpruch auf unſere un-
getheilte Aufmerkſamkeit. Ihm wird deshalb ein beſonderes
Capitel gewidmet ſein. Auch iſt hier noch nicht der Ort, um
uns mit den Freiſchaaren von falſch addirenden Kellnern,
überſpannten Lohnkutſchern und zudringlichen Trinkgeldjägern
der verſchiedenſten Art einzulaſſen. Vielmehr richten wir
unſeren Sinn zunächſt nur auf die minder furchtbaren Wider-
ſacher des Reiſenden — die Diebe. Sie unterſcheiden ſich
von der vorgenannten Art dadurch, daß ſie, die Finger nach
unten gekrümmt, zu Werke gehen, während jene, der beherzte,
ſiegesgewohnte Feind, uns offen und kühn in’s Antlitz blicken
und die Hand mit einem Blatt Papier wie eine gebotene
Freundeshand entgegenſtrecken.

Vor Taſchen-, Straßen-, Hausdieben und Einbrechern
ſchützt man ſich dadurch am ſicherſten, daß man Geld- und
Werthſachen nicht an ſolche Orte legt, wo, in der Meinung
ſie da am beſten zu verwahren, alle Welt ſie hat. Wie viele
Tauſende von Brieftaſchen mit Banknoten ſind nicht aus der
linken Bruſttaſche des Rockes geſtohlen worden! Nach der
Verſicherung eines Londoner Detectives vermag ein geübtes
Gaunerauge ſchon in ziemlicher Entfernung zu erkennen, ob
in einer Bruſttaſche Inhalt zu erwarten iſt, der einen Angriff
verdient, und daß es auch diesſeits Finger gibt, die auf
die unglückliche Taſche eigens dreſſirt ſind, geht aus den
Polizeiberichten hervor. Größere Geldſummen in Gold
Kleidungsſtücken einnähen zu laſſen, wäre eine gute Maß-
regel, wenn dieſelben, ſo lange ſie goldhaltig, nicht gereinigt zu
werden brauchten oder alle Hausknechte ehrliche Leute wären;
leider iſt aber die Bildung des Gefühls, d. h. des Taſt-
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[48/0062] III. Werthſachen zu ſichern — Diebe. mögen hier nur noch aus dem Spiele bleiben, denn dieſer Feind hat durch ſeine numeriſche Stärke, durch die Umſicht, mit der er alle wichtigen Punkte beſetzt hält, die Ausdauer, mit welcher er ſie vertheidigt, durch ſeine Disciplin, ſeine vor- zügliche Bewaffnung, insbeſondere ſeine von Jahr zu Jahr ſteigende Unerſchrockenheit allen Anſpruch auf unſere un- getheilte Aufmerkſamkeit. Ihm wird deshalb ein beſonderes Capitel gewidmet ſein. Auch iſt hier noch nicht der Ort, um uns mit den Freiſchaaren von falſch addirenden Kellnern, überſpannten Lohnkutſchern und zudringlichen Trinkgeldjägern der verſchiedenſten Art einzulaſſen. Vielmehr richten wir unſeren Sinn zunächſt nur auf die minder furchtbaren Wider- ſacher des Reiſenden — die Diebe. Sie unterſcheiden ſich von der vorgenannten Art dadurch, daß ſie, die Finger nach unten gekrümmt, zu Werke gehen, während jene, der beherzte, ſiegesgewohnte Feind, uns offen und kühn in’s Antlitz blicken und die Hand mit einem Blatt Papier wie eine gebotene Freundeshand entgegenſtrecken. Vor Taſchen-, Straßen-, Hausdieben und Einbrechern ſchützt man ſich dadurch am ſicherſten, daß man Geld- und Werthſachen nicht an ſolche Orte legt, wo, in der Meinung ſie da am beſten zu verwahren, alle Welt ſie hat. Wie viele Tauſende von Brieftaſchen mit Banknoten ſind nicht aus der linken Bruſttaſche des Rockes geſtohlen worden! Nach der Verſicherung eines Londoner Detectives vermag ein geübtes Gaunerauge ſchon in ziemlicher Entfernung zu erkennen, ob in einer Bruſttaſche Inhalt zu erwarten iſt, der einen Angriff verdient, und daß es auch diesſeits Finger gibt, die auf die unglückliche Taſche eigens dreſſirt ſind, geht aus den Polizeiberichten hervor. Größere Geldſummen in Gold Kleidungsſtücken einnähen zu laſſen, wäre eine gute Maß- regel, wenn dieſelben, ſo lange ſie goldhaltig, nicht gereinigt zu werden brauchten oder alle Hausknechte ehrliche Leute wären; leider iſt aber die Bildung des Gefühls, d. h. des Taſt- und Spürſinns bei einigen dieſer Klopfgeiſter ſo weit vor-

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/62>, abgerufen am 24.11.2024.